Gut sehen kann ich schlecht, aber schlecht hören kann ich gut
Der Kabarettist Matthias Machwerk findet Homeoffice ziemlich anstrengend.
Als wegen des Corona-Lockdowns Homeoffice eingeführt wurde, war die Begeisterung groß. Kein langer Arbeitsweg, weniger Stress und die Kinder immer im Blick. Die Illusion hielt nicht lange. Die Kinder zerrten bereits nach wenigen Tagen an den Nerven und man begriff, die Lehrer waren wohl doch nicht das Problem. Und auch die zwangsverordnete Hausarbeit frustrierte zusehends. Man fühlte sich einsam, ausgestoßen und mit der eigenen Familie allein gelassen.
Gut, es gab Videokonferenzen, die machten alles noch schlimmer. Im Gegenlicht sah man aus wie Darth Vader, und wenn dann noch der Ton verzerrt wurde, verbreitete man Angst und Schrecken bei den anderen Teilnehmern. Überhaupt - die anderen Teilnehmer - sie machten diese Videokonferenzen so schwierig. Erst redete der Chef, dann alle anderen, der Lauteste setzte sich durch, und entschieden wurde nichts. Im Grunde genommen war es wie immer, es dauerte jetzt nur länger.
Im Gegenlicht sah man aus wie Darth Vader.
Langanhaltend waren auch die Technikprobleme. Ein schlechtes WLAN verzögerte zuweilen die Antwort. Während man dem Chef noch begeistert zustimmte, sprach dieser bereits die Kürzung des Weihnachtsgeldes aus. Auch optisch wurde einiges verzerrt. Je mehr man sich der Kamera näherte, umso seltsamer verformte sich das Gesicht. Während man also immer dichter an die Kamera rückte, um seine Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit zu unterstreichen, wuchs gleichzeitig die eigene Nase.
Kommunikation besteht zum Großteil aus non verbalen Zeichen, und diese fehlen bei einer solchen Liveschalte. Gesten, Hände und Körperhaltung sagen dem Gegenüber oft mehr, als einem lieb ist. Wenn eine Frau zum Beispiel ihre Haare zurück wirft, ist es ein Zeichen, dass sie flirten will. Wenn Menschen beim Reden ihre Hände verstecken, gilt dies als Zeichen mangelnder Ehrlichkeit.
Jetzt glotzt die gesamte Belegschaft in den eigenen Unterschlupf und man kämpft um den letzten Rest an Privatsphäre.
In einer Videokonferenz kann man das nicht sehen. Während das Gegenüber penetrant in die Kamera lächelt, kratzen seine Fingernägel vor Wut vielleicht schon an der Tischplatte. Andere Dinge sind dagegen besser zu erkennen: Die Kamera zeigt nicht nur die Blümchentapeten aus den 70ern und die Büchersammlung von Rosamunde Pilcher, manchmal fängt sie auch Kinder, Katze und Ehepartner ein. In Spanien lief bei einer Videokonferenz eine nackte Frau durchs Bild. So etwas erhöht natürlich immer die Einschaltquote und fördert die Aufmerksamkeit.
Deshalb heißen die wichtigsten Fragen bei einer Videokonferenz: Ist die Kamera aus? Hast du was an? Und was ist mit dem Mikro? Ein eingeschaltetes Mikrofon kann eine Karriere um Jahre zurückwerfen.
Natürlich ist das nicht fair. Eine Wohnung ist mehr als nur vier Wände: Sie ist unser Heim, unser Nest, unsere letzte Zuflucht. Hier möchte man rumlaufen, wie mal will, und sagen, was man denkt. Denkste! Mit der Ausgangssperre sperrte man zwar den Ausgang, aber man bekam dafür einen neuen Eingang. Jetzt glotzt die gesamte Belegschaft in den eigenen Unterschlupf, und man kämpft um den letzten Rest Privatsphäre.
Matthias Machwerk...
Er ist kein Freund moderner Telekommunikation und sehnt sich danach, endlich wieder ohne Corona-Beschränkungen auftreten und mit anderen zusammenkommen zu dürfen.