Mikroabenteuer: Nervenkitzel und Inspiration direkt vor der Haustür
Wenn wir an Abenteuer denken, schweifen die Gedanken schnell in die Ferne. Dabei reicht es manchmal schon, die Haustür zu öffnen und ganz spontan eine andere Route einzuschlagen: Mikroabenteuer nennt sich dieses Konzept, das zeigt, dass es eben nicht darauf ankommt, möglichst lange und weit weg zu sein.
Schon mit kleinen Ausbrüchen aus dem Alltag können wir ein neues Lebensgefühl entwickeln - raus aus der Komfortzone und rein in die vielen kleinen Momente, die uns neue Energie und Inspiration schenken. Der wohl bekannteste Mikroabenteurer Deutschlands ist Christo Foerster. Wir haben mit ihm gesprochen und erfahren, warum wir für inspirierende Erlebnisse nicht weit fahren müssen und das Abenteuer eigentlich schon im Kopf anfängt.
Welches war dein allererstes Mikroabenteuer?
Das war eine nächtliche Fahrradtour von Hamburg nach Berlin. Ich hatte mit einem Freund telefoniert und wir sprachen darüber, dass wir uns ewig nicht gesehen hatten. Ich war in einer Phase, in der ich bewusst mehr Abenteuer in meinen Alltag integrieren wollte. Also habe ich vorgeschlagen, am nächsten Morgen gemeinsam am Brandenburger Tor zu frühstücken. Ich habe mich also auf mein Fahrrad gesetzt und bin die ganze Nacht durchgefahren. Davor war ich selten mal 20 Kilometer am Stück unterwegs - und nun eben 300 Kilometer. Nach dem Frühstück bin ich dementsprechend erschöpft in den Zug gefallen. Als ich dann wieder zu meiner Haustür reinkam, war das ein Schlüsselmoment für mich: Ich musste auf nichts warten, nicht planen - ich konnte einfach loslegen, wenn ich mehr erleben wollte. Seitdem gehören Mikroabenteuer zu meinem Alltag.
Kann ich auch ein bisschen kleiner starten?
Klar, man kann ja unmöglich definieren, wo ein Abenteuer anfängt, das ist sehr individuell und hängt ganz stark mit unserem persönlichen Wohlfühlbereich zusammen. Abenteuer bedeutet: raus aus der Komfortzone. Das sieht natürlich für jeden Menschen anders aus, aber eine Nacht draußen kann zum Beispiel ein guter Einstieg sein. Man muss ja nicht gleich unter freiem Himmel übernachten, aber eine Wanderung in der Natur verändert direkt die Perspektive. Dafür braucht es keinen spektakulären Ort. Mein Tipp: Einfach eine Stunde, bevor die Sonne aufgeht, vor der eigenen Haustür starten und den Tag einmal anders anbrechen. Schon das ist ein kleines Abenteuer. Und beim nächsten Mal kann man vielleicht doch eine Übernachtung unter freiem Himmel wagen.
Ist das denn in Deutschland erlaubt?
Das Zelten in freier Natur ist hier tatsächlich - mit ein paar Ausnahmen - nicht erlaubt, es ist allerdings nicht verboten, mich irgendwo hinzulegen, um mich auszuruhen. Wenn ich also meine Hängematte zwischen zwei Bäume spanne und das nicht auf einem Privatgrundstück oder im Naturschutzgebiet tue, ist das in der Regel in Ordnung. Dennoch sollten wir uns jederzeit
respektvoll der Natur gegenüber verhalten
.
Welche Kriterien machen für dich ein Mikroabenteuer aus, also wie bleibt es wirklich klein? Viele Menschen tendieren ja zu "höher, schneller, weiter".
Das hängt davon ab, was für mich persönlich überhaupt ein Abenteuer ausmacht, wann ich meine Komfortzone verlasse, neue Wege gehe, Muster durchbreche und Ungewissheit zulasse. Viele wollen Abenteuer, aber es soll bitteschön alles laufen wie geplant - das ist ein Widerspruch in sich. Wir müssen lernen, mal wieder etwas zu wagen und Unsicherheit zuzulassen. Ob wir das tun oder nicht, hängt aber nicht davon ab, wie weit wir weg sind von zu Hause und wie lange, das geht auch im Kleinen. Mikroabenteuer lassen sich ohne großen Aufwand umsetzen, in der näheren Umgebung.
Für mich persönlich habe ich außerdem drei Spielregeln definiert, die ein Mikroabenteuer von anderen Draußen-Aktivitäten abgrenzen: Es dauert maximal 72 Stunden, ich bin ohne Zelt unterwegs und ich nutze weder Flugzeug noch Auto. Aber diese Spielregeln sind selbstverständlich nicht allgemeingültig. Wichtig ist: Auch im Kleinen sollten wir nicht in den Höher-schneller-weiter-Modus verfallen, denn für viele ist genau der die Komfortzone. Manchmal liegt die größere Herausforderung darin, runterzufahren und Achtsamkeit zu üben.
Bist du immer allein unterwegs?
Meistens schon, manchmal aber auch zu zweit, hin und wieder mit meiner Frau und unseren beiden Kindern. Aber in der Gruppe liegt der Fokus eben auch schnell auf der Gruppe. Alleine ist man viel spontaner, gleichzeitig kann man sich selbst und den eigenen Gedanken und Fragen, die man im Alltag gern wegdrückt, mehr Raum geben.
Gibt es ein Mikroabenteuer, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, da war zum Beispiel meine Expedition mit dem SUP (
Stand-up-Paddle-Board
) von Cuxhaven bis Helgoland. Ich bin dort mit dem Zug hingefahren, habe vor Ort mein SUP aufgepumpt und bin los. Viele haben mich für verrückt gehalten, weil es vorher auch noch nie jemand gemacht hat, aber ich hatte schon lange davon geträumt. Nachdem der erste Versuch gescheitert war, hat es dann beim zweiten Mal geklappt und nach insgesamt neun Stunden auf dem Wasser bin ich angekommen. Das ist natürlich kein Trip, den ich jeder Person empfehlen würde, dafür braucht es schon ein wenig Erfahrung und auch Sicherheitsvorkehrungen. Aber es war eben etwas, das mich aus meiner persönlichen Komfortzone gelockt hat, eine echte Herausforderung. Genauso ist es aber auch schon ein wunderbares kleines Abenteuer für mich, wenn ich mit meinem Sohn im Garten unter freiem Himmel schlafe.
Wer mehr über Christo Foerster erfahren möchte, kann in seinen Podcast "Frei raus" reinhören oder sich in einem seiner Bücher Inspiration für das nächste Mikroabenteuer holen.