Der Roboter fährt auf Visite
Chefärztin Mandy Mangler strahlt. Ihr Lächeln ist so ansteckend, dass auch Patientin Andrea - noch etwas geschwächt von der Operation - sich im Bett aufrichtet. Die Visite kann starten. Allerdings steht Gynäkologin Dr. Mangler nicht leibhaftig am Krankenbett, sie ist stattdessen auf einem Bildschirm zu sehen, der via "Double Robot" im Krankenzimmer geparkt wurde.
"Persönlich" von der OP berichten
Auf dem kleinen Tablet-Bildschirm ist die Ärztin gut zu sehen. "Bevor wir den Visiten-Roboter hatten, war es längst nicht immer möglich, zeitnah nach einer OP mit allen Patientinnen zu sprechen. Wenn wir erst spät am Nachmittag operieren, ist womöglich erst am nächsten Tag Visite. Aber so lange will natürlich niemand hingehalten werden", erklärt die Chefärztin der Gynäkologie. "Dank Double-Robot kann ich mich jetzt schon kurz nach einem Eingriff persönlich melden. Und selbst berichten, wie die Operation gelaufen ist. Ein enormer Fortschritt für alle Beteiligten", ist Mangler überzeugt. Denn Brüche in der Informationskette, wie sie in Krankenhäusern schnell entstehen, können so vermieden werden. Es bleibt (möglichst) bei einem Ansprechpartner für die Patientinnen. Wichtige Fragen können direkt gestellt werden, lange, ärgerliche Wartezeiten entfallen.
Dank Double-Robot kann ich mich jetzt schon kurz nach einem Eingriff persönlich melden. Und selbst berichten, wie die Operation gelaufen ist.
In der Erprobung neuer digitaler Projekte sieht die 42-jährige Chefärztin enormes Potenzial: "Schon heute verfügen wir über den einzigen Kreißsaal in Berlin, der voll digitalisiert ist. Zur Robotervisite haben wir eine Studie laufen, um zu sehen, wie zufrieden Patienten damit sind - ob Aufenthaltsdauer und Schmerzmittel-Einnahme beeinflusst werden können."
Eine junge Kollegin wird ihre Doktorarbeit über die Akzeptanz und die Vorteile des Double Robots schreiben. Erstaunlich: Bislang gibt es noch keine Studien, obwohl beispielsweise in den USA die im Silicon Valley erdachten Roboter vielfach auch für digitale Konferenzen genutzt werden.
Das eingeklemmte I-Pad wird rasch noch auf Augenhöhe justiert, und schon kann das Gespräch losgehen. Der fahrende Roboter ist nah an der Patientin platziert, geräuschlos wie ein Segway ist er zuvor über die Flure gehuscht. Auf elektrisch betriebenen Rädern bewegt sich die höhenverstellbare Stange vorwärts. Als wolle das befestigte Tablet selbst Schwung holen, geht es mit einem kurzen Kippen in die richtige Richtung voran.
Navigation per Handy
Privatdozentin Dr. Mandy Mangler befindet sich gerade auf Dienstreise in Süddeutschland und erkundigt sich gern persönlich bei ihren Patientinnen, wie sie einen Eingriff überstanden haben. Übers Handy hat sie sich aus der Ferne eingeloggt und kann nun den wendigen Roboterwagen im dritten Stock des Berliner Auguste-Viktoria-Klinikums flott in alle Richtungen navigieren.
Indem ich den Robot nutze, bin ich mittendrin.
Die Resonanz im Auguste-Viktoria-Klinikum ist auf jeden Fall vielversprechend: Alle Beteiligten - Patientinnen, Pflege-Kräfte und Ärzte - finden den fahrenden Robot zeitgemäß und schätzen die nahtlose Kommunikation, die so möglich ist. Schließlich kann das "duplizierte Ich" (Double Robot) auch für ein virtuelles Zusammenkommen mit dem Klinikteam eingesetzt werden. "Auch dafür nutzen wir unseren Robot häufig", so die Chefärztin. "Denn auch wenn ich physisch nicht dabei sein kann bei einer wichtigen Besprechung, bin ich doch Teil der Szene und mittendrin, indem ich den Robot nutze."
Schlanke Dokumentation
Die Digitalisierung bedeutet in jeder Klinik einen enormen Paradigmenwechsel. Eine möglichst schlanke, aber gut beherrschbare Dokumentation ist das Ziel derer, die täglich Patientendaten erfassen und diese auch entsprechend verwalten müssen. Seit April wird in den Pflegeteams am Auguste-Viktoria-Klinikum mit I-Pads auf der Station gearbeitet. Per Sprachkennung werden Daten (wie gemessener Puls und Blutdruck) automatisch abgespeichert.
Enorme Arbeitserleichterung
Der Double Robot sorgt ebenfalls für geschmeidigere Abläufe: Schließlich kann er jederzeit für Visiten eingesetzt werden, unabhängig davon, ob der Arzt/die Ärztin gerade im Haus verfügbar ist. Auch um von extern an Konferenzen oder Meetings teilzunehmen, kann der Double Robot genutzt werden. Über eine App auf dem Smartphone lässt sich der Robot navigieren. Das eingeklemmte Tablet kann so gedreht werden, dass jeweils Blickkontakt zu den Gesprächspartnern einer Runde besteht.