"Du siehst aus wie Sau! Eine glückliche Sau!"
Wieso quälen sich Menschen freiwillig durch einen schlammigen Hindernisparcours? Einer von ihnen ist Extremsportler Charles Franzke, dem keine Pfütze zu matschig und kein Zaun zu hoch ist. Er verrät, was so reizvoll daran ist, durch Matsch zu rennen und gibt Tipps, wie sich auch Anfänger bei Minusgraden und Dauerregen motivieren können.
Charles Franzke robbt durch tiefe Schlammgruben, unter Stacheldraht hindurch, klettert über zehn Meter hohe Holzwände, hetzt durch eiskalte Bäche und rennt sich in triefend nassen Klamotten die Lunge aus dem Leib. Aus freien Stücken, am liebsten bei rauem Herbstwetter und am Rande der Unterkühlung. Obstacle Racing nennt sich diese Zumutung. Nichts für Weicheier.
"Beim Sport bin ich Masochist", bekennt Charles Franzke. Wer den Extrem-Hindernissportler in Action sieht, wird ihm nicht widersprechen. Der 26-jährige braucht das Gefühl, mit brennenden Schmerzen in Armen und Beinen bis zur totalen Erschöpfung querfeldein durchs Gelände zu rennen. Einfach geradeaus laufen? Bringt's nicht. "Ich will über meine Grenze gehen und mich so richtig fertig machen." Jedes "Obstacle", sprich Hindernis, auf der Strecke kommt ihm gelegen.
Bei schlechtem Wetter, wenn ich durch tiefe Pfützen laufen muss, fühle ich mich noch lebendiger.
Obstacle Racing - wie Military-Reiten ohne Pferd
Seit sieben Jahren läuft Charles in der Weltspitze der Obstacle Racer. National kann ihm längst keiner mehr den Schlamm reichen. Spätestens seit seinem Sieg beim "Tough Guy Race" 2014 im englischen Perton, der Mutter aller Schlammschlachten, ist er eine lebende Legende. Perton, das sind 15 Kilometer monströse Hindernisse und Morast. "Tough Guy" Charles Franzke aus Rudolstadt in Thüringen ließ 6000 Konkurrenten hinter sich. Die Hälfte schaffte es gar nicht erst ins Ziel. "Alle hatten Schmerzen, ich auch", sagt Charles. "Es war das Coolste, was ich je erlebt habe." Der Mann ist wirklich Masochist.
Knietiefer Boden, Graupelschauer, ein eisiger Wind, der gefühlt immer schräg von vorn kommt: Ja, für Masochisten bietet dieses knallharte Rennen beste Bedingungen. "Das fühlt sich an wie Military-Reiten. Nur ohne Pferd." Obwohl, das trifft es nicht ganz. Charles läuft in der Szene unter dem Wettkampfnamen "Pferdelunge". Wenn er antritt, ist also irgendwie doch ein Pferd mit am Start.
Apropos "Pferd": Auf seinem Instagram-Account gibt Charles Einblicke in seinen sportlichen Alltag: @pferde_lunge
Im Herbst musst du dich manchmal selbst überrumpeln
Um Schlammassel wie "Tough Guy", "Spartan Race" oder "Tough Mudder" zu überstehen, ist eiserner Wille nötig. Und extremes Training. Die "Pferdelunge" reißt jede Woche um die 100 Laufkilometer ab, egal wie das Wetter ist. Plus Krafttraining und Radfahren, alles in allem mindestens 15 Stunden. Der Thüringer hält all das durch, indem er sich klare, realistische Ziele steckt. "Auf diese Ziele gehe ich dann los und davon lasse ich mich nicht abhalten."
Das ist auch sein Tipp für Freizeitsportlerinnen und -Sportler und. Auch die kleinen Ziele zählen. "Für den Anfang reicht es, zehn Minuten um den Block zu gehen. Zwei- oder dreimal die Woche kann das jeder. Das ist schon mal ein guter Anfang." Wichtig ist nur, dass man es durchzieht. Schlechtes Wetter ist keine Ausrede, die zählt.
Bei hartnäckigen Motivationsproblemen hilft die Franzke-Taktik Selbstüberrumpelung: "Wenn ich nach Hause komme, setze ich mich gar nicht erst hin. Ich springe sofort in die Laufschuhe und schon stehe ich draußen. Wichtig ist, dass du gar keine Zeit hast darüber nachzudenken, was du anstelle des Trainings alles tun könntest."
Das hilft manchmal auch dem Profi. Zwar liebt Charles die dunkle Jahreszeit besonders. Doch an besonders miesen Herbsttagen kostet es selbst ihn manchmal etwas Überwindung, vor die Tür zu gehen. "Wenn ich aber erst mal auf der Strecke bin, macht der Herbst total Spaß. Bei schlechtem Wetter, wenn ich durch tiefe Pfützen laufe, fühle ich mich noch lebendiger."
In der Gruppe ist Leiden leichter
Für Einsteiger ist es gerade im Herbst optimal, gemeinsam mit anderen zu trainieren. Der Gruppendruck befördert Einzelkämpfer leichter vor die Tür und lässt sie beim Training näher an die eigene Grenze kommen. Wer das ein paar Wochen lang durchhält, hat gute Chancen, dass der Sport bald wie selbstverständlich zum Alltag gehört.
Wichtig ist, nicht zu überreißen. Wer gleich von null auf Profi-Niveau trainieren will, hält nicht lang durch. Anders als die "Pferdelunge". Auf dem Zielfoto des "Tough Guy Race" 2014 ist ein zäher, komplett mit Matsch panierter Typ zu sehen, der triumphierend lächelt. Es ist Charles Franzke. "Nach dem Wettkampf siehst du echt aus wie Sau. Aber wie eine glückliche."
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