Die Zukunft hat zwei Räder
Als umweltfreundliches und nachhaltiges Verkehrsmittel lag das Fahrrad schon vor der Pandemie im Trend. Im Corona-Jahr ist die Nutzung noch einmal deutlich gestiegen. Darauf reagiert auch die Bundesregierung: Die Infrastruktur soll für Fahrradfahrer fit gemacht werden. Was geplant ist und ob der Drahtesel wirklich das Verkehrsmittel der Zukunft ist, erklärt Radverkehrsforscherin Prof. Dr. Angela Francke im Interview.
Frau Prof. Dr. Francke, wie hat die Corona-Pandemie die Fahrradnutzung verändert?
Das Radverkehrsaufkommen hat verstärkt zugenommen und an Bedeutung gewonnen. In Berlin stieg die Zahl der Radfahrer im Corona-Jahr 2020 beispielsweise um 18 Prozent. Fahrradfahren findet glücklicherweise schon seit einigen Jahren mehr Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit, doch die Pandemie hat noch mal einen deutlichen Aufschwung gebracht.
Sie haben seit Kurzem eine der neuen Stiftungsprofessuren für Radverkehr inne. Wird die Förderung des Radfahrens nun stärker vorangetrieben?
Ja, mit den Stiftungsprofessuren des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur wird der Radverkehr auf akademischer Ebene bundesweit gefördert. Damit erfährt er eine breitere Wahrnehmung und Interessensvertretung. Fahrräder sind ein Schlüssel zur Verkehrswende. Damit das Fahrradfahren noch stärker in den Fokus rückt, benötigen wir mehr Wissen und gut ausgebildete Fachkräfte. Deswegen gibt es jetzt den Masterstudiengang "Radverkehr".
Wie wird das Radfahren noch gefördert?
Die Pop-up-Radwege in Innenstädten geben Radfahrern Raum - mit dem nötigen Abstand zum motorisierten Verkehr. Damit wird der Radverkehr stärker sichtbar und bekommt eine neue Wertschätzung. Ganz nach dem Motto: "Wir sehen dich, wir möchten, dass du sicher vorankommst und nicht im Mischverkehr fahren musst."
Routen lassen sich so einfach ausprobieren und dementsprechend auch nachbessern. Dadurch sind auch Personen mit dem Rad gefahren, die sich vorher nicht getraut haben. Das ist ein Gewinn für alle. Außerdem befinden sich Radschnellwege in der Planung. Um größere Distanzen zurückzulegen, sind sie eine sehr sinnvolle und wertvolle Ergänzung des Fahrradnetzes. Sie haben eine komfortable Breite und sind vom Auto- und Fußverkehr klar abgetrennt. Damit bieten sie quasi eine Premium-Infrastruktur.
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Welche Potenziale stecken in der vermehrten Radnutzung?
Das Fahrrad verbindet viele Vorteile: Es ist sehr flexibel, fast immer einsatzbereit. Es ist umweltfreundlich und bis zu einer Entfernung von fünf Kilometern meistens auch das schnellste Verkehrsmittel. Und natürlich fördert die Bewegung im Alltag auch die Gesundheit: Wer regelmäßig Rad fährt, ist leistungsfähiger und seltener krank.
Sind E-Bikes auch positiv zu bewerten?
E-Bikes haben den Straßenverkehr fast unbemerkt elektrifiziert. Jedes dritte gekaufte Fahrrad in Deutschland hat bereits einen Motor. Die sogenannten Pedelecs helfen bei größeren Lasten, bei Steigungen oder langen Strecken. Diese Entwicklung ist deshalb sehr zu begrüßen.
Leider ereignen sich viel zu viele E-Bike- und Fahrradunfälle. Wie könnte die Infrastruktur für Radfahrer sicherer werden?
Es gibt an vielen Stellen immer noch keine Radwege oder der Zustand von vorhandenen Fahrstreifen ist mangelhaft. Das führt dazu, dass Fahrradfahrer zum Teil auf die Straße oder den Fußweg ausweichen. Um das zukünftig sicherer zu gestalten, sollten mehr neuere Infrastrukturformen, wie "Protected Bike Lanes" (deutsch: Geschützte Radfahrstreifen) oder die schon erwähnten Radschnellwege umgesetzt werden.
In der Stadt gibt es ein großes Problem: mangelnder Platz. Wie werden Städte fahrradfreundlicher? Und welchen Einfluss könnte das auf den Einzelhandel haben?
Eine Idee, um den Rad- und Fußverkehr zu fördern, ist die Einrichtung von verkehrsberuhigten Zonen und Fußgängerzonen. Inzwischen zeigen Studien, dass der Radverkehr den lokalen Einzelhandel stärkt: Der Umsatz steigt bei Gewerbeflächen, die gut zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar sind. Radfahrer und diejenigen, die zu Fuß unterwegs sind, kaufen häufiger spontan ein. Autofahrer dagegen müssen dafür zuerst einen Parkplatz suchen und fahren dadurch eher in die großen Einkaufszentren.
Könnte Deutschland also bald zum Fahrradland werden?
Mit dem neuen Nationalen Radverkehrsplan wird nun deutlich mehr Geld in den Radverkehr investiert. Doch die Zeit drängt, da ein umweltfreundlicher Verkehr unbedingt notwendig ist, um die Klimaziele erreichen zu können. Für einen schnellen Wandel bräuchte man wahrscheinlich noch bedeutend höhere Fördersummen. In vielen Orten in Deutschland muss die Fahrradinfrastruktur grundlegend erneuert oder überhaupt erst angelegt werden. Vorbilder wie die Niederlande zeigen aber, dass es nicht unmöglich ist.