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Lisa Koßmann wohnt bald auf 23 Quadratmetern. Nicht ungewöhnlich für eine Studentin. Allerdings finden auf diesen 23 Quadratmetern eine vollwertige Küche, Bade-, Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmer Platz. Die 26-Jährige ist stolze Besitzerin eines sogenannten Tiny House, eines Hauses im Miniaturformat auf Rädern. Einziehen will sie im Lauf des Jahres, nur der Wasseranschluss und ein fester Stellplatz fehlen noch zum perfekten Wohnglück. Als Büro - Lisa produziert erfolgreich Videos - nutzt sie ihr Tiny House jetzt schon. "Es ist alles da, was ich brauche. Vor allem ist aber nichts da, was ich nicht brauche."

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Ruheoase: Um es vom Arbeitsplatz ins Bett zu schaffen, reicht Lisa Koßmann eine Drehung.

Das Tiny House ist so etwas wie ihr Co-Star in den sozialen Netzwerken. Per Youtube (nessagoeswild) und Instagram (nessa.elessar) hält Lisa ihre Abonnenten und Follower auf dem Laufenden. Als sie vor zwei Jahren beschloss, ihr Geld in ein Haus auf Rädern zu stecken, hatte sie allerdings praktische Gründe: "Ich habe in Karlsruhe eine Mietwohnung gesucht, aber die Mieten waren einfach zu hoch." Gleichzeitig sei ihr klargeworden, dass ein klassischer Immobilienkauf nicht zu ihr passe. Zwar macht Lisa gerade ihren Master in Philosophie, ihre (Neben-)Jobs als Youtuberin und als Requisiteurin will sie aber nicht aufgeben. "Ich brauche Zeit für kreative Projekte. Mit einem Vollzeitjob wird es also nichts. Da ist eine Eigentumswohnung unrealistisch."

Es ist alles da, was ich brauche. Vor allem ist aber nichts da, was ich nicht brauche. Lisa Koßmann

Nach wenigen Wochen Internetrecherche stand der Plan für das Tiny House. Das Wohnkonzept stammt aus den USA und ist in Deutschland bisher kaum etabliert. Abgeschreckt hat Lisa das nicht, sie legte einfach mit ihren Helfern los. Auf Handwerker verzichtete, sie so gut es ging. "Vom Rohbau bis zu den Möbeln habe ich alles selbst gemacht. Nur beim Dach, der Elektrik und der Gasanlage brauchte ich Hilfe." Gekostet hat sie der Bau rund 35.000 Euro sowie Geduld und Nerven für baurechtliche Fragen und Behördengänge. Doch es hat sich gelohnt. "Das Tiny House war der Startpunkt von so vielem und hat mich persönlich sehr weitergebracht", sagt Lisa.

Ein letztes Projekt steht aber noch an: Das Tiny House braucht einen festen Platz. Leichter gesagt als getan. "Das Haus ist zwar als Wohnanhänger zugelassen und fällt unter die Straßenverkehrsordnung. Sobald ich offiziell einziehe, wird es aber zum Wohngebäude und ich brauche eine Genehmigung." Sie wird den perfekten Platz finden.

Wer selbst über ein Tiny House nachdenkt und mehr über die Vor- und Nachteile erfahren will, sollte sich Lisas Instagram-Account genauer anschauen: @nessa.elessar

Viel Praxiserfahrung, wenig Miete

Biniam Graffe hat einen anderen Weg gefunden, Wohnungsmangel und knappem Budget zu trotzen. Er bewohnt eine ganze Etage eines Einfamilienhauses. Davon können viele Studenten in Köln, einer der beliebtesten Studentenstädte Deutschlands, nur träumen. Ohne Gegenleistung geht so etwas natürlich nicht. "Ich wohne bei einer Familie mit vier Töchtern. Auf die Kinder passe ich regelmäßig auf, dafür zahle ich deutlich weniger Miete", sagt Biniam. Deutlich weniger heißt konkret: Für rund fünf Stunden Arbeit pro Woche zahlt er monatlich 70 Euro Miete.

Klar hat Geld eine Rolle gespielt. Biniam Graffe über sein Wohnkonzept

Der 23-Jährige ist Teil des Projekts "Wohnen für Hilfe". Das Prinzip ist einfach: Junge Menschen unterstützen Senioren, Familien oder Menschen mit Behinderung im Alltag und erhalten dafür eine günstige Unterkunft. Für Biniam Graffe ist das eine gute Lösung. "Klar hat Geld eine entscheidende Rolle gespielt. Aber das Konzept ist auch einfach cool", sagt er. Für ihn, der nach seinem Kunst- und Kunsttherapiestudium mit Kindern arbeiten möchte, bietet "Wohnen für Hilfe" neben einer günstigen Unterkunft auch die Chance auf Praxiserfahrung.

Er holt die Kinder von der Kita und der Schule ab, spielt mit ihnen, hilft bei den Hausaufgaben, bringt sie ins Bett, wenn die Eltern abends ausgehen. Dass der Student dabei durchaus viel Verantwortung übernimmt, ist für ihn kein Problem: "Klar, wenn man das erste Mal von zu Hause raus ist, muss man erst mal selbst klarkommen", sagt er. "Aber das ist dann einfach ‚Learning by Doing‘." Zudem helfe ihm die Arbeit dabei, nicht zu sehr "in der ‚Studenten-Blase‘ zu versinken", wie er sagt. Statt sich ausschließlich mit Klausuren, Referaten oder der nächsten Party zu befassen, "habe ich nochmal einen ganz anderen Bezug zur Welt".

Helfen macht glücklich

Mehr als vier von zehn Deutschen engagieren sich freiwillig für andere oder übernehmen ein Ehrenamt. Biniam Graffe und Mathis Wilk bieten ihre Hilfe an, um günstig zu wohnen. Aber auch um dazuzulernen und weil es ihnen Spaß macht. Forscher sind überzeugt: Helfen ist uns in die Wiege gelegt.

Wohngemeinschaft und Förderverein in einem

Wie in einer eigenen Welt fühlen sich bisweilen die Mitglieder des Fördervereins "Collegium Academicum" (CA). Gemeinsam mit zehn weiteren jungen Menschen wohnt Mathis Wilk in Heidelberg in einem eigenen Haus, aufgeteilt auf drei WGs. Das Besondere daran: Für das gesamte Haus existiert nur ein Mietvertrag, Mathis überweist die knapp 300 Euro Monatsmiete nicht dem Vermieter, sondern dem Verein. In allen Wohnungstüren steckt zudem rund um die Uhr der Schlüssel, jeder Bewohner kann sich also überall aufhalten - und muss es manchmal sogar. "Die mittlere WG hat keine Waschmaschine, die obere schon. Zum Waschen geht man also einfach nach oben", sagt der Student.

Ich wollte auf keinen Fall in eine Zweck-WG. Und eine Single-Wohnung ist in Heidelberg unbezahlbar. Mathis Wilk mag das WG-Leben

An die Politik der offenen Türen musste er sich gewöhnen. Bisweilen fehlt ihm die Privatsphäre. Aber ansonsten ist er vom CA voll überzeugt. "Ich wollte auf keinen Fall in eine Zweck-WG. Und eine Single-Wohnung ist in Heidelberg unbezahlbar", sagt er. Als er sich über das Projekt informiert hatte, war die Entscheidung schnell gefallen.

Mit seinen Mitbewohnern und weiteren Freiwilligen arbeitet Mathias Wilk bereits am nächsten Projekt. Das Team plant ein nachhaltig gebautes Wohnheim, das mehr als 200 Menschen Platz bieten soll. Das existierende Haus wird quasi im XXL-Format reproduziert, mit allem, was dazugehört: Verwaltung, Instandhaltung, Besichtigungen. Alles bewältigen die Mitglieder in Eigenregie. Vor allem eine Idee ist ihnen wichtig: Die Zimmergrößen sollen dank verstellbarer Wände flexibel sein. Die Bewohner können zwischen sieben und 14 Quadratmetern wählen. Wer sich für die kleine Variante entscheidet, spendet den Rest des Wohnraums automatisch an die Mitbewohner. Alle beweglichen Wände grenzen an einen dementsprechend wachsenden oder schrumpfenden Gemeinschaftsraum.