Wir halten zusammen
Kaum Besuch, kein Dating, keine Party - stattdessen viele Kompromisse und noch mehr Zusammenhalt. Drei WG-Bewohner erzählen, wie die Corona-Pandemie das Leben in der Wohngemeinschaft verändert hat.
Die selbstgebaute Kaffee-Bar ist ständig im Einsatz. Kein Wunder, schließlich ist die Küche für Linda (22), Timo (24) und Christoph (28) in den vergangenen Monaten zum Herzstück ihrer Wohngemeinschaft geworden. Schnell machen die Drei nochmal die Tassen voll und rücken die Stühle zurecht, bevor die virtuelle WG-Tour beginnt.
Dass viele Kontakte online stattfinden, ist für die drei Studenten aus Detmold seit fast einem Jahr Alltag. "Umso dankbarer sind wir, dass wir als WG zusammenleben und uns verstehen", sagt Christoph und prostet Linda und Timo mit dem Kaffeebecher zu. "Wenn ich mir vorstelle, ich wäre als Erstsemester neu in der Stadt und würde dazu noch allein wohnen - das muss schrecklich sein."
Work-Life-Balance klappt gerade so gar nicht.
Studieren auf Abstand
Welche Herausforderungen das Studium in Zeiten der Pandemie mit sich bringt, weiß Linda nur zu gut. Sie studiert seit Oktober Innenarchitektur. Die Fachhochschule hat sie bisher kaum von innen gesehen. Seminare, Pausenkaffee, Werkeln an Modellen - das alles findet seit Monaten in ihrem rund 20 Quadratmeter großen WG-Zimmer statt. "Work-Life-Balance klappt gerade so gar nicht."
Wenn doch mal der Lagerkoller kommt
- Sucht das Gespräch - aber nicht zwischen Tür und Angel. Legt einen Termin fest, auf den sich alle einstellen können.
- Formuliert Ich-Botschaften, statt Vorwürfe. Wer gezeigt bekommt, was das Gegenüber belastet, sucht eher nach einem Kompromiss.
- Bei Gegenargumenten offene Fragen stellen, wie "Warum denkst du das?". Das trägt zum besseren Verständnis bei.
- Trefft Absprachen. Am besten sollten Besucher regelrecht "angemeldet" sein in der WG.
- Auch feste Zeiten für Besuch oder Ruhephasen, können dabei helfen, den WG-Frieden zu wahren.
Dass es bei den Dreien so harmonisch läuft, ist nicht selbstverständlich, weiß Christina Kuhlmann vom Team der Psychologischen Studienberatung der Ruhr-Universität Bochum. Die Psychologin unterstützt Studierende mit psychischen Belastungen - aktuell im Homeoffice, von ihrem eigenen WG-Zimmer aus. Neben Themen wie Ängsten, Depressionen oder Beziehungsproblemen sei die Wohnsituation zunehmend Thema. "Mit wem ich in einem Haushalt zusammenlebe, ist präsenter, weil wir mehr Zeit zu Hause verbringen." Und mehr noch: Die Konflikte innerhalb einer Wohngemeinschaft bekommen häufig eine neue Ebene. Unter Corona sei es schwieriger zu sagen: Mach du dein Ding und ich meins.
Unter Corona ist es schwieriger zu sagen: Mach du dein Ding und ich meins.
Dass Ratsuchende sich unwohl fühlen, weil Bewohner die Beschränkungen nicht einhalten, hört die Psychologin oft. Besonders Erstsemester, die neu in eine WG ziehen, wollen keine Spaßbremse sein und gute Beziehungen zu den Mitbewohnern aufbauen. "Richtig und falsch ist unter Corona schwierig abzuwägen - auch, weil das Bedürfnis nach Kontakten und das Gefühl von Einsamkeit unterschiedlich ausgeprägt sind." Jeder gehe anders mit psychischen Belastungen um. Da sei es wichtig, den eigenen Standpunkt zu vertreten und nicht alles "runterzuschlucken", sagt Kuhlmann.
"Seit Corona sind wir enger zusammengerückt und machen mehr miteinander", sagt Timo. Statt in den eigenen Zimmern treffen sie sich nun häufiger in der Küche. Schließlich lässt sich am Küchentisch besser Abstand halten als beim Chillen auf der Couch.
Seit Corona sind wir enger zusammengerückt und machen mehr miteinander.
Wer sich vorher gut verstanden hat, kommt sich durch die Krise oft näher, beobachtet auch Kuhlmann bei ihren Beratungen. Sie lebt seit vier Jahren mit ihren beiden Mitbewohnern zusammen und hat festgestellt: "Das Glück, auf einer Wellenlänge zu sein, weiß man in Extremsituationen besonders zu schätzen." Was sich durch die Pandemie in ihrer Wohngemeinschaft verändert hat? "Wir sind rücksichtsvoller geworden. Wer einkaufen geht, fragt die anderen beispielsweise immer, ob sie noch etwas brauchen."
Sehnsucht nach Konzerten
Über die soziale Ebene hinaus hofft Linda sehr, dass das kommende Semester zumindest hybrid stattfinden kann. "Ansonsten würden uns viele wichtige Erfahrungen mit Farbe und Raum fehlen, die wir für unser späteres Berufsleben dringend benötigen."
Alle Begegnungen müssen geplant und durchorganisiert werden. Das nervt!
Wie hinderlich die Situation auch beim Dating ist, merkt Christoph als Single gerade besonders. "Es ist schwierig, Leute kennenzulernen - ganz egal, ob potenzielle Partner oder neue Freunde." Was die Drei am meisten nervt? "Dass alle Begegnungen geplant und durchorganisiert sind", sagt Timo. "Sich mal zufällig auf dem Campus zu treffen, das gibt es kaum noch. Umso wichtiger ist es, dass wir uns in der WG eine gute Zeit machen."
Psychohygiene – Was löst eine Pandemie in uns aus?

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