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In 70 Prozent aller Fälle von Medikamentenabhängigkeit nehmen Betroffene Schlaf- und Beruhigungsmittel aus der Gruppe der sogenannten Benzodiazepine . Doch auch Schmerzmittel wie Opioide und Amphetamine haben ein besonders hohes Suchtpotenzial.

Auslöser der Sucht

Die allermeisten Betroffenen wollen mit ihren Medikamenten keine Rauschwirkung erzielen. Sie bekämpfen mit ihnen vielmehr chronische Beschwerden wie Schmerzen, Schlafstörungen oder Spannungszustände. Hinter diesen Symptomen verbergen sich oft psychische Störungen wie Depressionen oder Angsterkrankungen.

Viele Patientinnen und Patienten leiden unter Stress - zum Beispiel, weil sie im Beruf unter enormem Leistungsdruck stehen. Oft fühlen sie sich in sozialen Beziehungen überfordert oder leiden unter belastenden Lebensereignissen wie zum Beispiel Trauerfällen oder anderen Traumata. Bleiben die Ursachen dieser Symptome unerkannt und unbehandelt, steigt das Risiko für eine Abhängigkeit.

Mehr als zwei Drittel der Medikamentenabhängigen sind Frauen, vor allem mittleren und höheren Alters. Häufiger als Männer leiden sie unter Depressionen, Schlaf- und Angststörungen sowie chronischen Schmerzen. Zudem suchen Frauen bei Beschwerden eher einen Arzt auf und erhalten daher auch häufiger Medikamente. Außerdem greifen sie in psychisch belastenden Situationen lieber zu Medikamenten - während Männer ihre Sorgen eher mit Alkohol zu bekämpfen versuchen.

Eine weitere Risikogruppe bilden ältere Menschen. Mehr als die Hälfte aller jährlich verordneten Medikamente entfallen auf Menschen, die älter als 60 Jahre sind. Sie leiden oft sogar unter mehreren chronischen Erkrankungen. Zudem haben über 60-Jährige besonders häufig Schlafstörungen. Untersuchungen zeigen, dass etwa acht Prozent der über 70-jährigen Frauen dauerhaft Beruhigungsmittel (Benzodiazepine) verordnet bekommen. Fast ein Viertel der über 70-jährigen Männer und Frauen erhalten psychoaktive Substanzen. Auch in niedriger Dosierung können diese Wirkstoffe abhängig machen. 

Ein hohes Suchtrisiko besitzen auch Appetitzügler. Vor allem Frauen nehmen sie ein, um gesellschaftlichen Schönheitsidealen zu entsprechen. Diese Medikamente enthalten unter anderem Amphetamine. Sie hemmen den Appetit und wirken gleichzeitig aufputschend. Auch amphetaminhaltige Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylphenidat , die gegen das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS)/Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) eingesetzt werden, werden oft missbraucht. Viele Konsumentinnen und Konsumenten wollen damit ihre geistige Leistungsfähigkeit steigern.

Selbst frei verkäufliche Medikamente wie einige Schmerzmittel können abhängig machen. In selteneren Fällen ersetzen Alkohol- oder Drogenabhängige ihr Suchtmittel durch Medikamente und geraten so in eine neue Abhängigkeit.

So erkennen Sie eine Medikamentenabhängigkeit

Eine Medikamentenabhängigkeit schleicht sich meist unbemerkt ein. Nehmen Sie ein Medikament über einen langen Zeitraum ein oder dosieren es höher als von Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt verordnet? Dann könnte ein sogenannter schädlicher Gebrauch vorliegen - er geht einer Abhängigkeit meistens voraus.

Frei verkäufliche Schmerzmittel sollten Sie beispielsweise nicht länger als drei Tage hintereinander und nicht öfter als zehnmal im Monat verwenden. Eine psychische Abhängigkeit von einem Medikament erkennen Sie unter anderem an folgenden Symptomen:

  • Sie verspüren ein unstillbares Verlangen, das Medikament zu konsumieren.
  • Sie nehmen das Medikament, um belastende Situationen zu meistern oder um unangenehme innere Zustände zu bekämpfen, z. B. psychische Spannungszustände. 
  • Sie haben ohne Erfolg versucht, das Medikament seltener einzunehmen oder die Dosis zu verringern.
  • Sie vernachlässigen soziale Beziehungen, Hobbies oder berufliche Aktivitäten wegen Ihres Medikamentenkonsums.

Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin, wenn Sie Anzeichen einer Abhängigkeit bei sich bemerken. Setzen Sie ein Medikament aber keinesfalls ohne ärztlichen Rat ab. Sind Sie nämlich bereits körperlich abhängig - beispielsweise von Benzodiazepinen oder Opioiden - kann das sogar zu lebensbedrohlichen Zuständen führen.

Körperliche Entzugssymptome unterscheiden sich je nach Medikamentenart, häufige Symptome sind

  • Schwitzen
  • Zittern
  • Krämpfe und Krampfanfälle
  • Starke Schmerzen
  • Übelkeit und Erbrechen

Wege aus der Medikamentenabhängigkeit

Oft hilft es bereits, wenn Sie eine problematische Medikamenteneinnahme mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin besprechen. Gemeinsam können Sie dann einen Plan zum sogenannten Ausschleichen des Medikaments festlegen. 

Ist ein körperlicher Entzug notwendig, wird das Medikament in der Regel in einer psychiatrischen Klinik schrittweise reduziert und ausgeschlichen. In einer begleitenden Therapie machen Sie sich die Funktion und die Ursachen ihres Medikamentenkonsums bewusst. Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie können Sie neue Verhaltensweisen im Umgang mit inneren und äußeren Auslösern einüben. Ein stationärer Aufenthalt in einer Fachklinik dauert in der Regel acht bis zwölf Wochen. Eine ambulante Therapie besteht meist aus mehreren Terminen in einer psychotherapeutischen Praxis, einer Institutsambulanz oder einer Suchtberatungsstelle. 

Fachleute empfehlen den Besuch einer Selbsthilfegruppe, denn gegenseitiges Verständnis und Unterstützung durch gleichermaßen Betroffene ist oft sehr hilfreich beim Überwinden der Sucht. Einen Überblick über verschiedene ambulante wie stationäre Behandlungsmöglichkeiten finden Sie auf der Website der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. 

Adressen von örtlichen Hilfeangeboten vermittelt die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) e. V. auch telefonisch unter 02381 90150 oder per Mail an info@dhs.de.

Tipps für Angehörige und nahestehende Personen

Oft versuchen Angehörige oder Partner und Partnerinnen, die Medikamentenabhängigkeit ihrer Liebsten vor anderen geheim zu halten. Oder sie kümmern sich um Aufgaben, die die betroffene Person nicht mehr wahrnimmt.

Als Co-Abhängigkeit  bezeichnen Fachleute solche Verhaltensweisen, die dazu beitragen, dass das Suchtverhalten der Betroffenen aufrechterhalten wird. Nehmen Sie wahr, dass Sie selbst ein ähnliches Verhalten entwickeln, sprechen Sie mit der oder dem Betroffenen offen über Ihre Sorgen. Weisen Sie auf Hilfsangebote von Beratungsstellen oder Fachkliniken hin.