TK: Frau Austenat-Wied, wenn es um Innovationen im Gesundheitswesen geht, denken viele direkt an den Innovationsfonds. Verstehen Sie diese Assoziation?

Manon Austenat-Wied: Der Innovationsfonds ist mit seinem Fördervolumen von 200 Millionen Euro pro Jahr eines der zentralen Instrumente im Gesundheitswesen, wenn es um die Weiterentwicklung der Versorgung geht. Wichtig zu beachten ist dabei, dass der Fonds ausschließlich durch die Beitragsmittel der gesetzlich Versicherten finanziert wird. Denn nach Abzug des Finanzierungsanteils der landwirtschaftlichen Krankenkasse von knapp einem Prozent werden die Mittel jeweils zur Hälfte durch die am Risikostrukturausgleich teilnehmenden Krankenkassen und aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert. Die zahlreichen erfolgreichen Projekte im gesamten Bundesgebiet zeigen, wie wichtig der Fonds im deutschen Gesundheitssystem ist, um den Innovationsstau der vergangenen Jahrzehnte aufzuholen.

TK: Wenn wir dort gleich einhaken dürfen. Oft stehen die Projekte bzw. der Förderweg in der Kritik, weil es sich dabei um Fördermittel handelt und die Innovationen nicht unmittelbar im laufenden Betrieb der Akteurinnen und Akteure des Gesundheitswesens umgesetzt werden.

Austenat-Wied: Ich kenne diese Argumentationslinie. Demnach sei es für das Gesundheitswesen besser, wenn lokale Lösungen am lokalen Bedarf entlang entwickelt und umgesetzt werden. Aus meiner Sicht greift dieser Ansatz zu kurz. Wenn wir in Mecklenburg-Vorpommern wichtige Erkenntnisse zu einer neuen Versorgungsform erzielen, möchte ich das diese neue Versorgungsform allen Menschen im Bundesgebiet zugänglich wird. Und dafür ist der Innovationsfonds das verlässlichste Instrument, dass diesen Weg in strukturierter Form ermöglicht. Unser Anspruch ist es, die beste Versorgung regional verfügbar zu machen und nicht jedwede Versorgung lokal zu entwickeln. Denn angesichts der Innovationsgeschwindigkeit in den vergangenen dreißig Jahren wird deutlich, dass dieser Ansatz schon alleine durch die begrenzten finanziellen und personellen Kapazitäten nicht realisierbar ist.

Weiterhin ist es so, dass die Akteurinnen und Akteure in Mecklenburg-Vorpommern seit 2017 mehrere Innovationsfondsprojekte umgesetzt haben, deren Versorgungsansätze erfolgreich den Weg in die Regelversorgung gefunden haben. Von Telekonsilen, dem telemedizinischen Notarzt oder einer Aufgabenneuverteilung zwischen den Fachkräften im Gesundheitswesen profitieren nun die Patientinnen und Patienten im gesamten Landes- bzw. Bundesgebiet.

Manon Auste­nat-Wied

Manon Austenat-Wied, Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern

TK: Welche Instrumente der Innovationsförderung gibt es noch?

Austenat-Wied: Es gibt eine ganze Reihe von kleineren Instrumenten auf Landesebene und natürlich verfügen wir als TK auch über eigene Unterstützungsmöglichkeiten. Wobei der erstgenannte Weg die o.g. Schwächen der lokalen Innovationsförderung nicht ausgleicht. Es nützt doch nichts, wenn wir beispielsweise die pflegerischen Berufe durch technische Maßnahmen in Grevesmühlen entlasten, die Fachkräfte im restlichen Land aber keinen Zugang zu dieser Innovation erhalten. Daher ist hier meine Bitte an die Entscheidungstragenden, auch hier den Weg der größtmöglichen Wirksamkeit unter Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten einzuschlagen. Mit unserem Innovationsportal  bieten wir Leistungserbringenden, Gründungsinteressierten, Forschenden und Unternehmen mit innovativen Ideen einen systematischen Weg in die Versorgung.


Die Innovationsgeschwindigkeit muss sich weiter erhöhen, damit die Patientinnen und Patienten in der Versorgung stärker vom digitalen Wandel profitieren.
Manon Austenat-Wied

Aus unserer Sicht müssen die Bemühungen für Innovationen im Gesundheitswesen gestärkt werden. Wir schlagen daher vor, dass Krankenkassen künftig über ein festes Investitionsbudget verfügen können, das sich an der Zahl ihrer Versicherten bemisst. Jede Krankenkasse sollte bis zu zwei Euro für jeden ihrer Versicherten aus ihren Rücklagen in ein solches Budget überführen dürfen. Damit fördern die Krankenkassen dann mittelbar über Verträge die Versorgung oder forcieren Innovationen unmittelbar durch die Investition in Unternehmen, die Versorgungsinnovationen entwickeln.

TK: Sind die Handelnden im Gesundheitswesen innovativ und motiviert genug, um die Zukunft der Versorgung aus eigener Kraft zu gestalten?

Austenat-Wied: Ich bin fest davon überzeugt. Mit Blick auf die Zusammenarbeit der Entscheidungstragenden in Mecklenburg-Vorpommern wird immer deutlicher, dass die Bereitschaft für Veränderungen wächst. So blicken auch vormals eher zurückhaltende Player wie die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern oder das Gesundheitsministerium heute deutlich positiver auf Veränderungen in der Versorgungslandschaft als noch vor einigen Jahren. Wenn wir diesen positiven Pfad engagiert weitergehen und dabei die Gesamtversorgungssituation in den Blick nehmen, sind die Partner:innen der Selbstverwaltung genau die Richtigen, um die Zukunft der Versorgung zu gestalten.