In Kooperation mit dem Institut für Allgemeinmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) können Medizinstudierende der MHH Zuschüsse zu Reise- und/oder Übernachtungskosten erhalten.

In dieser Ausgabe mit Medizinstudentin Esther Sievering, die ihr Praktikum im Mai 2022 auf der niedersächsischen Insel Langeoog absolvierte und der TK von ihren Erfahrungen berichtet.

TK: Esther Sievering, Sie haben im Rahmen des Blockpraktikums Erfahrung in einer Praxis für Allgemeinmedizin auf Langeoog absolviert. Wie lief der Praxisalltag ab?

Esther Sievering: Um viertel vor acht startete unser Praxisalltag. Wir begannen mit den Vorbereitungen und sorgten dafür, dass das Labor für die Patientinnen und Patienten gerichtet wurde. Die Praxisräume und der Empfang waren bereit, um acht Uhr zu starten. Nachdem die medizinischen Fachangestellten die Patientinnen und Patienten freundlichst aufnahmen, begleitete ich diese in die Untersuchungszimmer. Dort erhob ich Vitalparameter und die Krankengeschichte der Personen. Bei Bedarf schrieb ich den Patientinnen und Patienten noch ein Echokardiogramm.

Dr. Koller kam stets mit einem Lächeln und lockerem Spruch in das Untersuchungszimmer. Wir führten gemeinsam weitere Diagnostik durch, bei Notwendigkeit nahm ich noch Blut ab und wir planten die weiterführende Therapie. Im Nachhinein war er stets bereit Patientenfälle noch einmal ausführlich zu besprechen. Dr. Koller gab mir immer die Möglichkeit, mich mit dem Sonographiegerät auseinanderzusetzen und Hilfestellungen zu geben.

Patientinnen und Patienten mit einem chirurgischen Anliegen waren in der Hausarztpraxis ebenfalls an der richtigen Stelle, denn Dr. Koller ist nicht nur gelernter Internist, sondern auch Allgemeinchirurg. Ein chirurgisches Untersuchungszimmer und die fachliche Expertise von ihm sind ein wahres Geschenk für die Insel. Ich lernte viel über Wundversorgungen und Nähte. Sobald der erste Schwung an Patientinnen und Patienten am Vormittag durch war, gab es wahlweise eine traumhafte Mittagspause am Strand oder eine Fahrradtour zu unseren Hausbesuchen. Gestärkt von der Seeluft eröffneten wir die Praxis ein zweites Mal bis ungefähr 17 Uhr.

Sobald der erste Schwung an Patientinnen und Patienten am Vormittag durch war, gab es wahlweise eine traumhafte Mittagspause am Strand oder eine Fahrradtour zu unseren Hausbesuchen. Esther Sievering

TK: Was waren Ihre Tätigkeiten?

Sievering: Die Tätigkeiten waren sehr vielfältig: Neben Blutentnahmen, Heim- und Hausbesuchen, Überprüfung von Vitalzeichen, Durchführung von Elektrokardiogrammen, die Beratung und Zusammenarbeit mit dem Arzt oder medizinischen Fachangestellten und die Wundversorgung, gehörte auch das Impfen, die Anamnese und die körperliche Untersuchung zur Diagnose von Erkrankungen, das Erläutern von Medikamenteneinnahmen und Wirkweisen sowie die Beratung und Aufklärung der Patientinnen und Patienten über ihren Gesundheitszustand und Präventionsmaßnahmen zu meinen Aufgaben.

TK: Sie waren auch zu Hausbesuchen im ländlichen Bereich unterwegs. Wie war das Arbeiten für Sie mit Patientinnen und Patienten im fremden Umfeld?

Sievering: In der Mittagspause schwangen wir uns auf unsere Fahrräder und fuhren in die Viertel der Insel, um unseren Patientinnen und Patienten Hausbesuche abzustatten. Es war eine Routine, die allen Freude bereitete, denn sie wussten, dass Dr. Koller da sein würde, bereit, nicht nur medizinisches Fachwissen, sondern auch ein freundliches Gespräch anzubieten. Deshalb standen die Türen der Inselbewohner stets unabgeschlossen offen und nicht selten kündigte er beim Eintreten seinen Besuch an und wartete anschließend im Wohnzimmer, dass die Bewohner des Hauses dazu kamen. Nicht selten waren sie bereits ein Jahrhundert alt. Auch wenn keine dringenden medizinischen Probleme vorlagen, gab Dr. Kollers Anwesenheit die Gewissheit, dass er immer ein wachsames Auge auf sie hat und bei Bedarf zur Stelle ist.

Während dieser Besuche erlebte ich aus erster Hand, welche tiefgreifende Wirkung diese persönlichen Begegnungen hatten. Die Gesichter der Patientinnen und Patienten strahlten vor Freude, als sie Dr. Koller in ihrem Haus willkommen hießen. Diese Begegnungen gingen über die medizinische Notwendigkeit hinaus - sie verkörperten ein Gefühl von echter Fürsorge und ein Engagement im Alltag der Personen präsent zu sein. Es war, als sei Dr. Koller nicht nur ein Arzt, sondern auch ein treuer Beschützer, der dafür sorgte, dass das Wohlbefinden weit über die Grenzen der Praxis hinausging. Insgesamt zeigten mir diese Hausbesuche den Wert eines ganzheitlichen Ansatzes in der Betreuung von Patientinnen und Patienten, der über die Diagnose von Krankheiten und die Verschreibung von Behandlungen hinausgeht.

Insgesamt zeigten mir diese Hausbesuche den Wert eines ganzheitlichen Ansatzes in der Betreuung von Patientinnen und Patienten, der über die Diagnose von Krankheiten und die Verschreibung von Behandlungen hinausgeht. Esther Sievering

Esther Sieve­ring

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TK: Welche Unterschiede bestehen Ihrer Meinung nach zwischen einer Landarzt- und Großstadtpraxis?

Sievering: Während meiner Zeit in der Praxis von Dr. Koller auf Langeoog hatte ich das Glück, ein tieferes Gefühl der Verbundenheit mit den Patientinnen und Patienten zu erleben, das über das hinausgeht, was man in einer geschäftigen Stadtklinik erleben könnte. Diese tiefe Verbundenheit ergibt sich aus der einzigartigen Möglichkeit, Einblicke in das Leben, ihr Zuhause und ihren Herausforderungen, denen sie sich täglich stellen müssen, zu erhalten. Das ist ein Privileg, das von enormer Bedeutung ist. In diesem intimen Rahmen ist mir klar geworden, dass man als Landarzt oder Landärztin nicht nur eine medizinische Ansprechperson ist, sondern vielmehr ein vertrauensvoller Begleiter, der die Patientinnen und Patienten auf ihrem Lebensweg begleitet. Diese Rolle geht über den Bereich der Gesundheitsversorgung hinaus und umfasst ein Verständnis für die persönlichen Umstände, Sorgen und Hoffnungen der Personen.

TK: Was hat Sie begeistert, beeindruckt und inspiriert?

In der kleinen Inselgemeinde Langeoog, wo die medizinischen Ressourcen begrenzt sind, spielt ein Hausarzt eine entscheidende Rolle als erster Ansprechpartner für eine Vielzahl von Gesundheitsfragen. Da eine stationäre Behandlung auf der Insel nicht möglich ist, kommt der Wachsamkeit des Arztes bei der frühzeitigen Erkennung von Notfällen und der raschen Koordinierung von Transporten, eine entscheidende Bedeutung zu, um sicherzustellen, dass die Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern mit einem breiteren Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten schnell und individuell behandelt werden.

Gerade die Entscheidung, ob eine ambulante Behandlung ausreichend ist oder ob ein Insulaner oder eine Insulanerin in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss, war immer wieder herausfordernd, weil jede Einweisung gleichbedeutend war mit einem Transport im Helikopter und damit einem deutlich größeren logistischen Aufwand, als eine Fahrt im Rettungswagen.

Während meiner Beobachtung der medizinischen Praxis auf Langeoog war ich zutiefst beeindruckt von der außergewöhnlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, die den Patientinnen und Patienten zuteil wurde. Esther Sievering

Während meiner Beobachtung der medizinischen Praxis auf Langeoog war ich zutiefst beeindruckt von der außergewöhnlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, die den Patientinnen und Patienten zuteil wurde. Der Arzt zeigte ein ruhiges und gelassenes Auftreten, hörte sich aktiv die individuellen Umstände der Patientinnen und Patienten an und behandelte mit äußerster Sorgfalt.

Ein Aspekt, der auffiel, war die bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit, Selbstständigkeit und das allgemeine Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten, selbst im fortgeschrittenen Alter. Dieses Phänomen führte ich auf das Inselklima und den langsameren Lebensrhythmus auf Langeoog zurück, das ein Gefühl der Ausgeglichenheit und Zufriedenheit fördert.

In dieser abgelegenen Inselgemeinde stehen die medizinischen Fachkräfte vor besonderen Herausforderungen. Ihr unermüdlicher Einsatz und ihr Fachwissen stellen jedoch sicher, dass die Patientinnen und Patienten trotz der Einschränkungen durch die begrenzte medizinische Infrastruktur der Insel, die bestmögliche Versorgung erhalten. Das harmonische Zusammenspiel von medizinischem Fachwissen, personenzentrierter Pflege in dem Heim und der besonderen Umgebung der Insel trägt zu einer außergewöhnlichen Gesundheitsversorgung bei, die nicht alltäglich ist.

TK: Was hat Ihnen weniger gefallen?

Sievering: Die Zettelwirtschaft und Dokumentation per Handschrift. Sie ist zeitaufwendig und anfällig für Fehler. Die Digitalisierung könnte Praxisabläufe optimieren.

TK: Könnten Sie sich vorstellen, nach dem Studium als Landärztin/Landarzt tätig zu sein?

Die Digitalisierung könnte Praxisabläufe optimieren. Esther Sievering

Sievering: Definitiv! Die Arbeit als Landärztin lässt sich sehr gut mit meinen Wertvorstellungen vereinbaren.

TK: Welche Rahmenbedingungen müssten Sie vorfinden, um auf dem Land perspektivisch ärztlich tätig zu sein?

Sievering: In meiner Vision der Gesundheitsversorgung steckt der Wunsch, den Patientinnen und Patienten eine medizinische Versorgung zu bieten, die mit genügend Zeit, Diagnostik und einer Reihe von therapeutischen Möglichkeiten geschmückt ist. Um diese Vision zu erfüllen, ist es unerlässlich, dass geeignete Räume mit Einrichtungen und Geräten ausgestattet werden, die dem Inbegriff der Spitzenmedizin entsprechen.

Informationen zum Blockpraktikum

Medizinstudierende der MHH können für das allgemeinmedizinische Blockpraktikum finanzielle Zuschüsse von der Techniker Krankenkasse erhalten.