"Ich musste die Notbremse ziehen, um nicht auseinander zu fallen"
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere schmiss Rapper Curse alles hin. Er ließ sich zum systemischen Coach und zum Lehrer für tibetisches Yoga ausbilden. Für TK Smart Relax stellt er jetzt alle zwei Wochen neue Anti-Stress-Techniken vor.
Auf dem Höhepunkt seiner Karriere schmiss Rapper Curse alles hin. Das ist jetzt acht Jahre her und seitdem ist viel passiert: Michael Kurth, so sein richtiger Name, ließ sich zum systemischen Coach und zum Lehrer für tibetisches Yoga ausbilden, betreibt einen erfolgreichen Podcast und schrieb mit "Stell dir vor, du wachst auf" einen Bestseller. Die Mission des Wahl-Berliners: auch anderen Menschen helfen, Ruhe, Ausgeglichenheit und Freude im Leben zu finden.
Entspann dich, genieße alles, lass los, trau dich. Alles wird gut.
Für " TK Smart Relax " stellt Michael "Curse" Kurth jetzt alle zwei Wochen neue Anti-Stress-Techniken vor.
Ach ja, Musik macht der 39-Jährige natürlich auch noch. Im Oktober startet seine große Deutschlandtournee, auf der Curse sein aktuelles Album "Die Farbe von Wasser" live vorstellen wird.
Du hilfst Menschen, sich zu entspannen und ihr Leben wieder auf die Spur zu bekommen. Welche Übung nutzt Du persönlich in akuten Stress-Situationen?
"Meine absolute Erste-Hilfe Übung ist ruhiges und bewusstes Atmen. Das klingt banal, ist aber unglaublich effektiv: wenn ich bei Stress und Anspannung ein paar Momente lang bewusst auf Ein- und Ausatmen achte, es verlangsame und deutlich wahrnehme, dann beruhigt sich das Nervensystem. Der Puls geht runter und ich nehme mich und meine Umwelt wieder besser wahr. Das nervöse Surren im Kopf hört auf, ich fühle meine Füße wieder am Boden. Aus dieser Ruhe und Erdung heraus kann ich dann viel besser Entscheidungen treffen und die Stresssituation mit mehr Klarheit betrachten."
Mit Musik kann man viele intensive Emotionen perfekt und gesund rauslassen.
Hast Du auch einen Lieblingssong, der Dich in Stress-Momenten immer wieder "runterbringt"?
"Ich liebe alle Arten von Musik und habe oft Melodien und Texte im Kopf, auch wenn das Radio oder die Playlist gar nicht an sind. Vor allem Rap ist komplett zum Soundtrack meines Lebens geworden, ich verbinde so viele Momente und Erinnerungen mit bestimmten Songs. Die kann ich mir dann immer wieder rausholen, wenn ich mich zurück versetzen will in eine bestimmte Zeit. Bei Stress suche ich mir aber eher die Ruhe. Musik hilft mir bei anderen Emotionen sehr gut, zum Beispiel bei Traurigkeit oder Wut. Mit Musik kann man viele intensive Emotionen perfekt und gesund rauslassen."
2010 hast Du Dein Leben nach einer Sinnkrise komplett umgekrempelt. Gab es einen Auslöser dafür - oder war das ein schleichender Prozess?
"Der Prozess war langsam und zog sich über eine längere Zeit. Das ist das Gefährliche an solchen Situationen: man merkt, dass etwas nicht stimmt, hört aber ganz lange nicht auf das Gefühl - bis es vielleicht zu spät ist. So habe auch ich lange versucht, meine Zweifel zu unterdrücken und mein schlechtes Gefühl zu kompensieren: mit Feiern gehen, mit gutem Essen oder mit einem Serien-Marathon. Das ist alles schön und gut - aber es hat mir nicht geholfen, die Sache an der Wurzel zu packen. Irgendwann war ich an einem Punkt, an dem ich eine radikale Entscheidung treffen musste, um nicht auseinander zu fallen. So kam es dann zu meiner mehrjährigen Pause und meiner Lebensumstellung - das war tatsächlich eine Notbremse, die ich in letzter Sekunde radikal ziehen musste."
Man merkt, dass etwas nicht stimmt, hört aber ganz lange nicht auf das Gefühl - bis es vielleicht zu spät ist.
Warum genau hast Du Dich für eine Ausbildung zum systemischen Coach entschieden?
"Ich war selbst als Klient bei einem Systemischen Coach. Das, was dort passiert ist, hat mich umgehauen: ich konnte viele alte Muster durchbrechen, konnte mich neu sortieren und orientieren. Mir hat diese Arbeit so sehr geholfen, dass es mein großer Wunsch war, diese Herangehensweise auch mit anderen Menschen teilen zu können! Bei der Musik war es genauso. Rap, die Texte, die Beats, das hat mich so berührt und mich so sehr gepusht, dass ich schon ganz früh gesagt habe: "Das ist das krasseste, das muss ich mit anderen teilen."
Lernst Du selber eigentlich noch täglich dazu? Wenn ja, was zum Beispiel?
"Ich oute mich jetzt mal: ich bin ein kompletter Lern-Nerd. Ich liebe es, neue Dinge kennenzulernen, über interessante Themen zu lesen, mich auszuprobieren. Am intensivsten beschäftige ich mich natürlich mit den Themen rund um Coaching, Meditation und den Wechselwirkungen zwischen körperlicher und geistiger Gesundheit. Aber ich liebe es auch, wenn mir jemand begegnet, der eine bestimmte Leidenschaft hat und diese mit mir teilt: vor kurzem hat mir Beispiel ein Kaffeeröster gezeigt, wie man einen sauguten Coldbrew macht. Da bin ich aber noch ziemlich am Anfang."
Wenn Meditation nichts ‚Fremdes’ ist, sondern ein ganz normaler Teil des Alltags, dann klappt das auch immer.
Im Herbst gehst Du wieder auf Tournee. Bleibt Dir da Zeit zur Meditation?
"Absolut. Wenn Meditation nichts ‚Fremdes’ ist, sondern ein ganz normaler Teil des Alltags, dann klappt das auch immer. Ich brauche dafür ja nichts - kein besonderes Kissen, keine Yogamatte, keine Räucherstäbchen. Ich setze mich einfach hin, atme bewusst oder mache eine spezielle Übung. Dafür finde ich immer fünf bis zehn Minuten Zeit, meistens ja auch viel mehr."
Auf Deinem aktuellen Album "Die Farbe von Wasser" rappst Du unter anderem über Dein Verhältnis zum Buddhismus. Passt das noch in die Hip Hop-Kultur, die ja auf der Straße entstand und deren Sprache oft rau und konfrontativ ist?
"Okay, da prallen jetzt zwei harte Klischees aufeinander: die Rapper, das sind immer die karikaturhaften Bad Boys aus der Gosse, und die Buddhisten, das sind immer die selig vor sich hin grinsenden vegetarischen Mönche. Die Wahrheit ist aber, dass es völlig egal ist, was für Musik du hörst oder wie du dich kleidest, auch, was für einen Background du hast. Dich mit deiner eigenen Zufriedenheit, deinem eigenen geistigen Wohlbefinden zu beschäftigen, das ist universell. Das tut jedem Menschen gut und ist für uns alle wichtig, egal ob Rapper oder Bäcker oder Banker. Fun Fact: ich kenne einige junge tibetische Lamas, deren Lieblingsmusik Rap ist. Die hören Kendrick Lamar und Jay-Z."
Hast Du rückblickend das Gefühl, das Du bislang "zwei Leben" gelebt hast?
"Ich kann ganz klar sagen, dass ich bisher hunderte Leben gelebt habe: als Sohn, als Schüler, als Träumer, der gern Rapper werden wollte, als tatsächlicher Rapper, als Vater, als Podcaster und Coach... Wir alle haben diese ganzen Aspekte und unterschiedlichen Anteile in uns. Das Problem ist nicht, dass sie da sind, sondern, dass wir gesagt bekommen - oder uns selber sagen - dass es nicht okay ist, viele Facetten zu haben. Dann fangen wir an, Teile von uns zu unterdrücken und zu bewerten. Wir glauben, dass wir nie ‚ganz’ dazugehören, nie ‚vollständig’ in Ordnung sind. Und so leben wir nie unsere wirkliche Essenz. Doch das Wort Heilung kommt von Ganz-werden. Es bedeutet, alle Splitter und Teile zusammenzubringen und zu integrieren."
Welchen Ratschlag würdest Du Deinem 14-Jährigen Ich heute mitgeben?
"Entspann dich, genieße alles, lass los, trau dich. Alles wird gut."
Auszeit vom Alltag mit TK Smart Relax
Für " TK Smart Relax " stellt Michael "Curse" Kurth alle zwei Wochen neue Anti-Stress-Techniken vor.