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Diese angeborene Stoffwechselerkrankung entsteht durch eine Gruppe seltener Gendefekte und betrifft in Deutschland etwa einen unter 50.000 bis 200.000 Menschen. Eine Glykogenose kann sich in unterschiedlichen Altersstufen und durch vielfältige Symptome äußern: Abhängig vom genauen Gendefekt unterscheiden Mediziner zwischen mehr als zehn verschiedenen Typen.

Weg der Kohlenhydrate

Nach jeder Mahlzeit gelangen die aufgenommenen Kohlenhydrate in Form von Glukose über den Darm in die Blutbahn: Der Blutzucker- oder Blutglukosespiegel steigt an und die Zellen des Körpers können die Glukose aufnehmen, um damit ihren Energiebedarf zu decken. 
Dabei nimmt vor allem die Leber eine wichtige Sonderstellung ein: Statt die Glukose direkt zu verstoffwechseln, speichert das Organ sie größtenteils in Form von Glykogen ab. Sobald der Blutzuckerspiegel in den Stunden nach der Mahlzeit unter einen bestimmten Grenzwert sinkt, löst die Leber Teile des Glykogens wieder auf und gibt die entstandene Glukose schrittweise ans Blut ab, um einen konstanten Blutzuckerspiegel von 80-120 mg/dl aufrechtzuerhalten. 

Auch Muskelzellen sind in der Lage, Glykogen zu speichern - sie sind allerdings weniger freigiebig als die Leber und brauchen ihre Vorräte bei körperlicher Betätigung in der Regel selbst auf.

Glykogenose: Zugriff verweigert

Eine Glykogenose steht diesem gesunden Glukose-Stoffwechsel im Weg: Je nach Typ sind Leber- oder Muskelzellen betroffen, sodass der Körper nicht auf das darin enthaltene Glykogen zurückgreifen kann. In der Folge kann ein sinkender Blutzuckerspiegel nicht ausgeglichen werden und es kommt schon wenige Stunden nach einer Mahlzeit zu einer mangelnden Glukose-Versorgung des Körpers. 

Unterzucker

Sinkt der Blutzuckerspiegel auf unter 60 mg/dl, sprechen Mediziner von Unterzucker, medizinisch Hypoglykämie. Dabei kommt es neben einem verstärkten Hungergefühl in der Regel zunächst zu Symptomen wie vermehrtem Schwitzen, Herzrasen, Blässe, Zittern und Schwindel. Fällt der Blutzuckerwert noch weiter, entstehen schließlich Übelkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsprobleme bis hin zu Gedächtnis-, Sprach- und Sehstörungen. Im schlimmsten Fall führt eine unzureichende Energieversorgung des Körpers zu Bewusstlosigkeit, Krampfanfällen und schließlich zum Koma. 

Diese Situation ist lebensbedrohlich und sollte unbedingt vermieden werden: Mit einer Glykogenose ist es von größter Wichtigkeit, schon ersten Anzeichen einer Unterzuckerung schnellstmöglich mit Traubenzucker oder Maltodextrin entgegenzuwirken - ganz nach dem Motto "erst essen, dann messen".

Diagnose

Wichtig zu wissen: Weil es sich bei Glykogenosen um seltene genetisch bedingte Erkrankungen handelt, kann eine schlussendliche Diagnose nur durch einen Gentest oder eine Enzymaktivitätsbestimmung gestellt werden. Einen ersten Verdacht können Ärzte in den meisten Fällen allerdings schon durch verschiedene körperliche Untersuchungen und Bluttests äußern.

Therapie

Je nach Glykogenose-Typ steht ein individuell angepasster Diätplan oder eine medikamentöse Therapie im Zentrum der Behandlung: Obwohl die ursächlichen genetischen Defekte heute noch nicht behoben werden können, ist es auf diese Weise oft möglich, Folgeerkrankungen vorzubeugen und die Lebensqualität zu erhalten. 

Die Glykogenose-Diät zielt vor allem darauf ab, den Blutzuckerspiegel gleichmäßig auf 80-120 mg/dl auszubalancieren: So können gefährliche Unterzuckerzustände zuverlässig vermieden und Spätfolgen der Erkrankung gemildert werden. 

Anlaufstelle hierfür sind spezialisierte Stoffwechselzentren, wo geschultes Personal ausführlich berät, offene Fragen klärt und einen individuellen Diätplan für den Betroffenen erstellt. In der Regel wird halbjährlich überprüft, ob der Diätplan zur aktuellen Lebenssituation passt oder verändert werden muss. Dabei kann zum Beispiel der erhöhte Energiebedarf während des kindlichen Wachstums sowie regelmäßige sportliche Betätigung oder Stress eine Rolle spielen.

Glykogenose-Diät

Die Grundlage des Ernährungsplanes stellen sogenannte langkettige Kohlenhydrate dar - wie sie etwa in Vollkornprodukten oder ungekochter Stärke vorkommen. Sie werden im Körper stückweise abgebaut und heben den Blutzuckerspiegel kontinuierlich an und halten ihn anschließend für einige Stunden ungefähr konstant. Schnell verdauliche Kohlenhydrate wie Frucht- oder Haushaltszucker dagegen katapultieren den Blutzuckerwert innerhalb kurzer Zeit in die Höhe, lassen ihn allerdings auch schnell wieder fallen. Das gilt es mit einer Glykogenose-Diät zu vermeiden. 

Wichtig zu wissen:

Auch nachts benötigt der Körper Energie. Abhängig von der individuellen Situation können für die nächtliche Versorgung ein spezielles Kohlenhydrat-Präparat oder eine Magen-Tropfinfusionen empfohlen werden.

Im Rahmen eines Diätplans ist es in der Regel außerdem sinnvoll, zusätzliche Vitamin-, Nährstoff- und Mineralstoffpräparate einzunehmen: So können Mängel vermieden und Langzeitschäden abgemildert werden. Abhängig vom genauen Glykogenose-Typ kann es für Betroffene darüber hinaus wichtig sein, etwa auf eine besonders proteinreiche Ernährung zu achten. Daneben gehören auch regelmäßige Stoffwechselkontrollen zur langfristigen Behandlung einer Glykogenose: Anhand verschiedener Blutwerte wird dabei festgestellt, ob etwa der Harnsäure- oder Blutfettspiegel medikamentös gesenkt werden sollte, um Langzeitschäden zu reduzieren.

Verlauf und Prognose

Die gute Nachricht ist: Ausgefeilte Diätkonzepte und individuelle medikamentöse Behandlungen ermöglichen es vielen Betroffenen, die Langzeitfolgen einer Glykogenose abzumildern oder hinauszuzögern. Auf diese Weise können schwere Folgeerkrankungen wie etwa Gichtanfälle  oder Bauchspeicheldrüsenentzündungen heute meist effektiv vermieden werden.

In manchen Fällen, insbesondere ab dem jungen Erwachsenenalter, kann es jedoch auch zu Schäden an verschiedenen Organen kommen: Neben Leberadenomen zählen vor allem Nierenversagen  und verminderte Knochendichte zu den möglichen Langzeitfolgen einer Glykogenose-Erkrankung. 

Unterstützung

Eine Glykogenose stellt für Betroffene und deren Familienmitglieder häufig eine große Belastung dar. Nehmen Sie bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch: Das Behandlungsteam in Ihrem Stoffwechselzentrum steht Ihnen ebenso wie verschiedene Selbsthilfegruppen mit hilfreichen Ratschlägen und Möglichkeiten zum Austausch unterstützend zur Seite. Auch ein Psychotherapeut kann Ihnen dabei helfen, die alltäglichen Herausforderungen einer Glykogenose-Erkrankung zu meistern.