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Wer regelmäßig meditiert, ist nicht nur gelassener und entspannter, er entwickelt auch Konzentrationsfähigkeit und Selbstbewusstsein. Hirnforscher stellen fest, dass sich die beteiligten Hirnareale schon nach wenigen Wochen Meditation vergrößern.

Vor allem Menschen, die unter starkem Stress stehen, kann Meditation helfen.

Die TK sprach darüber mit dem renommierten Meditationsforscher Dr. Ulrich Ott.  Psychologe und Neurowissenschaftler am Bender Institute of Neuroimaging an der Universität Gießen und Autor des Buches "Meditation für Skeptiker". 

Martin Prangl (Foto: Sissi Furgler) Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Dr. Ulrich Ott, Bender Institute of Neuroimaging, Universität Gießen (Foto: Anna Voelske)

Was geschieht während der Meditation im Körper?

Dr. Ott: Wenn es Ihnen gelingt, die hektische Betriebsamkeit der Gedanken zu beruhigen und die Aufmerksamkeit an die Atmung, Körperempfindungen oder ein Wort zu koppeln, merken Sie in der Regel, dass die Atmung sich von selbst verlangsamt und vertieft. Das Herz schlägt langsamer, der Blutdruck sinkt, die Muskelspannung und die Aktivität der Schweißdrüsen nehmen ab. Das ist das typische Bild einer Entspannungsreaktion. Die elektrische Aktivität des Gehirns zeigt langsamere und stärker synchronisierte Wellen.

Muss ich erst den Lotussitz lernen, bevor ich meditiere?

Dr. Ott: Nein, natürlich nicht. Sie können auch auf einem Stuhl sitzen oder auf einem Bänkchen. Die Körperhaltung spielt aber schon eine große Rolle. In der Regel wird in einer aufrechten Sitzhaltung geübt, in manchen Fällen auch im Liegen. Dann sollte man aber am besten eine gesprochene Anleitung verwenden, weil ansonsten die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass man einschläft. Das passiert sehr selten, wenn man aufrecht sitzt. Durch die Aufrichtung bleiben Sie wacher. 

Welche Veränderungen sehen Sie im Gehirn von Meditierenden?

Dr. Ott: Wenn Sie sich während der Meditation auf ein Objekt fokussieren, zum Beispiel auf die Atmung, dann benötigen Sie dazu Regionen im Gehirn, die die Aufmerksamkeit ausrichten und halten. Dafür ist das sogenannte zentrale exekutive Netzwerk zuständig, das aus mehreren Hirnarealen gebildet wird. Im Kernspintomografen lässt sich beobachten, dass es im Gehirn des Meditierenden aktiviert wird.

Beim Meditieren müssen Sie außerdem Ablenkungen ausblenden und wachsam bleiben, damit Sie bemerken, wenn Sie in Gedanken abdriften. Das kommt gerade am Anfang recht häufig vor. Für das Ausblenden von Störungen und das Überwachen wird eine Region im vorderen Bereich des Gehirns aktiv, der sogenannte anteriore zinguläre Cortex.

Die Landkarten im Gehirn werden feiner

Durch die Wendung nach innen wird auch der eigene Körper viel bewusster. Die 'Landkarten', die im Gehirn die Körperoberfläche und die inneren Organe repräsentieren, differenzieren sich mit zunehmender Übung feiner aus. Dementsprechend werden auch die Hirnareale aktiviert, die mit Körperempfindungen zu tun haben, also der somatosensorische Cortex und der insuläre Cortex. Nach längerer Praxis werden diese Areale größer, und auch die Dichte der synaptischen Verbindungen nimmt zu. Zumindest unterscheiden sich hier Meditierende von Personen ohne Training.

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Acht­sam­keit lernen

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Mehr Mitgefühl 

Auch Regionen, die beim Mitfühlen aktiv sind, werden gestärkt. Auch hier spielt der insuläre Cortex eine Rolle. Meditation ist nicht egoistisch, wie man vielleicht denken könnte. Vielmehr erweitern Sie Ihre Fähigkeit, anderen offen zu begegnen. Mit bestimmten Meditationsformen können Sie auch aktiv emotionale Haltungen kultivieren.

Unsere westliche Welt assoziiert mit Emotionen ja nicht unbedingt, dass man sie trainieren könne. Aber Forschungen, etwa an buddhistischen Mönchen, zeigen, dass es möglich ist, zum Beispiel Mitgefühl zu trainieren. Die Gehirne dieser Mönche reagieren stärker auf Reize, die Mitgefühl auslösen, etwa wenn ihnen das Geräusch von Weinen vorgespielt wird, während sie im Kernspintomografen liegen."

Warum empfehlen Sie Meditation?

Dr. Ott: Für mich ist Meditation ein wichtiges Werkzeug der Selbstregulation. Mit Meditation kann ich mich körperlich entspannen, meine Aufmerksamkeit auf ein Objekt fokussieren oder weit stellen und meine Emotionen in positiver Weise beeinflussen. Das kann jeder gut gebrauchen, der selbstbestimmter leben möchte. Insbesondere Menschen, die unter starkem Stress stehen, sei es durch den Beruf oder wegen einer Erkrankung, kann Meditation helfen.

Wie kann Meditation Emotionen positiv beeinflussen?

Dr. Ott: Wenn Sie meditieren, entspannen Sie sich und können Ihre Emotionen beruhigen. Aber Emotionen können auch während der Meditation auftauchen, wenn Sie Ihre Körperempfindungen wahrnehmen. Wenn Sie sie mit Gelassenheit wahrnehmen, nehmen sie wieder ab. Denn die Emotionen verlieren ihre energetische Basis, wenn Sie sich nicht in sie hineinsteigern. Sie lernen, gelassener mit Ihren Gefühlen umzugehen.

Beim Meditieren unterbrechen Sie außerdem ungünstige Gedankenzirkel, wie sie zum Beispiel beim Grübeln entstehen. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Grübeln und Depressionen. In der Meditation kehren Sie immer wieder erneut mit Ihrer Aufmerksamkeit zu dem Objekt zurück, auf das Sie sich fokussieren. Dadurch verhindern Sie das Grübeln.

Auch wenn Sie über Ihre Emotion reflektieren und untersuchen, ob sie gerechtfertigt ist und Sie handeln sollten oder ob es sich um selbst gemachten Stress handelt, wird sich Ihre Emotion verändern.

Wodurch entsteht die positive Wirkung auf die Gefühle?

Dr. Ott: Man schaut sich in der Meditation selbst beim Denken und Fühlen zu. Sie lernen sich dadurch besser kennen: Was treibe ich da eigentlich mit meinem inneren Dialog? Der innere Dialog ist sehr wichtig für Ihre Gefühle. In der Meditation begegnen Sie sich dabei selbst mit einer wohlwollenden, wertschätzenden Art.

Zu Anfang ist das nicht einfach. Wer sehr streng ist, verflucht sich am Anfang selbst, dass er seine Gedanken nicht in den Griff bekommt. Manchmal dauert es, bis man sich selbst gegenüber eine wohlwollende Haltung entwickelt. Aber mit dieser akzeptierenden Haltung gegenüber Ihren Gedanken und Gefühlen erlangen Sie die Freiheit, Ihre Gedanken zu verändern. Wenn ein negativer Gedanke kommt, können Sie 'Stopp' sagen, auch außerhalb der Meditation.

Meditieren verändert das geistige System

Wenn Sie mit der Meditation mehr Erfahrungen haben, ist es so ähnlich, als wenn Sie Computerprogramme umschreiben, die automatisch im Hintergrund laufen. Sie verändern Ihre Psyche grundlegend. Dadurch reagieren Sie nicht mehr automatisch auf die Hinweisreize, die früher zum Beispiel Ärger in Ihnen ausgelöst haben. Sie gewinnen innere Freiheit, deshalb funktioniert der Schlüsselreiz nicht mehr, der Sie sonst automatisch in Rage bringen würde. Sie sind sich bewusster, was passiert, und können sich frei entscheiden. Automatismen dagegen beeinträchtigen unsere Freiheit.

Warum ist eine akzeptierende Haltung so wichtig bei der Meditation?

Dr. Ott: Akzeptanz ist ein zentraler Aspekt in den meisten Meditationsformen. Bei der Achtsamkeitsmeditation richten Sie zum Beispiel die Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment und akzeptieren alle Empfindungen so, wie sie sind. Das hört sich zunächst nicht sehr spektakulär an, hat aber erstaunlich positive Wirkungen.

Gut erforscht ist das zum Beispiel bei chronischen Schmerzen. Ein Großteil des Leidens entsteht durch den Widerstand gegen den Schmerz. Die primäre schmerzhafte Empfindung ist oft nur noch der Auslöser für eine Kaskade von negativen Bewertungen des eigenen Körpers und Lebens, die zu Depressionen und Ängsten führen. Hier ist es sehr heilsam, wenn Patienten lernen, ihren Körper mit seinen Gebrechen anzunehmen und wieder eine positive, wohlwollende Haltung zu sich selbst einzunehmen. Anstatt den Schmerz auszublenden, zu unterdrücken oder abzuspalten, nehmen sie die tatsächliche Empfindung in den Fokus. Alleine das unvoreingenommene, nicht-wertende Beobachten von Moment zu Moment kann schon einen heilenden Effekt entfalten.

Was empfehlen Sie Menschen, die meditieren lernen wollen?

Dr. Ott: Anfängern empfehle ich, zunächst einen MBSR-Kurs zu machen, also einen Kurs in "Mindfulness-based Stress Reduction" einer Methode der Achtsamkeitsmeditation. In Deutschland sind diese Kurse auch unter dem Titel "Stressbewältigung durch Achtsamkeit" bekannt. In einem solchen Kurs können sie erste Erfahrungen mit Meditation und sanften Yoga-Übungen machen. Inzwischen werden solche Kurse in jeder größeren Stadt angeboten. Der Kurs geht über acht Wochen, mit einem Treffen pro Woche. Man erhält außerdem Audio-Anleitungen, um täglich zu Hause zu üben.

Kann Meditation auch schaden, etwa psychisch labilen Menschen?

Dr. Ott: Ja und nein. Psychisch labile Menschen können von Meditation profitieren. Zum Beispiel ist nachgewiesen, dass gerade Achtsamkeitsmeditation in einer speziellen Variante für depressive Menschen Rückfälle verhüten hilft. Spezielle Gruppen für depressive Patienten oder für Schmerzpatienten können also sehr viel Positives bewirken. Man sollte aber ganz klar sagen: Meditation kann nicht alles heilen!

Heute kommen viel mehr Leute mit psychischen Störungen in die Meditationszentren als früher. Angeregt durch die vielen Bücher und die positiven Berichte in den Medien wollen sie sich durch Meditation selber heilen. Meditationslehrende sagen mir, dass sie sich davon überfordert fühlen. Denn sie sind nicht dafür ausgebildet, mit Menschen zu arbeiten, die psychische Störungen haben.

Nicht immer ist Meditation sinnvoll

Wer psychisch labil ist, sollte möglichst keine stundenlangen Meditationen am Stück über mehrere Tage machen. Bei entsprechend veranlagten Menschen kann es bei langen Meditationszeiten zu Halluzinationen und zu anderen psychotischen Symptomen kommen. Hier ist es sicherer, in einer Gruppe unter kompetenter Anleitung erste Schritte zu machen und dies gegebenenfalls mit einer ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung zu verbinden. 

In der Meditation tauchen manchmal auch verdrängte Emotionen auf. Meditation ist deshalb relativ kontraindiziert bei Belastungsreaktionen nach einem schweren Trauma, zum Beispiel, wenn man Opfer einer Gewalttat oder einer Naturkatastrophe war oder einen schweren Unfall hatte. Dann kann das Trauma in der Meditation wieder auftauchen. Da sollte Vorsorge getroffen werden. Einen MBSR-Kurs 'Stressbewältigung durch Achtsamkeit' sollten diese Menschen zum Beispiel nicht machen. Der ist geeignet für Menschen, die Stress bewältigen wollen, auch bei chronischem Stress, aber nichts bei gravierenden psychischen Störungen.