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Insbesondere Diabetiker mit längerer Diabetesdauer und unzureichender Stoffwechseleinstellung sind betroffen. Da die Störungen des Nervensystems unter anderem mit Schmerzen und Bewegungseinschränkungen einhergehen können, schränken sie die Lebensqualität oft deutlich ein. Bei wohl etwa jedem dritten Patienten mit Diabetes mellitus liegt eine Neuropathie vor.

Die diabetische Neuropathie lässt sich je nach betroffenem Gebiet in verschiedene Formen einteilen. Die diabetische sensomotorische Polyneuropathie ist eine Erkrankung der peripheren Nerven, das heißt der Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks.

Hierbei können sowohl willentlich gesteuerte Teile des peripheren Nervensystems, die Sensorik (Berührungs- und Schmerzwahrnehmung) und die Motorik (Innervation der Körpermuskulatur) als auch das autonome Nervensystem (zum Beispiel Regulation von Atmung, Herzfrequenz, Darmbewegungen, Blasenfunktion) betroffen sein.

Welche Komplikationen treten bei einer Neuropathie auf?

Bei Diabetikern ist das Risiko für eine Fußamputation im Vergleich zu Nicht-Diabetikern um das Zehn- bis 22-Fache erhöht. Die wichtigsten Risikofaktoren für eine Amputation sind Nervenschäden und Durchblutungsstörungen.

Ist das willentlich gesteuerte Nervensystem betroffen, kann es bei der Neuropathie zu Störungen des Tastsinns und des Schmerzempfindens an den entsprechenden Hautpartien oder/und zu Bewegungsstörungen bestimmter Muskeln kommen. In der Regel sind dabei ganze Körperpartien (zum Beispiel Beine) betroffen.

Bei der autonomen diabetischen Neuropathie sind die Nerven der inneren Organe (autonomes oder vegetatives Nervensystem) geschädigt. Das autonome Nervensystem versorgt jene Körperbereiche, die nicht der bewussten Steuerung unterliegen.

Dazu gehören alle inneren Organe, Blutgefäße und Drüsen. Die autonome diabetische Neuropathie geht häufig mit Störungen der Magen-Darm-Bewegungen (Peristaltik) oder/und mit Regulationsstörungen der Herzfrequenz einher. Letztes birgt die Gefahr von Herzrhythmusstörungen, die unter Umständen lebensbedrohlich sein können (plötzlicher Herztod).

Auch sexuelle Störungen kommen häufiger vor, werden allerdings sowohl vom Arzt als auch von den Diabetikern selbst oft tabuisiert. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 50 Prozent der männlichen Diabetiker und etwa ein Drittel der Diabetikerinnen betroffen sind.

Die diabetische Neuropathie kann bei Männern zu Erektions- und Ejakulationsstörungen führen. Bei den Frauen ist die Fähigkeit zur Vaginalsekretion vermindert und es treten vermehrt Orgasmusprobleme auf.

Eher selten und überwiegend bei älteren Diabetikern finden sich Schädigungen einzelner Nerven (= Mononeuropathie). Dabei können zum Beispiel Augen- oder Gesichtsnerven betroffen sein. Die Folge sind Lähmungen bestimmter Augenmuskeln oder der mimischen Muskulatur (sehr selten). Bei der seltenen Mononeuropathie von Rumpfnerven kommt es zu Schmerzen und Sensibilitätsstörungen an der Bauchwand.

Was sind die ersten Symptome einer Neuropathie?

Die Anfangsphase der Neuropathie verläuft für den betroffenen Diabetiker meist beschwerdefrei und wird daher oft übersehen. Allerdings kann der Arzt mithilfe einfacher Untersuchungen bereits in diesem Stadium Einschränkungen nachweisen: zum Beispiel beim Vibrations-, Wärme- und Kälteempfinden oder bei den Muskeleigenreflexen.

Mit speziellen Geräten lässt sich außerdem die Nervenleitgeschwindigkeit messen, die bei der diabetischen Neuropathie herabgesetzt ist.

Das erste für den Patienten wahrnehmbare Zeichen für die Nervenschädigung sind häufig Missempfindungen an den Füßen. Im weiteren Verlauf können Schmerzen in den Beinen, am Körperstamm oder im Gesicht auftreten. Typisch sind auch Beschwerden wie ein Brennen und Kribbeln in den Beinen. Diese Symptome machen sich bevorzugt in Ruhephasen (zum Beispiel nachts) bemerkbar.

Welche Langzeitfolgen hat die Erkrankung?

Schreiten die Schäden weiter fort, etwa durch einen schlecht eingestellten Blutzucker, gehen Schmerzfasern in den Nerven zugrunde und es kommt zum kompletten Gefühlsverlust. Die Betroffenen berichten zum Beispiel, dass sie wie auf Watte gehen und nachts beim Gehen unsicher sind.

Die Muskeleigenreflexe lassen sich zunehmend schwerer auslösen. Im weiteren Verlauf sind auch die Nervenanteile betroffen, die die Muskulatur versorgen. Der Untergang dieser Nervenanteile wird von Schmerzen und Lähmungserscheinungen begleitet, zum Beispiel im Bereich der Oberschenkel- und Beckenmuskulatur.

Zu den Langzeitkomplikationen der diabetischen Neuropathie zählt auch der diabetische Fuß mit Druckgeschwüren, die sich infizieren können und sehr schlecht abheilen.

Schädigungen der autonomen oder vegetativen Nervenversorgung betreffen ganz verschiedene Organsysteme. Den Blutgefäßen geht zum Beispiel die Fähigkeit zur reflektorischen Verengung der Blutgefäße und damit eine wichtige Kontrollfunktion über den Blutdruck und die Durchblutung der Organe verloren.

Außerdem ist der Abkühlungsmechanismus durch die reflektorische Schweißsekretion vermindert. Die betroffenen Diabetiker haben warme rote Füße mit trockener, brennender Haut. Der Körper versucht, dies zu kompensieren, indem er die Schweißsekretion an anderen Körperstellen steigert.

Schädigungen der Nerven am Herzen können schwerwiegende Folgen für den Diabetiker haben. Die Regulation der Herzfrequenz wird dabei oft beeinträchtigt. Herzrhythmusstörungen können auftreten. Es kann auch zur sogenannten Frequenzstarre kommen, das heißt Herzfrequenz und Blutdruck können nicht mehr an die jeweilige Lebens- und Belastungssituation des Körpers angepasst werden.

Die Schädigung der schmerzleitenden Nerven führt zum Auftreten von klinisch stummen, schmerzlosen Herzinfarkten. Die Pumpleistung des Herzens ist vermindert und das Risiko für einen plötzlichen Herztod erhöht.

Ist der Magen-Darm-Trakt betroffen, können Bewegungsstörungen der Speiseröhre zu Schluckstörungen führen. Nervenstörungen am Magen machen sich durch Völlegefühl, Übelkeit, Aufstoßen und Druck im Oberbauch bemerkbar.

Durch die unkontrollierte Nahrungsabgabe vom Magen in den Darm (Gastroparese) und die damit unkalkulierbare Aufnahme von Nährstoffen kann es zu schweren Unterzuckerungen kommen. Die Schwäche der Darmmuskulatur äußert sich mit Durchfällen und Verstopfung im Wechsel. In seltenen Fällen kommt es auch zu Blasen- und Mastdarmlähmungen mit unwillentlichem Abgang von Harn oder Kot (Inkontinenz).

Wie lassen sich Folgeerkrankungen der Neuropathie verzögern oder verhindern?

Die Wissenschaft geht heutzutage davon aus, dass an der Entstehung der diabetischen Neuropathie viele verschiedene Faktoren gleichzeitig beteiligt sind. Es spielen insbesondere Stoffwechselveränderungen und gefäßbedingte Veränderungen eine Rolle.

Beim Diabetes lassen sich Folgeerkrankungen wie die Neuropathie durch eine konsequente Einstellung des Blutzuckers verzögern oder sogar verhindern. Auch eine gute Einstellung der Blutfett- und Blutdruckwerte ist wichtig, ebenso der Abbau von Übergewicht. Der Verzicht auf Alkohol und Nikotin wirkt sich ebenfalls günstig aus. Alkohol greift als Nervengift die Nerven direkt an. Durch Rauchen werden vor allem die Blutgefäße geschädigt und dadurch können die Nervenbahnen indirekt beeinträchtigt werden.

Bei der Therapie einer diabetischen Neuropathie geht es darum, eine weitere Verschlechterung des Nervenschadens zu verzögern oder zu verhindern. Mit einer Schmerztherapie lassen sich die Beschwerden lindern und die Lebensqualität des Patienten verbessern.

Medikamente, mit denen sich die Neuropathie heilen lässt, stehen trotz intensiver Forschungsbemühungen bisher nicht zur Verfügung. Bei Nervenstörungen mit Schmerzen werden im Einzelfall spezielle Schmerzmedikamente eingesetzt. Je länger eine zielgerichtete Therapie hinausgeschoben wird, desto eher können die Schmerzen chronisch werden. Je nach Neuropathieform kann auch eine Physikalische Therapie (Wärme- und Kältebehandlungen), Krankengymnastik oder Elektrostimulation hilfreich sein.

Patienten sollten zur Schmerzlinderung nicht selbstständig zu rezeptfreien Schmerzmitteln greifen, sondern mit ihrem Arzt abklären, welche Behandlung in ihrem Fall geeignet ist. Dabei ist die genaue Diagnose wichtig. Ist zum Beispiel ein eigenständiges Restless-Legs-Syndrom (RLS) (Erkrankung der unruhigen Beine) die Ursache des Beschwerdebildes, wird der Arzt die Therapie daran ausrichten.

Auch die Psyche spielt bei der Bewältigung von Schmerzen eine Rolle und eine Psychotherapie oder ein Schmerzbewältigungstraining können dem Betroffenen helfen, eine Linderung seiner Beschwerden zu erreichen.

Diabetiker mit Empfindungsstörungen an den Füßen sollten geeignete Schuhe (zum Beispiel orthopädische Schuhzurichtungen), die den Füßen genug Platz bieten und deren natürliche Bewegungsmuster unterstützen, oder spezielle Einlagen tragen. So lassen sich Druckstellen, Verletzungen und Komplikationen wie zum Beispiel der Diabetische Fuß verhindern.