Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist in einer finanziellen Schieflage, die sich immer weiter verschärft. Im Jahr 2024 betrug das Defizit der GKV über sechs Milliarden Euro und zu Beginn des Jahres 2025 stiegen die Krankenkassenbeiträge auf einen historischen Höchstwert von durchschnittlich über 17 Prozent. 

Diese Entwicklung ist kaum überraschend, weil sie das Ergebnis jahrelanger struktureller Ungleichgewichte ist: Die Ausgaben wachsen schneller als die Einnahmen. Daher mussten Rücklagen aufgebraucht und Zusatzbeiträge in einem bislang unbekannten Umfang erhöht werden. Ein ähnliches Bild zeichnet sich in der sozialen Pflegeversicherung (SPV) ab.

Versäumte politische Weichenstellungen

Wie konnte es zu dieser Situation kommen? Die Vorgängerregierungen auf Bundesebene müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nur wenige Maßnahmen gegen den Trend der davoneilenden Ausgaben unternommen zu haben. Es ist daher ein wichtiges Signal, dass Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) die Probleme von GKV und SPV klar benennt. 

Darlehen sind keine Lösung - sie müssen zurückgezahlt werden

Die geplanten Bundesdarlehen von jeweils 2,3 Milliarden Euro in den Jahren 2025 und 2026 für die GKV sowie 500 Millionen Euro für die SPV in diesem und 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2026 indes wirken allenfalls kurzfristig entlastend, können die Beiträge jedoch nicht stabilisieren. Durch die Rückzahlungsverpflichtung kommen ab 2029 zu den ohnehin weiter steigenden Ausgaben noch Tilgungsverpflichtungen hinzu - eine doppelte Belastung für die Beitragszahlenden.

Dämpfung der Ausgaben und echte Strukturreformen 

Was GKV und SPV kurzfristig brauchen, ist eine Dämpfung der explodierenden Ausgaben, einen fairen Ausgleich versicherungsfremder Leistungen und echte Strukturreformen. Die Vorschläge dazu stehen seit geraumer Zeit zur Diskussion. Angesichts der stark steigenden Arzneimittelausgaben wäre ein erhöhter Herstellerabschlag auf neue Medikamente denkbar und kurzfristig umsetzbar. Die Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel ist außerdem längst überfällig und würde die GKV jährlich um rund sechs Milliarden Euro entlasten. 

Sofort­maß­nahmen fürs Gesund­heits­wesen

TK-Infografik: Mit drei Maßnahmen können kurzfristig 18 Mrd. Euro eingespart werden. Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Mit drei Maßnahmen können kurzfristig 18 Mrd. Euro eingespart werden.

Darüber hinaus braucht es endlich kostendeckende Beiträge für Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger. Versicherungsfremde Leistungen dürfen nicht dauerhaft zulasten der Beitragszahlenden gehen - staatliche Aufgaben sind aus Steuermitteln zu finanzieren und nicht aus Beiträgen der GKV. Bei der Pflegeversicherung sollte der Bund seine Schulden begleichen. Sie hatte Coronahilfen in Höhe von rund sechs Milliarden Euro ausgelegt. 

Was es nun braucht, ist die zügige Umsetzung struktureller Reformen bei der stationären und ambulanten Versorgung, eine Notfallreform sowie eine Reform der Preisbildung für Arzneimittel. Der Gesetzgeber sollte dabei künftig jedes neue Gesetz kritisch daraufhin überprüfen, ob zusätzliche Kosten wirklich durch eine verbesserte Versorgung gerechtfertigt sind. Wie wäre es stattdessen mit Gesetzen, die die Kosten senken und gleichzeitig die Versorgung verbessern? Gesetzen, die Bürokratie abbauen? Gesetzen, die das Potenzial von Digitalisierung heben? 

Was jetzt notwendig ist

Die aktuellen Entwicklungen zeigen deutlich: Ein "Weiter-so" darf es nicht geben. Um das Gesundheits- und Pflegesystem dauerhaft tragfähig zu gestalten, sind mehr als temporäre Finanzhilfen erforderlich. Wir brauchen folgende Maßnahmen:

  • ein finanzielles Sofortprogramm zur Dämpfung der Ausgaben
  • ein fairer Ausgleich für versicherungsfremde Leistungen
  • eine Reform der Preisbildung im Arzneimittelbereich
  • strukturelle Veränderungen in der ambulanten und stationären Versorgung - einschließlich einer echten Notfallreform. 

Die Herausforderungen sind gewaltig - doch sie bieten auch die Chance, unser Gesundheitssystem grundlegend zu modernisieren. Was es jetzt braucht, sind entschlossene politische Schritte, die über kurzfristige Finanzspritzen hinausgehen. Nur mit mutigen Reformen lässt sich die Finanzierung stabilisieren - und eine gute Versorgung für alle sichern. Die Zeit drängt.