TK: Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit aus Sicht der Ärztekammer Sachsen-Anhalt konkret für die Ärzteschaft im Land?

Prof. Dr. Uwe Ebmeyer: Für die Ärzteschaft in Sachsen-Anhalt nimmt das Thema Nachhaltigkeit einen immer größeren Stellenwert ein. Zweifelsohne ist in der täglichen Arbeit der Fokus auf die Behandlung der eigenen Patienten gerichtet. Damit verbunden bestimmen die aktuellen Herausforderungen, wie Lieferengpässe bei Medikamenten, den Alltag.

Gleichwohl ist vielen Ärztinnen und Ärzten klar, welchen Einfluss das Klima und die damit verbundenen aktuellen, aber auch zukünftigen Veränderungen, direkt und indirekt auf die Gesundheit der Bevölkerung haben und haben werden. Ärztinnen und Ärzte machen sich daher immer häufiger Gedanken, wie nachhaltig ihre Lebensweise ist, welche Änderungen sich für die tägliche Arbeit und die Behandlung ihrer Patienten ergeben.

Eine verstärkte Nachhaltigkeit wird die Veränderungen und Gefahren nicht aushebeln können, zumindest jedoch reduzieren. Hier ist die Gesellschaft in einer gemeinsamen Verantwortung.

Prof. Dr. Uwe Ebmeyer

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Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt

TK: Inwieweit spielen die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit eine Rolle im Bereich der Fortbildung, um der beständigen Weiterentwicklung des Wissensstandes gerecht zu werden?

Ebmeyer: Unsere Kolleginnen und Kollegen müssen ihr ärztliches Wissen stets aktualisieren, weshalb unsere Berufsordnung eine Fortbildungspflicht vorsieht. Dies trifft auch auf die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu, denn der Klimawandel hat bereits heute Auswirkungen auf die Gesundheit und damit auf die Ausgestaltung der Therapien; einschließlich der Arzneimitteltherapie. So hatten wir beispielsweise in diesem Jahr den gemeinsamen Fortbildungstag mit der Apothekerkammer diesem Thema gewidmet. Das große Interesse an der Veranstaltung zeigt uns, welche Rolle die Themen spielen und wie hoch der Informationsbedarf ist. Dies gilt auch für ein nachhaltiges Gesundheitssystem und Klimaschutz in der täglichen ärztlichen Arbeit.

TK: Verordnete oder freiverkäufliche Medikamente werden von Fall zu Fall nicht eingenommen und irgendwann unter Umständen einfach im Hausmüll entsorgt. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um dies zu reduzieren?

Ebmeyer: Hier bedarf es weiterer intensiver Aufklärungsarbeit. Die Nichtnutzung verordneter Medikamente muss reduziert werden.  Dazu gehört es auch, unsere Patientinnen und Patienten im Umgang mit Arzneimitteln weiter zu sensibilisieren. Leider ist nicht jedem bewusst, was Medikamente im Hausmüll für Auswirkungen haben und welche Alternativen zur Verfügung stehen. Seitens der Industrie könnten Packungsgrößen bedarfsgerechter angepasst werden.

TK: Welche Bemühungen oder Initiativen seitens der Ärztekammer oder einzelner Arztpraxen zum Thema gibt es bereits im Bundesland bzw. welche sind geplant?

Ebmeyer: Die Ärztekammer engagiert sich seit einigen Jahren für Nachhaltigkeit und verfolgt das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu agieren. Zu den vielfältigen Aktivitäten zählt beispielsweise die Information der Ärzteschaft in unserem Ärzteblatt und bei Veranstaltungen, wie dem erwähnten Fortbildungstag. Um auf fachliche Expertise zurückgreifen zu können, hat die Ärztekammer in diesem Jahr die Arbeitsgruppe Klima und Gesundheit gegründet.

Zudem beteiligt sich die Ärztekammer an Aktionen wie dem bundesweiten Hitzeaktionstag, der die Sensibilisierung der Patienten zum Ziel hat. Ganz aktuell haben wir in einer Pflanzaktion am 17. November 2023 unser Projekt zur Aufforstung des Harzes fortgeführt. Bereits zum Projektstart im Jahr 2022 hatten unsere Kammermitglieder rund 13.000 Euro für die Aufforstung des geschädigten Harzes gespendet. Auch in diesem Jahr haben wir mit tatkräftiger Hilfe von Kollegen und Mitarbeitern der Kammer tausende Setzlinge gepflanzt.

Der Gesundheitssektor trägt mit zirka fünf Prozent der Gesamtemissionen einen nicht unwesentlichen Anteil an den klimatischen Veränderungen bei. Daher sind die Themen in den Praxen, Kliniken und dem öffentlichen Gesundheitswesen präsent. Vermeidung von Müll oder Mehrwegmaterialen sind Beispiele, wie im Gesundheitswesen nachhaltiger agiert werden kann und bereits wird. Ich selbst erlebe das als Anästhesist auch ganz praktisch. Wir haben im Vergleich zu anderen Fachärzten einen erhöhten CO2-Fußabdruck. Daher werden gerade bei den verwendeten Narkosemitteln Änderungen vorgenommen, die einen ressourcenschonenden Umgang ermöglichen.

Übrigens: Welchen Stellenwert das Thema Nachhaltigkeit für die Apothekerinnen und Apotheker in Sachsen-Anhalt hat, lesen Sie im Interview mit Dr. Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt.

Zur Person

Prof. Uwe Ebmeyer ist stellvertretender Klinikdirektor und leitender Oberarzt der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Im Juli 2011 wurde er zum Vizepräsidenten der Ärztekammer Sachsen-Anhalt gewählt, seit 2021 vertritt er das oberste Gremium der Ärzteschaft in Sachsen-Anhalt als Präsident. Der Anästhesist und Notfallmediziner ist in verschiedenen Gremien und Ausschüssen tätig. So ist er unter anderem seit 2000 Mitglied der Gruppe Leitender Notärzte der Landeshauptstadt Magdeburg und seit vielen Jahren Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin.