Gesundheit beginnt beim Klinikbau
Interview aus Schleswig-Holstein
Prof. Stephan Wehrig ist Architekt und Professor für Krankenhausplanung an der Technischen Hochschule Lübeck. Im Interview spricht er über die Bedeutung menschzentrierter Gesundheitsbauten und erläutert, wie Räume Gesundheit fördern können. Dabei gibt er auch Einblicke in das Projekt "Beyond Expediency", das gemeinsam mit dem Ministerium für Justiz und Gesundheit Schleswig-Holsteins umgesetzt wird.
Sören Schmidt-Bodenstein: Herr Professor Wehrig, Sie sind Spezialist für Gesundheitsbauten, leiten die Professur für Krankenhausplanung an der Technischen Hochschule Lübeck und haben zahlreiche Klinikprojekte in Deutschland und international begleitet. Was hat Sie persönlich motiviert, sich so intensiv mit Gesundheitsbauten auseinanderzusetzen?
Prof. Dipl. -Ing. Stephan Wehrig: Am Thema Gesundheitsbau begeistert mich von Anfang an dessen Sinnhaftigkeit. Gerade in Momenten, in denen es uns nicht gut geht - sei es auf der Arbeit oder in einer Klinik -, ist eine unterstützende Architektur von enormer Bedeutung. Der Anlass, dass wir alles dafür tun müssen, um uns in einer guten, heilungsfördernden Umgebung aufzuhalten, könnte beim Thema Gesundheitsbau nicht treffender sein.
Gerade in Momenten, in denen es uns nicht gut geht - sei es auf der Arbeit oder in einer Klinik -, ist eine unterstützende Architektur von enormer Bedeutung.
Schmidt-Bodenstein: Sie betrachten Gesundheitsbauten auch aus einer wissenschaftlichen Perspektive. Gibt es Forschungsergebnisse, wie man eine kluge Gesundheitsarchitektur konkret umsetzt?
Wehrig: Grundsätzlich muss man die Forschung im Gesundheitsbau etwas differenzierter betrachten:
Zum einen gibt es fundierte Erkenntnisse aus der Architekturpsychologie. Sie befasst sich mit der menschlichen Wahrnehmung von Räumen und untersucht, wie Stress durch Gestaltungsparameter wie Akustik, Licht, Materialien oder Orientierung reduziert werden kann. Ein zweiter Bereich ist die sogenannte "heilende Architektur". Hier geht es beispielsweise darum, ob bestimmte räumliche Gestaltungen dazu führen, dass Patientinnen und Patienten weniger Schmerzmittel benötigen. Diese Wirkungen sind allerdings deutlich komplexer wissenschaftlich nachzuweisen.
#SegelSetzen: Interview mit Prof. Dipl. -Ing. Stephan Wehrig
Schmidt-Bodenstein: Wenn Sie durch ein klassisches, regionales Kreiskrankenhaus in Schleswig-Holstein gehen würden - wie würden Sie es aus Ihrer Perspektive als Spezialist bewerten?
Wehrig: Ich hatte bisher das Glück, Krankenhäuser überwiegend aus der Sicht eines gesunden Menschen zu erleben. Das erlaubt mir, die zentralen Aspekte wie Orientierung oder die institutionelle Wirkung eines Gebäudes schnell zu analysieren. Ein kaltes, nüchternes Gebäude mit einer unübersichtlichen Erschließung und damit verbundenen schlechten Orientierung, wirkt keinesfalls stressreduzierend - im Gegenteil.
Schmidt-Bodenstein: Ich erinnere mich an den bekannten Grundsatz "Form folgt Funktion". Aber müsste man den Funktionsbegriff bei Gesundheitsbauten nicht viel weiter fassen - gerade, weil es doch letztlich um Menschen geht?
Wehrig: Genau das ist eine wunderbare Überleitung zu unserem aktuellen Projekt "Beyond Expediency - Sustainable and Empowering Health Care Design", das die Technische Hochschule Lübeck gemeinsam mit dem Ministerium für Justiz und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein initiiert hat. Ein zentrales Ziel ist es, die funktionalen Anforderungen an ein Gebäude mit den sinnlichen Bedürfnissen der Nutzer und Nutzerinnen in Einklang zu bringen.
Schmidt-Bodenstein: Sie stehen bereits im Dialog mit Krankenhäusern in Schleswig-Holstein. Wie werden Sie von den Projektpartnern aufgenommen?
Wehrig: In Schleswig-Holstein stehen aktuell große Investitionen im Gesundheitsbereich an. Das eröffnet enorme Gestaltungsmöglichkeiten. Wir treffen auf Praxispartner, die unsere Ambitionen teilen und den Wandel als große Chance begreifen. In diesem gemeinsamen Prozess entstehen sehr große Synergien, weil wir Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis zusammenführen. Eine wichtige Erkenntnis aus dem Projekt ist zudem: Die Hochschule wird als objektive Plattform wahrgenommen - und das wird von allen Beteiligten sehr positiv und unterstützend angenommen.
Schmidt-Bodenstein: Wenn wir in 20 Jahren auf das Projekt zurückblicken - wann und warum war es dann ein Erfolg?
Wehrig: Idealerweise wird sich der Wert des Projekts bereits in den kommenden drei Jahren zeigen. Denn in diesem Zeitraum begleiten und pilotieren wir große Vorhaben. Diese Projekte helfen uns, unseren Planungs- und Qualitätskompass kontinuierlich weiterzuentwickeln - und zwar nicht nur theoretisch an der Hochschule, sondern praxisnah in der Umsetzung.
Im besten Fall entsteht ein wandlungsfähiges Gebäude, das sich weiterentwickeln kann - ein verlässlicher Partner in der medizinischen Versorgung, anerkannt in der Gesellschaft und identitätsstiftend für seine Mitarbeitenden.
Und vor allem - ein Haus mit sinnlicher Präsenz. Denn wenn uns Architektur emotional berührt und unterstützt, tun wir viel dafür, dass sie Bestand hat und nicht verschwindet.