Fünf Vorschläge der TK für eine bessere Notfallversorgung:

  • Integrierte Notfallzentren (INZ) als zentrale Anlaufstellen etablieren
  • Integrierte Leitstellen (ILS) als Vorreiter für digitale, sektorenübergreifende Vernetzung einrichten
  • Transparente Kooperation durch verpflichtenden digitalen Informationsaustausch verbessern
  • Modellprojekte im Land Bremen evaluieren
  • Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten stärken

Das Land Bremen verfügt über eine umfassende Notfallversorgung in ambulanten und stationären Einrichtungen sowie über ein funktionierendes Rettungswesen. Die Mehrzahl der Krankenhäuser in Bremen und Bremerhaven halten eine Notaufnahme vor, in die längst nicht nur Patentinnen und Patienten kommen, die auch echte Notfälle sind: Ein großer Teil von ihnen könnte über den Ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) oder in den regulären Sprechstunden der vertragsärztlichen Praxen versorgt werden. Vielfach findet aufgrund bestehender Strukturen und Finanzierungsregelungen ein Transport ins Krankenhaus statt, obwohl im Einzelfall keine stationäre Behandlung erforderlich ist. Die Folge: überfüllte Notaufnahmen in den Kliniken des Landes, lange Wartezeiten, verärgerte Patentinnen und Patienten und der ineffiziente Einsatz personeller und finanzieller Ressourcen.

Aus Sicht der TK ist es richtig, dass im Rahmen der aktuellen Krankenhausreform auch endlich die Notfallversorgung angepackt wird. Der Anspruch der Patentinnen und Patienten auf eine schnelle, angemessene und qualitativ hochwertige Akut- und Notfallversorgung steht außer Frage und berührt ein existentielles Interesse jedes Menschen. Auch die Ärzte und das Pflegepersonal in der Notfallversorgung haben einen legitimen Anspruch auf Verbesserung ihrer Arbeitssituation. Die strukturelle Überforderung der Notfalleinrichtungen muss durch sinnvolle Steuerung abgewendet werden.

Integrierte Notfallzentren (INZ) als zentrale Anlaufstellen

Bereits seit dem Jahr 2019 kooperieren das Krankenhaus St. Joseph-Stift und die KV Bremen am Standort des St. Joseph-Stifts miteinander. Anhand eines strukturierten medizinischen Ersteinschätzungsverfahrens (SmED) wird die Dringlichkeit der Behandlung ermittelt und die Patientinnen und Patienten in die angemessene Versorgungsebene gesteuert. Die enge Zusammenarbeit der KV Bremen mit dem Klinikum ist zu begrüßen und sollte auch an anderen ausgewählten Standorten verpflichtend eingeführt und zu Integrierten Notfallzentren weiterentwickelt werden.

Um eine räumliche Verteilung der Integrierten Notfallzentren im Land Bremen zu schaffen und auf bestehende Strukturen aufzubauen, muss eine genaue Analyse der Standortwahl vorausgehen. Daneben müssen die ausgewählten Standorte den Kriterien der vom G-BA beschlossenen Notfallstufen entsprechen. In Fällen, in denen die KV die Versorgung nicht oder nicht in ausreichender Form sicherstellt, sollten Ausgleichszahlungen fällig werden.

Softwaregestützte Verfahren und Angebote sollten flächendeckend als Unterstützung im Land Bremen zum Einsatz kommen. Sie können helfen, eine einheitliche Leistungssteuerung zu gewährleisten. Ein wichtiger Zusatzeffekt ist, dass solche Instrumente für die Mitarbeitenden in der Notfallversorgung und für die Patentinnen und Patienten als Hilfe und Unterstützung erlebbar werden.

Softwaregestützte Verfahren und Angebote sollten flächendeckend als Unterstützung im Land Bremen zum Einsatz kommen. Sie können helfen, eine einheitliche Leistungssteuerung zu gewährleisten. 

Das aktuelle Reformkonzept der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sieht ebenso integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) vor. Aus Sicht der TK ist es sinnvoll, diese an Kliniken der Kinder- und Jugendmedizin bedarfsgerecht aufzubauen. Allerdings sollten die Kinderärzte in eine vorhandene INZ-Struktur integriert werden, um möglichen Doppelstrukturen in Krankenhäusern entgegenzutreten.

Integrierte Leitstellen (ILS) als Vorreiter für digitale, sektorenübergreifende Vernetzung

Eine standardisierte, wissenschaftlich valide, softwaregestützte und qualitätsgesicherte Ersteinschätzung durch medizinisch qualifizierte Fachkräfte (telefonisch- und / oder telemedizinisch) ist ein zentrales Element für eine effiziente Notfallversorgung. Die Menschen erhalten so schnell und kompetent Hilfe. Die TK fordert das Land Bremen auf, die Einrichtung einer Gemeinsamen Notfallleitstelle (GNL) zur Steuerung der Versorgung sowie die Zusammenführung der Rufnummern 112 und 116117 zu fördern. Da es sich in der Praxis in vielen Fällen nicht um eine örtliche Zusammenlegung handeln wird, muss die vorgesehene technische Verbindung räumlich getrennter Leitstellen essenzieller Bestandteil der Versorgung werden. Gemeinsame Notfallleitstellen sollen die zentrale Lotsenfunktion der integrierten medizinischen Notfallversorgung übernehmen. Die TK sieht darin eine große Chance zur Weiterentwicklung der Akut- und Notfallversorgung. Zusätzlich sollte ein Sanktionsmechanismus etabliert werden, falls die Erreichbarkeit nicht flächendeckend sichergestellt werden kann. Darüber hinaus darf -insbesondere in Bremen - eine Kooperation und Disposition nicht an Ländergrenzen enden. In Form eines Modellprojekts der senatorischen Behörde könnten zudem Dolmetscherdienste, durch geschultes bilinguales Personal, in der integrierten Leitstelle zum Einsatz kommen.

Eine standardisierte, wissenschaftlich valide, softwaregestützte und qualitätsgesicherte Ersteinschätzung durch medizinisch qualifizierte Fachkräfte ist ein zentrales Element für eine effiziente Notfallversorgung. 

Transparente Kooperation durch verpflichtenden digitalen Informationsaustausch

Das Online-Meldesystem "IVENA" ist für die transparente Zusammenarbeit zwischen Rettungsdienst und Krankenhaus bereits ein wichtiges Instrument in Bremen. Mit dem Interdisziplinären Versorgungsnachweis melden Kliniken ihre freien Kapazitäten an die Leitstellen. IVENA stellt somit eine wichtige Methode zur effektiven Kooperation zwischen der Schnittstelle Krankenhaus und Notfallleitstelle dar. Die TK ist davon überzeugt, dass solche digitalen Projekte das Potenzial haben, die Versorgung der Bevölkerung maßgeblich zu verbessern. Allerdings hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass sich regelmäßig Kliniken über das Meldeportal aus der Notfallversorgung abmelden. In diesen Fällen sollten Ausgleichszahlungen des Krankenhauses geleistet werden.

Modellprojekte im Land Bremen

In den Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie begann das Bundesland Bremen den HanseSani einzusetzen: Ein erfahrener Notfallsanitäter oder eine erfahrene Notfallsanitäterin schätzt die Situation vor Ort ein, versorgt die Patentinnen und Patienten und entscheidet, welcher Versorgungspfad passgenau ist. Bei Bedarf kann auch ein Rettungsmittel des stadtbremischen Rettungsdienstes nachgefordert werden. Telemedizinische Beratung durch eine ärztliche Leitung des Rettungsdienstes können sich die Sanitäter bei Bedarf auch einholen. 

Die TK begrüßt die Möglichkeit von Modellprojekten und fordert gleichzeitig eine Nutzenbewertung dieser. Vor einer Verstetigung müssen diese Projekte evaluiert werden.

Telemedizinisches Personal kann die Notfallversorgung optimieren, indem es den Rettungsdienst bei Diagnosestellung und Erstbehandlung unterstützt. Basis dafür sind aus dem Rettungsfahrzeug übertragene audiovisuellen Daten und Vitaldaten. So können notwendige Behandlungen früher beginnen.

Telemedizinisches Personal kann die Notfallversorgung optimieren, indem es den Rettungsdienst bei Diagnosestellung und Erstbehandlung unterstützt. 

Gesundheitskompetenz der Patentinnen und Patienten stärken

Ergänzend zur Neuorganisation der Notfallversorgung muss die Gesundheitskompetenz der Patentinnen und Patienten gestärkt werden. Daher begrüßt die TK die Aufklärungs-Kampagne "Hier werden Leben gerettet" der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz und fordert die konsequente Weiterentwicklung der Kampagnenarbeit. Mit verständlich aufbereiteten Informationen zu Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten sollen Patentinnen und Patienten dabei unterstützt werden, ihre eigene gesundheitliche Situation besser einzuschätzen. Ein Schwerpunkt sollte dabei auf der Frage liegen, was ein medizinischer Notfall ist und welche Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten welche Einrichtung des Gesundheitssystems bietet. 

Die Pandemie hat besonders verdeutlicht, wie wichtig die Gesundheitskompetenz für Kinder und junge Erwachsene sein kann, um gute Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen und bewerten zu können. Daher sollte bereits im Kindes- und Jugendalter die Stärkung der Gesundheitskompetenz in den Fokus gerückt werden. Vor allem im Setting Schule könnten Gesundheitsthemen, z.B. Erste-Hilfe-Maßnahmen sowie Entscheidungshilfen zur passenden ärztlichen Versorgung (112 und 116117), vermittelt werden. 

TK-Posi­ti­ons­pa­pier: Notfall­ver­sor­gung

Positionspapier der TK-Landesvertretung Bremen zur Weiterentwicklung der Notfallversorgung

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