Hamburg, 7. Dezember 2023. Wer an einer Pornografie-Nutzungsstörung leidet, kann ab sofort ein neues Behandlungsangebot in Anspruch nehmen. Das Forschungsprojekt PornLoS (Pornografie-Nutzungsstörung - Leben ohne Suchtdruck) bietet Betroffenen eine spezielle Versorgung in den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Die Federführung liegt bei Dr. Rudolf Stark, Professor für Psychotherapie an Justus-Liebig-Universität Gießen. Die Techniker Krankenkasse (TK), weitere Kassen sowie Hochschulen unterstützen das Projekt.

Im Schnitt etwa drei Prozent der Männer betroffen

"Von einer Pornografie-Nutzungsstörung sind etwa drei Prozent der Männer und ein Prozent der Frauen betroffen", sagt Professor Stark. Bundesweit seien das etwa eine Million Menschen. Die Weltgesundheitsorganisation ordnet das Störungsbild den Verhaltenssüchten zu und hat es 2019 als Störung mit zwanghaftem Sexualverhalten klassifiziert. Stark: "Betroffene entwickeln einen exzessiven Pornografiekonsum, der zugleich mit Kontrollverlust einhergeht. Betroffenen gelingt es nicht, ihren Konsum zu reduzieren, auch wenn er ihnen nicht guttut."

Hoher Leidensdruck

"Häufig werden familiäre, partnerschaftliche, freundschaftliche und berufliche Verpflichtungen vernachlässigt. Das kann bis zum Kontaktabbruch und zu sozialer Isolation führen," so Stark weiter. Am Arbeitsplatz kann es zu Leistungseinbrüchen, Konzentrationsschwierigkeiten, Ablenkung und dadurch erhöhter Unfallgefahr kommen. Betroffene können auch Erkrankungen wie beispielweise eine Depression entwickeln.

Anlaufstellen fehlen - Projekt schließt Versorgungslücke

Bundesweit gibt es im ambulanten und stationären Bereich bislang kaum Anlaufstellen für Betroffene. Sechs von zehn niedergelassenen Psychotherapeuten und -therapeutinnen sagten bei einer Umfrage im Vorfeld des Forschungsprojekts, dass sie sich "schlecht" oder "sehr schlecht" mit dem Thema Pornografie-Nutzungsstörung auskennen (59 Prozent). Auch gibt es bisher kaum wissenschaftlich etablierte Behandlungskonzepte. Professor Stark: "Mit unserer

Studie wollen wir diese Lücke schließen und bieten ein spezielles Behandlungsprogramm für Menschen mit Pornografie-Nutzungsstörung an." Die Intensivtherapie kombiniert Psychotherapie, Gruppenpsychotherapie und Psychoedukation. Zudem unterstützt eine eigens entwickelte App dabei, das Rückfallrisiko zu verringern. "Das Projekt leistet Pionierarbeit, um Betroffenen wissenschaftlich fundiert zu helfen", sagt Julia Englisch, Projektleiterin auf Seiten der TK, zur Motivation der Kasse, das Projekt zu unterstützen.

Studie ist auf 320 Teilnehmer und Teilnehmerinnen ausgelegt

Betroffene, die an dem neuen Behandlungsangebot teilnehmen möchten, finden auf der Projekt-Website www.pornlos.de ein Kontaktformular. Die Teilnehmerzahl ist auf etwa 320 begrenzt. Aktuell können noch Teilnehmende aufgenommen werden. Auf der Projekt-Website sind auch ausführliche Informationen zur Pornografie-Nutzungsstörung verfügbar. Zudem ist dort ein Selbsttest abrufbar, der erste Hinweise auf einen kritischen Pornografiekonsum geben kann.

Innovationsfonds fördert das Projekt

Das auf dreieinhalb Jahre angelegte Forschungsprojekt PornLoS der Justus-Liebig-Universität Gießen wird mit 5,4 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert. Zu den Konsortialpartnern gehören neben der TK auch die DAK-Gesundheit und mehrere Hochschulen. Weitere Krankenkassen und Partner unterstützen das Projekt.

Hinweis für die Redaktion

Die Schätzung von deutschlandweit etwa einer Million Menschen, die von einer Pornografie-Nutzungsstörung (PNS) betroffen sind, bezieht sich auf die Zahl von circa 51 Millionen erwachsenen Männern und Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren. Bei einer Betroffenheit von circa drei Prozent der Männer und einem Prozent der Frauen ergeben sich die Zahlen von circa 750.000 männlichen sowie circa 250.000 weiblichen Personen mit einer PNS.