Wahrheit: Es gibt sie "auf Knopfdruck"

Es antwortet: Kerstin Kind, Senior Manager für Global Mobility Services - internationale Sozialversicherung bei der Beratungsgesellschaft KPMG

"Richtig. Seit Mitte 2019 ist Schluss mit dem Antrag aus Papier: Die Bescheinigung A1 für Auslandseinsätze von Arbeitnehmern wird in Deutschland digital beantragt, und zwar mithilfe der Abrechnungsprogramme, die zur Entgeltabrechnung für den Datenaustausch mit den Sozialversicherungen qualifiziert sind. Alternativ können Arbeitgeber das SV-Meldeportal  nutzen. Es dient als Ausfüllhilfe und wird von der Informationstechnischen Servicestelle ITSG im Auftrag der gesetzlichen Krankenversicherung bereitgestellt." 

Übrigens: Eine Praxishilfe, wie man A1-Bescheinigungen via SV-Meldeportal beantragt, finden Sie im Artikel " Anleitung: A1-Antrag im SV-Meldeportal ".

Wahrheit: Sie spart Geld

Es antwortet: Dr. Michael R. Fausel, Rechtsanwalt, Spezialist für internationales Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Kanzlei BLUEDEX

"Auch wenn sie gern als 'Bürokratiemonster' verteufelt wird: Von ihrem Grundsatz her ist die A1-Bescheinigung ein Instrument, um Kosten und Probleme zu vermeiden. Denn sie verhindert, dass Arbeitgeber bei Auslandseinsätzen mehrfach Sozialversicherungsbeiträge abführen oder Mitarbeiter aus dem heimischen System abmelden müssen. Basis hierfür ist das Territorialprinzip, das grundsätzlich dem Einsatzland die Sozialversicherungspflicht zuspricht - es sei denn, es gibt eine Vereinbarung auf europäischer Ebene oder ein Sozialversicherungsabkommen mit Deutschland.

Anstatt für jedes Land einzeln Anträge im Rahmen eines solchen Abkommens zu stellen, wurde für alle Länder der EU, des EWR und die Schweiz zur Vereinfachung ein einheitliches Verfahren geschaffen. Arbeitgeber benötigen nur ein einziges Formular, um einen Entsendungsnachweis - also die Bescheinigung A1 - zu beantragen.

In jüngster Zeit wird die A1-Bescheinigung in einigen Staaten als Nachweis zum Schutz vor Lohndumping und Schwarzarbeit verlangt. Dass zum Teil Bußgelder angedroht werden, wenn bei Grenzübertritt keine A1-Bescheinigung vorgelegt wird, hat mit der ursprünglichen Idee des Sozialversicherungsnachweises streng genommen nichts zu tun. Dennoch gilt: Wenn Sie als Arbeitgeber für die betreffenden Länder rechtzeitig eine A1-Bescheinigung beantragen, sparen Sie sich sowohl Ärger als auch Bußgeld."

Wahrheit: Die Bescheinigung A1 gilt bereits für kurze Dienstreisen

Es antwortet: UIrich Buschermöhle, Leiter Global Social Security bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers

"Ja, die entsprechenden europäischen Vorschriften VO (EG) 883/2004 und VO (EG) 987/2011 sehen keine Bagatellgrenzen vor, wonach zum Beispiel bei einem sehr kurzen beruflichen Aufenthalt in einem anderen EWR-Staat beziehungsweise der Schweiz von der Beantragung dieser Bescheinigung abgesehen werden kann. Zudem sollte diese Bescheinigung vorzugsweise bereits bei Beginn der Tätigkeit in dem anderen Staat vorliegen."

Mythos: Die A1-Bescheinigung reicht bei Dienstreisen und Montageeinsätzen vollkommen aus

Es antwortet: Omer Dotou, Leiter Global-Mobility-Services, BDAE Consult

"Keine Frage, eine A1-Bescheinigung ist grundsätzlich Pflicht, aber sie wird in ihrer Bedeutung überschätzt. Vielmehr ist sie nur ein kleiner Bestandteil in einem großen Katalog von Verwaltungsanforderungen, die das Personalmanagement erfüllen muss und die je nach Aufenthaltsland unterschiedlich umfangreich sind. Insbesondere im Zuge der neuen EU-Entsenderichtlinie, die in allen Mitgliedstaaten seit Juli 2020 gilt."

Mehr Informationen dazu, wie man Entsendungen plant, finden Sie in der Beilage " Auslandsentsendung - Richtig planen in der Praxis (PDF, 1.7 MB) " der TK und der Zeitschrift Personalwirtschaft.

Mythos: Die A1-Bescheinigung ist eine neue Erfindung der Brüsseler Bürokratie

Es antwortet: Kerstin Kind, Senior Manager für Global Mobility Services - internationale Sozialversicherung bei der Beratungsgesellschaft KPMG 

"Offensichtlich genießt die A1-Bescheinigung mehr denn je den Ruf einer aktuellen EU-Spezialität. Dabei ist sie gar nicht neu - seit 2010 ist sie schon im Bereich EU/EWR und in der Schweiz bei jeder grenzüberschreitenden Erwerbstätigkeit obligatorisch, wobei sich Überprüfungen in der Praxis bisher vielfach nur auf bestimmte Tätigkeiten beschränkten. Neu ist, dass die Bescheinigung zunehmend in die digitalen Kontrollsysteme der EU-Staaten zum Schutz vor Schwarzarbeit und Sozialdumping eingebettet wird.

Neu ist auch, dass mit dem elektronischen A1-Antrag nun der Bereich Lohn und Gehalt im Unternehmen in das Thema Reisemanagement involviert ist. Wer früher Dienstreisen allein beantragt hat, muss nun auch an den Gang in die Buchhaltung denken."

Mythos: Sie wird für Dienstreisen abgeschafft

Es antwortet: Dr. Michael R. Fausel, Rechtsanwalt, Spezialist für internationales Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Kanzlei BLUEDEX

"Auch wenn es im Frühjahr beinahe dazu gekommen wäre - beschlossene Änderungen im Antragsverfahren rund um die A1-Bescheinigung gibt es derzeit nicht. Das EU-Parlament hatte einem von der EU-Kommission ausgearbeiteten Vorschlag schon zugestimmt, wonach zum Beispiel bei kurzen Geschäftsreisen und zu bestimmten Zwecken keine A1-Bescheinigung verlangt werden soll. Der Rat der zuständigen Minister der EU-Staaten hat den Gesetzentwurf aber abgelehnt. Entschieden wurde stattdessen, die Modernisierung von Verordnungen in die Hände des neu gewählten EU-Parlaments zu legen. An die bereits ausgearbeiteten Vorlagen ist das neue EU-Parlament übrigens nicht gebunden.

Dass in den Medien zum Teil bereits über die Abschaffung der A1-Pflicht auf Dienstreisen zu lesen war, hat unter anderem mit einer von der EU-Kommission ausgegebenen Mitteilung zu tun. Diese hatte eine bereits abgesegnete Entscheidung suggeriert."