"Wer an FH leidet, hat einen erhöhten LDL-Cholesterinspiegel - einfach ausgedrückt, zu viel Fett im Blut, welches sich in Gefäßen ablagert. Betroffene haben folglich ein 10-20fach erhöhtes Risiko bereits in jungen Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden", erklärt Dr. Veronika Sanin.

Sie ist angehende Kardiologin und arbeitet seit 2014 am Deutschen Herzzentrum in München. "Mein Herz schlägt für die präventive Kardiologie", sagt sie. Menschen, die wissen, dass bei ihnen eine FH vorliegt, können ihr gesundheitliches Risiko durch einen gesunden Lebensstil und mit Hilfe von Cholesterinsenkern reduzieren und zwar auf das Niveau eines Menschen ohne FH. "Wichtig ist, dass sie frühzeitig damit beginnen", ergänzt Sanin.

Flächendeckendes Screening

Deshalb fördert das Bayerische Gesundheitsministerium seit September 2020 ein flächendeckendes Screening bei Kindern und Jugendlichen im Alter von fünf bis 14 Jahren. Geleitet wird die so genannte Vroni-Studie im Rahmen des DigiMed Bayern Projektes von Prof. Dr. Heribert Schunkert, Klinikdirektor am Deutschen Herzzentrum München.

"Im Rahmen der U-Untersuchung können Eltern freiwillig entscheiden, ob ihr Kind an dem kostenfreien Screening teilnimmt", so Schunkert. Ein Tropfen Kapillarblut, der aus der Fingerkuppe entnommen und im Labor des Deutschen Herzzentrums untersucht wird, kann bereits zeigen, ob ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel vorliegt. Ist dies der Fall, erfolgt eine weitere genetische Untersuchung am Helmholtz Zentrum. Zeigt das Ergebnis eine FH werden die Kinder und ihre Eltern zu einer Schulung am kbo-Kinderzentrum eingeladen und medikamentös von der Kinder- und Jugendärztin oder vom Kinder- und Jungendarzt sowie Kinderkardiologinnen und -kardiologen eingestellt. Bei weiteren Fragen rund um die FH, unterstützt außerdem die Patientenorganisation Cholco e. V.

Prävention im Kindesalter

"Wir lassen die Familien nicht mit der Erkrankung alleine, sondern arbeiten interdisziplinär zusammen, um umfangreich zu behandeln und vor allem aufzuklären", erklärt Dr. Sanin. Mit dabei sind viele Kinderärztinnen und -ärzte und Kinderkardiologinnen und -kardiologen in Bayern, sowie der Berufsverband für Kinder und Jugendärzte (BVKJ) Bayerns. Prävention bereits im Kindesalter, lautet das Motto, um Herzkreislauf-Erkrankungen und Todesfälle zu vermeiden.

Todesfälle wie der eines 35-jährigen Familienvaters, der beim Sonntagsspaziergang zusammenbricht und seinen Herzinfarkt trotz intensivmedizinischer Versorgung nicht überlebt. "Ich hatte damals Dienst und habe mich natürlich gefragt, wie jemand in so jungen Jahren einen solch schweren Herzinfarkt erleiden kann", erinnert sich die Kardiologin. Eine familiäre Analyse ergab, dass der Patient eine vererbte FH aufwies und auch andere Verwandte bereits Herzinfarkte erlitten hatten. "Sein Tod wäre vermeidbar gewesen, hätte er von seinem Risiko gewusst." Es waren diese Schlüsselerlebnisse, die Sanin bewusst machten, wie wichtig eine frühe Diagnostik und Aufklärung bei FH ist.

Angehörige identifizieren

In Bayern sollen in den nächsten Jahren mehrere tausend Kinder und Jugendliche getestet werden. Dabei soll nicht nur die hohe Dunkelziffer von FH reduziert und die Behandlung bei FH verbessert werden. Im Rahmen der Vroni-Studie wollen die Forscher am Deutschen Herzzentrum München und am Helmholtz Zentrum auch epidemiologische Daten zur Erkrankung sammeln und anhand von funktionellen Untersuchungen feststellen, durch welche (neuen) Mutationen FH ausgelöst wird. "Es gibt ein paar tausend bekannte Mutationen für diese Erkrankung, aber leider auch einige unentdeckte", so Sanin.

330 Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte in Bayern setzen das Screening mittlerweile um. Sie haben bisher mehr als 16.000 Kinder und Jugendliche untersucht, bei 161 konnte eine FH-Mutation festgestellt werden. Auch erste Studienergebnisse wurden bereits publiziert.

Von dem so genannten reversen Kaskaden-Screening profitieren auch die Erwachsenen. Dr. Sanin: "Ein Kind, bei dem die Krankheit FH vorliegt, hat diese mit großer Wahrscheinlichkeit von einem direkten Verwandten geerbt haben. So lässt sich durch unser Vorgehen auch der Elternteil und weitere betroffene Angehörige identifizieren."

Plakat Vroni-Studie

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Mit ansprechenden Bildern klärt die Vroni-Studie Kinder über FH auf.

Mit dem Ansatz der genetischen Untersuchung ist die Vroni-Studie einmalig in Deutschland. "Es gibt ähnliche Initiativen, allerdings ohne genetische Diagnostik", sagt die Kardiologin. Eine Ausweitung auf andere Bundesländer ist bereits in Planung. Auch auf politischer Ebene ist Vroni bzw. ein FH-Screening angekommen. "Vroni ist Vorzeigemodell der Nationalen Herzallianz und von Seiten des Gesundheitsministeriums gibt es Bemühungen ein Cholesterinscreening als Teil der U9 zu verstetigen", so Sanin.