Mehr als 180 Arztpraxen, die ihre Praxisorganisation, Sicherheitskultur und ihr internes Fehlermanagement verbessern wollten, haben am Innovationsfondsprojekt "CIRSforte" teilgenommen. Die Studienergebnisse zeigen: Die teilnehmenden Praxen profitieren vom großen Innovationspotenzial von Fehlern und empfinden ein internes Fehlermanagement als Gewinn.

Im Rahmen der CIRSforte-Studie hat das Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität in Frankfurt gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse, dem Aktionsbündnis Patientensicherheit und weiteren Partnern rund 180 Arztpraxen in Hessen und bundesweit während der 17-monatigen Studienphase bei der Einführung eines Fehlerberichts- und Lernsystems umfassend unterstützt und begleitet.

Alltagstaugliches Instrument

Die Studie zeigt: Fehlerberichts- und Lernsysteme sind ein praktikables, alltagstaugliches Instrument für die Umsetzung von Fehlermanagement in der Praxis. Nach Befragungen zu Beginn der Studie hatte jede zweite teilnehmende Praxis (45 Prozent) ein solches System im Praxisablauf integriert. Es gab aber auch viele Praxisteams, die anfangs nicht wussten, wie sie Fehler oder kritische Ereignisse aufarbeiten konnten. 

Am Ende der Studie war das strukturierte Fehlermanagement mit Fehlerberichts- und Lernsystemen in 91 Prozent der Praxen zum festen Bestandteil des internen Qualitätsmanagements geworden. 95 Prozent der Praxen haben das Thema Fehlermanagement als festen Tagesordnungspunkt in die regelmäßig stattfindenden Teamsitzungen aufgenommen. Zwei von drei Praxen (70 Prozent) haben Verantwortlichkeiten für das Thema benannt. Die teilnehmenden Praxen sahen in diesen festen Strukturen einen enormen Gewinn für ihre gemeinsame Fehleraufarbeitung. Das Wissen der Praxisteams, wie einem Fehler vorgebeugt werden kann, hatte sich signifikant verbessert. Die Aufarbeitung von Schwachstellen verlief strukturierter und auch die Qualität des Austauschs mit dem gesamten Praxisteam hatte sich erhöht.

Jedes Jahr 48 Millionen Behandlungsfälle

Allein aufgrund der hohen Zahl der Patientenkontakte sollten aus Sicht der TK in Hessen Arztpraxen die Vorteile eines Fehlermanagements nutzen: In Hessen versorgen jedes Jahr über 13.000 niedergelassene Haus- und Fachärzte in mehr als 8.700 Praxen fast 48 Millionen Behandlungsfälle. In der Regel verläuft die Versorgung auch nach Plan. Aber manchmal kommt es zu unerwünschten Ereignissen, die unter anderen Umständen hätten vermieden werden können. 

Beispielsweise können Patientinnen und Patienten verwechselt werden, weil der Aufruf im Wartezimmer akustisch nicht eindeutig ist oder es einen weiteren Patienten oder eine Patientin mit gleichem Vor- und Nachnamen gibt. Oder es wird einer Patientin bzw. einem Patienten irrtümlich Blut entnommen oder ein fehlerhaftes Rezept ausgehändigt. Wenn so etwas passiert, helfen Appelle, beim nächsten Mal besser aufzupassen, nicht weiter. Machen sich die Praxismitarbeiter nicht auf die Suche nach diesen Ursachen und ändern sie an den internen Strukturen nichts, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich ein Fehler in gleicher oder ähnlicher Weise wiederholt. 

Verkettung unglücklicher Umstände

Die Entwicklung einer guten Sicherheitskultur ist daher unumgänglich, damit die nachhaltige Verbesserung von Arbeitsabläufen und Strukturen funktioniert. Das meint konkret einen offenen Umgang mit Fehlern innerhalb des Praxisteams und das Vertrauen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass sie nicht fürchten müssen, für einen Fehler bestraft zu werden. Oft wird dabei auch übersehen, dass in den meisten Fällen nicht eine einzelne Person, sondern eine Verkettung unglücklicher Umstände und ein Versagen im System zu einem Fehler geführt haben. 

Um ein lebendiges Fehlermanagement einzuführen, wurden die teilnehmenden Praxen intensiv vom Projektteam begleitet. Unterstützung gab es in den Einführungsworkshops zu Beginn, die als Online- und Präsenzveranstaltung angeboten wurden. Zudem gab es ein Arbeitspaket mit konkreten Handlungsempfehlungen zur Einführung von Berichts- und Lernsystemen, Online-Schulungen, moderierte Webinare sowie Workshops zum praxisübergreifenden Austausch und einen regelmäßiger Newsletter mit Best-Practice Beispielen für häufige Fehlerquellen. 

Anschlussprojekt unterstützt Praxen

CIRSforte hat aus Sicht der Projektpartner gezeigt, dass Fehlermanagement das Sicherheitsklima stärkt und praxistauglich umsetzbar ist. Bei der Einführung brauchen Arztpraxen aber begleitende, institutionelle Unterstützung. Diese kann von Einrichtungen wie beispielsweise Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärztekammern oder von professionell gemanagten Praxisnetzen geleistet werden. In einem Anschlussprojekt werden die Angebote, die sich bei CIRSforte bewährt haben zusammen mit einem Implementierungsleitfaden interessierten Einrichtungen im Gesundheitswesen zur Verfügung gestellt. 

Das Projekt "CIRSforte" wurde vom bundesweiten Innovationsfonds finanziell gefördert. Als Konsortialführer hat das Institut für Allgemeinmedizin der Frankfurter Goethe-Universität das Innovationsfondsprojekt federführend geleitet. Weitere Projektpartner waren neben der Techniker Krankenkasse (TK) das Aktionsbündnis Patientensicherheit, das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin, die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe sowie die Asklepios-Kliniken GmbH.

Dr. Barbara Voß

Barbara Voß, Leiterin TK-Landesvertretung Hessen Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Hessen
"Patienten vertrauen auf eine gute und sichere Behandlung. Um dieses Vertrauen nicht zu gefährden, ist es wichtig, dass sich die Praxen mit vorhandenen Risiken auseinandersetzen und Prozesse noch sicherer gestalten. Viele Praxisteams fanden das CIRSforte-Projekt sehr hilfreich und haben eine hohe Motivation zu lernen, wie sie Fehler vermeiden können. Das ist ein großer Erfolg."

Dr. med. Beate Müller

Portrait von Dr. med. Beate Müller Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin und Professorin für Allgemeinmedizin an der Universitätsklinik Köln

"Wenn Praxisteams sich fragen, wo im Praxisalltag kritische Ereignisse auftreten können, dann lautet die Antwort: Überall. Jede einzelne Handlung bei der Behandlung eines Patienten ist risikoanfällig."
 


Prof. Ferdi­nand Gerlach

Prof. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Uni Frankfurt Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main

 "Jeder Fehler ist ein Schatz. Ein Fehlerberichts- und Lernsystem bietet die Chance, gemeinsam aus kritischen Ereignissen in der Praxis zu lernen und so die zukünftige Versorgung der Patienten in der Hausarztpraxis noch sicherer zu machen."

Dr. Carola Koch

Portrait Dr. Carola Koch Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Fachärztin für Allgemeinmedizin in Frankfurt

"Wir haben im Projekt erst einmal gelernt, dass wir analysieren müssen, wie es zu einer kritischen Situation kommen konnte und welche Lücken in unserem System bestehen. Jetzt besprechen wir Fehler in unseren regelmäßigen Teamsitzungen und überlegen gemeinsam Maßnahmen, wie wir den Fehler künftig vermeiden können. So haben wir gemeinsam gelernt, wie wichtig und wertvoll dieses Werkzeug ist, aber auch wie einfach es sein kann, in ein internes Fehlermanagement zu investieren." 
 

Dr. med. Armin Wunder

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Facharzt für Allgemeinmedizin aus Frankfurt am Main
"Durch die Analyse von Fehlern im Rahmen unseres Fehlerberichts- und Lernsystems haben wir in unserer Praxis systemimmanente Fehler aufgedeckt. Wir haben daraus gelernt, indem wir Abläufe verändert und angepasst haben. Ein positiver Nebeneffekt unserer gelebten Fehlerkultur ist zudem, dass von allen Mitarbeitern unseres Praxisteams ein stärkerer Teamgeist gelebt wird. Wie gut, dass im Rahmen von CIRSforte einmal über dieses Thema geredet wird!"