TK: Warum hast du dich für ein Medizinstudium in Jena entschieden?

Melissa Pabst: Ich habe mich erst für den Ort entschieden und im Nachhinein kam dann das Fach dazu. In Jena studieren wollte ich eigentlich schon immer, weil ich selbst aus Südthüringen komme. Wir sind zu Weihnachten immer nach Jena auf den Weihnachtsmarkt gefahren und da war für mich als Kind schon klar, dass ich mal in Jena studieren möchte. Mir gefällt die Stadt sehr gut und ich wollte erstmal nie so weit weg von meiner Familie und da war Jena irgendwie naheliegend. Freunde von mir haben dann gesagt, dass sie in Jena Medizin studieren, ich fand das immer schon sehr spannend und da dachte ich mir, dass ich das auch einfach mal probieren kann.

Melissa Pabst

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ehemalige Medizinstudentin

Als ich mit dem Studium angefangen habe, wollte ich unbedingt Hausärztin werden, weshalb ich auch schon mit unserem Hausarzt aus dem Dorf in Kontakt war.
Melissa Pabst

TK: Kannst du dir vorstellen, langfristig gesehen als Ärztin in Thüringen tätig zu sein, vielleicht sogar als Hausärztin?

Pabst: Ja, auf jeden Fall. Als ich mit dem Studium angefangen habe, wollte ich unbedingt Hausärztin werden, weshalb ich auch schon mit unserem Hausarzt aus dem Dorf in Kontakt war. Er hat mich schon als Kind mit dem ersten Kinderschnupfen behandelt und jetzt hat er mir mein Tauglichkeitszertifikat für die Approbation ausgestellt. Wegen der Vielzahl an Patientinnen und Patienten und deren begrenzter Aufenthaltsdauer ist so eine lange Verbindung zueinander in der Klinik gar nicht möglich. Dazu kommt, dass man als Hausärztin/Hausarzt im ländlichen Raum ja auch nochmal ein gewisses Ansehen hat. Man ist eine wichtige Person und erfährt dadurch sehr viel Wertschätzung für das, was man tut.
Für meine nächsten Schritte hat sich der Plan allerdings geändert. Ich möchte neurochirurgisch tätig sein, grundsätzlich auch gern in Thüringen. Ich finde es schön, wenn alles ein bisschen kleiner und persönlicher ist und ich die Patientinnen und Patienten dann auch einfach besser kenne und über mehrere Jahre hinweg begleiten kann.

Das vermittelt das Gefühl, dass sich Medizin nur in der Klinik abspielt.
Melissa Pabst

TK: Wie ist denn bei deinen Kommilitoninnen und Kommilitonen das Interesse, sich als Hausärztin/Hausarzt niederzulassen?

Pabst: Es sind nicht viele, die im Studium den ambulanten Zweig gewählt haben. Da haben die Dozierenden großen Einfluss, weil auch die meisten Vorlesungen von Öberärztinnen und -ärzten aus dem Uniklinikum gehalten werden und somit nur wenig aus dem ambulanten Sektor berichtet wird. Das prägt einen ziemlich und vermittelt das Gefühl, dass sich Medizin nur in der Klinik abspielt.

TK: Und wie war bzw. ist das Interesse an Thüringen?

Pabst: Das ist sehr individuell. In meinem persönlichen Freundeskreis wollen ungefähr die Hälfte bleiben und die andere Hälfte nicht. Das ist oft von den privaten Umständen abhängig, also ob beispielsweise die Partnerin oder der Partner hierbleiben möchte.

TK: Haben die meisten konkrete Vorstellungen, wenn sie ins Medizinstudium starten?

Pabst: Das ist eher ein kleinerer Teil. Es gibt einige, die zumindest schonmal eine erste Idee haben, allerdings hat sich das auch oft nochmal geändert. Manchmal ist es auch sehr lustig wie sich die Richtung nochmal komplett ändern kann. Beispielsweise wollte eine Freundin erst Kinderärztin werden und wird jetzt Rechtsmedizinerin und eine andere wollte in die Allgemeinchirurgie und wird jetzt Urologin.

TK: Wie kommt es zu solchen Änderungen?

Pabst: Ich glaube das liegt vor allem daran, dass man erst im Laufe des Studiums genauere Einblick in die einzelnen Fachrichtungen bekommt. Oft existieren gewisse Vorstellungen und auch Vorurteile zu den Fachrichtungen: Chirurgie ist doof, weil man viel stehen muss oder Hausärztin/Hausarzt sein ist langweilig, weil man nur Schnupfen behandelt. Erst nach einigen Praktika und den entsprechenden Vorlesungen zu den Richtungen ändert sich das und man merkt was das Fach eigentlich alles beinhaltet.

TK: Was schlussfolgerst du daraus?

Pabst: Das Studium sollte mehr auf die ambulante Versorgung ausrichtet sein. Es muss nicht zwingend alles in der Klinik stattfinden. Das sollte ein bisschen verpflichtender werden, damit sich am Ende vielleicht doch auch mehr für die ambulante Versorgung entscheiden. So käme es viel eher zu einem Umdenken, dass Karriere eben nicht nur im Krankenhaus möglich ist. Das sollte schon möglichst früh im Studium vermittelt werden.

Es müsste einfach mehr gute Angebote auch schon zu Beginn des Studiums geben wie beispielsweise den ärztescout.
Melissa Pabst

TK: Was müsste sich deiner Meinung nach noch in Bezug auf die Attraktivität Thüringens als Niederlassungsstandort ändern?

Pabst: Es müsste einfach mehr gute Angebote auch schon zu Beginn des Studiums geben wie beispielsweise den ärztescout. So kann bei vielen die Angst genommen werden, sich in Thüringen niederzulassen, weil das oftmals immer noch einen schlechten Ruf hat.

Innerhalb des Studiums wird man dann doch viel von den Dozierenden beeinflusst, die eher für die Klinik werben als für den ambulanten Sektor. Hier sollte den Studierenden gezeigt werden, dass man gut in der Stadt wohnen und trotzdem eine Praxis auf dem Dorf haben kann, ohne einen langen Arbeitsweg zu haben.

Auch solche Angebote wie die Praxistouren vom ärztescout finde ich sehr hilfreich, um mehr Einblicke in die Arbeit vor Ort zu bekommen. Es sollte auch früher über mögliche Förderungen von beispielsweise der KV aufgeklärt werden.

Zur Person

Melissa Pabst hat im Dezember 2022 ihr Humanmedizin-Studium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena abgeschlossen. Das Studium begann im Oktober 2016 und hat sie seitdem in viele Bereiche der Medizin schnuppern lassen, bis schließlich der Funke im Fachbereich Neurochirurgie übergesprungen ist. Aktuell schreibt sie an ihrer Doktorarbeit und will im April 2023 als Assistenzärztin in der Neurochirurgie beginnen.