Nachgefragt bei Sophie Ramdor: Gesundheitspolitik mit Zukunft
Interview aus Niedersachsen
Sophie Ramdor sitzt für die CDU im Niedersächsischen Landtag. Dort ist sie unter anderem Mitglied im Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung sowie die familienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Mit der gebürtigen Braunschweigerin haben wir uns im Rahmen des Weltgesundheitstags, der in diesem Jahr, unter dem Titel "Healthy beginnings, hopeful futures", für die Themen geburtshilfliche Versorgung und die Gesundheit von Frauen sensibilisiert, ausgetauscht. Dabei durfte ihr Blick auf wichtige und vor allem aktuelle gesundheitspolitische Themen nicht fehlen.

TK: In einer kürzlich von Ihnen initiierten "Kleinen Anfrage" an die niedersächsische Landesregierung fragten Sie nach der Sicherstellung der geburtshilflichen Versorgung im Land: Wie bewerten Sie die aktuelle Situation dieser in Deutschland und welche konkreten Maßnahmen halten Sie für notwendig, um die Qualität weiter zu verbessern?
Sophie Ramdor: Die geburtshilfliche Versorgung steht vor erheblichen Herausforderungen. Zwar wurden im Rahmen des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes bereits Fördermittel bereitgestellt, doch bleibt die konkrete Verwendung der Mittel oft undurchsichtig. Eine zweckgebundene und transparente Finanzierung ist jedoch entscheidend. Es ist klar, dass im Zuge der Krankenhausreform - insbesondere in strukturschwachen ländlichen Regionen - spezielle Vorgaben notwendig sind. Ich plädiere daher für den flächendeckenden Aufbau perinataler Kompetenzverbünde, in denen Maximalversorger, spezialisierte Zentren und Hebammenzentralen eng zusammenarbeiten. Wichtig ist außerdem, dass jetzt ab 2025 die Personalkosten der Hebammen vollständig über das Pflegebudget abgedeckt werden, um die 1:1-Betreuung in den Kreißsälen zu sichern. Wir brauchen für die Zukunft dringend Planungssicherheit - sowohl für die Krankenhäuser als auch für das Personal.
Wir brauchen für die Zukunft dringend Planungssicherheit - sowohl für die Krankenhäuser als auch für das Personal.
TK: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach gesellschaftliche Entwicklungen, wie der demografische Wandel, für die geburtshilfliche Versorgung und die langfristige Gesundheit von Müttern und Neugeborenen?
Ramdor: Der demografische Wandel führt zu einer sinkenden Geburtenzahl und gleichzeitig zu einem zunehmenden Fachkräftemangel - in der Geburtshilfe, aber auch in anderen Versorgungsbereichen. Diese Entwicklung zwingt uns, bereits jetzt in moderne und flächendeckende Versorgungskonzepte zu investieren. Gleichzeitig ist es wichtig, dass auch in der Ausbildung und im späteren Berufsleben ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen. Gerade der Ausbau der Medizinstudienplätze ist ein zentraler Baustein, um langfristig dem Ärztemangel entgegenzuwirken - für mich als Niedersächsin vor allem auch im ländlichen Raum. Eine gute medizinische und geburtshilfliche Versorgung ist untrennbar mit der Förderung des medizinischen Nachwuchses und der Attraktivität medizinischer Berufe verbunden - Aspekte, die wir als CDU unbedingt stärken wollen.
Sophie Ramdor
TK: Wie kann das Thema "Healthy beginnings, hopeful futures" in der Bildungsarbeit besser verankert werden, um sowohl werdende Eltern als auch Fachkräfte frühzeitig für die Bedeutung der perinatalen Versorgung zu sensibilisieren?
Ramdor: Gesundheitskompetenz und Aufklärung beginnen bereits in der schulischen und beruflichen Ausbildung. Es ist wichtig, Themen der perinatalen Versorgung systematisch in die Curricula von Gesundheitsberufen sowie in die Elternbildung zu integrieren. Hierfür müssen Fortbildungsangebote - etwa zu Hebammenkreißsälen und moderner geburtshilflicher Betreuung - ausgebaut werden. Wir müssen Synergien zwischen Bildungs- und Gesundheitspolitik schaffen, sodass werdende Eltern frühzeitig umfassend über ihre Möglichkeiten und Rechte informiert sind. Hierbei spielt auch der Austausch zwischen Medizin, Hebammenwesen und psychosozialen Fachkräften eine entscheidende Rolle.
Wir müssen Synergien zwischen Bildungs- und Gesundheitspolitik schaffen, sodass werdende Eltern frühzeitig umfassend über ihre Möglichkeiten und Rechte informiert sind.
TK: Welche politischen und gesellschaftlichen Schritte sind erforderlich, um die Gesundheitsversorgung vor, während und nach der Geburt langfristig sicherzustellen und dabei auch die psychosoziale Unterstützung von Eltern stärker zu berücksichtigen?
Ramdor: Ein ganzheitlicher Ansatz ist hier unabdingbar. Neben der medizinischen Grundversorgung muss auch die psychosoziale Betreuung verstärkt werden. Das bedeutet, dass Familienhebammen, psychologische Beratungsangebote und Frühe Hilfen flächendeckend ausgebaut werden müssen. Dafür müssen wir nicht nur die technische, sondern auch die zwischenmenschliche Komponente der Versorgung stärken. Wir setzen uns deshalb aktuell mit einem Antrag für den Ausbau der Babylotsen und Frühen Hilfen ein, um frühzeitig auf psychosoziale Herausforderungen in Familien aufmerksam zu werden.
TK: Ihre beruflichen Erfahrungen im Bereich Bildung und Integration wollen Sie nutzen, um für die Jüngsten in Ihrer politischen Arbeit einzutreten. Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig, um eine gerechte flächendeckende Versorgung sicherzustellen, die sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Vorteile bietet?
Ramdor: Meine langjährige Arbeit als Lehrkraft hat mir gezeigt, wie wichtig frühkindliche Förderung und ein guter Start ins Leben sind. Deshalb müssen wir in allen Regionen eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung sicherstellen - von der Geburt bis zur frühkindlichen Betreuung. Neben medizinischen Aspekten ist es entscheidend, dass Kinder frühzeitig in ihrer Sprach- und Persönlichkeitsentwicklung unterstützt werden. Der Ausbau von Kindertagesstätten, Schulsozialarbeit und integrativen Betreuungsangeboten ist dafür zentral. Das stärkt nicht nur die individuelle Entwicklung, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Im Niedersächsischen Landtag habe ich beispielsweise einen Antrag eingebracht, um kindgerechte Wiederbelebungsmaßnahmen in den Schulunterricht zu integrieren - damit Gesundheit und Lebensrettung schon früh verankert werden. Zudem habe ich dieses Jahr einen Antrag zur besseren frühkindlichen Sprachförderung initiiert.
TK: Die Krankenhausreform sorgt weiterhin für Diskussionen - insbesondere in einem Flächenland wie Niedersachsen. Welche Stellschrauben müssen in Ihren Augen gedreht werden, um eine bedarfsgerechte, hochwertige und sichere Versorgung zu gewährleisten?
Entscheidend ist, dass Patientinnen und Patienten in das fachlich bestgeeignete Krankenhaus gelangen - nicht unbedingt in das nächstgelegene.
Ramdor: Es ist unerlässlich, dass die Reform von Niedersachsen aus mitgestaltet wird, da sowohl die Planungshoheit des Landes als auch die regionalen Besonderheiten unserer Krankenhäuser berücksichtigt werden müssen. Bereits 2023 ist eine Krankenhausreform in Niedersachsen in Kraft getreten, die viele wichtige Bereiche abgedeckt hat. Die Umsetzung wurde durch die Bundesreform jedoch verzögert. In Niedersachsen dürfen Kliniken nicht pauschal nach bundesweiten Vorgaben umstrukturiert werden. Häufig führen Kliniken Behandlungen durch, für die es ihnen an Ausstattung und Erfahrung fehlt. Entscheidend ist, dass Patientinnen und Patienten in das fachlich bestgeeignete Krankenhaus gelangen - nicht unbedingt in das nächstgelegene. Gleichzeitig muss die Finanzierung der Krankenhäuser in der Fläche auskömmlich sein, um Insolvenzen zu vermeiden. Die Vergütungssystematik muss so angepasst werden, dass der tatsächliche Vorhalteaufwand - besonders in ländlichen Gebieten - angemessen honoriert wird. Eine zweckgebundene Mittelverwendung ist erforderlich, damit spezialisierte Einrichtungen wie geburtshilfliche Zentren nicht benachteiligt werden.
TK: In den Sondierungsgesprächen wurden die Weichen für ein umfassendes Finanzpaket zur Infrastruktur gestellt, das mittlerweile auch vom Bundesrat beschlossen wurde. Was glauben Sie, kann ein solches Paket bewirken, und welche Chancen sehen Sie für das Gesundheitswesen in Niedersachsen?
Ramdor: Ein solches Infrastrukturpaket kann, richtig eingesetzt, ein entscheidender Impuls für unser Gesundheitssystem sein. Es ermöglicht nicht nur den dringend notwendigen Ausbau moderner medizinischer Einrichtungen, sondern auch die flächendeckende Verbesserung der Versorgungsstrukturen - insbesondere in ländlichen Regionen und finanzschwachen Kommunen. Gleichzeitig bieten die Investitionen die Chance, auch den Ausbau der Medizinstudienplätze zu fördern. So wird langfristig nicht nur die medizinische, sondern auch die ärztliche Versorgung nachhaltig gesichert. In der neuen Koalition kommt es nun darauf an, bei der Debatte um die Verwendung der Infrastrukturmittel die Krankenhauslandschaft konsequent mitzudenken. Hier darf die neue Regierung keine Zeit verlieren.
TK: Abseits der Politik: Sie kommen gebürtig aus Braunschweig, dort liegt auch Ihr Wahlkreis. Wo kommen Sie in Braunschweig am besten zur Ruhe und können entspannen?
Ramdor: Für mich als gebürtige Braunschweigerin hat die Stadt einen ganz besonderen Charme. Zur Ruhe komme ich in einem der vielen Parks oder stadtnahen Wälder, im Austausch mit meinem privaten Umfeld oder beim Sport.
Zur Person
Sophie Ramdor ist gebürtige Braunschweigerin und hat dort 2011 das Abitur abgelegt. Anschließend hat Ramdor in Hildesheim ihre Masterabschlüsse im Grundschullehramt sowie im Studiengang Deutsch als Zweit- und Fremdsprache erworben. Bis zum Jahr 2022 war sie an einer Schule in Salzgitter tätig.
Seit 2022 ist Sophie Ramdor Mitglied des Landtags, wo sie im Kultusausschuss als stellvertretende bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion sowie im Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung als familienpolitische Sprecherin aktiv ist.