Stuttgart, 28. Februar 2024. Eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen ist es, Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen eine schnelle und korrekte Diagnose zu ermöglichen. Dank Bündelung des Fachwissens in Zentren, gezielter Steuerung der Behandlung sowie moderner Diagnostik gelingt dies nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) immer häufiger. In Tübingen wurde im Jahr 2010 bundesweit das erste Zentrum für seltene Erkrankungen (ZSE) gegründet. Derzeit werden dort jährlich rund 10.000 Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen versorgt. Mittlerweile gibt es allein in Baden-Württemberg fünf solcher Zentren, die an den Universitätskliniken in Freiburg, Ulm, Tübingen, Mannheim und Ulm angesiedelt sind. Sie sind ihrerseits wieder aufgegliedert in insgesamt 61 Zentren, die sich auf bestimmte Krankheiten spezialisiert haben wie etwa das Zentrum für Seltene Herzmuskelerkrankungen in Ulm oder das Zentrum für Seltene Blutkrankheiten in Heidelberg.

Die meisten seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt  

Von einer "seltenen Erkrankung" im medizinischen Sinn spricht man, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen an ihr erkranken. Die meisten seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt und treten bereits im Kindesalter auf. Laut Bundesgesundheitsministerium gibt es mehr als 6.000 unterschiedliche seltene Erkrankungen, jährlich kommen etwa 250 neu dazu. "Gerade für diese Patientinnen und Patienten ist eine interdisziplinäre Versorgung in einem digitalen Netzwerk von elementarer Bedeutung" sagt Nadia Mussa, Leiterin der TK-Landesvertretung Baden-Württemberg, anlässlich des Tages der seltenen Erkrankungen am 29. Februar. 

Tübingen, Heidelberg und Freiburg gehören zum Netzwerk seltene Erkrankungen

Wenn eine einfache genetische Diagnose nicht möglich ist, kann eine sogenannte "Exom-Sequenzierung" zum Einsatz kommen. Das Exom ist ein Teil des menschlichen Genoms, in dem sich die Mehrzahl der krankheitsverursachenden Mutationen befindet. Bei einer Analyse des Exoms können in vielen Fällen diese Mutationen erkannt und im Idealfall gleich therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. In Deutschland haben sich 22 Zentren für seltene Erkrankungen zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, in dem die Exom-Diagnostik praktiziert wird. Voraussetzung: Ein interdisziplinäres Expertenteam stimmt zu und eine einfache genetische Diagnosestellung ist nicht möglich. Aus Baden-Württemberg sind neben Tübingen auch die Zentren in Heidelberg und Freiburg in diesem Netzwerk vertreten.

Mehrere Krankenkassen, darunter auch die TK, haben vor rund drei Jahren einen Vertrag mit den beteiligten Kliniken abgeschlossen, um ihren Versicherten - insbesondere Kindern - einen Zugang zu dieser innovativen Diagnostik zu ermöglichen. "Durch die Zusammenführung des gesamten verfügbaren Expertenwissens in Fallkonferenzen und durch die Anwendung der Exom-Sequenzierung kann so bei rund 30 Prozent der Patientinnen und Patienten eine gesicherte Diagnose gestellt werden", betont Dr. Holm Graeßner, Geschäftsführer des ZSE Tübingen. "Und das innerhalb eines halben Jahres, was sehr bemerkenswert ist." Denn bevor dieses Verfahren etabliert wurde mussten Kinder im Durchschnitt vier Jahre und Erwachsene acht Jahre auf eine sichere Diagnose warten.

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