Junges Gemüse für ältere Menschen
Artikel aus Berlin/Brandenburg
Bewegung, Spaß und gesunde Ernährung: Beim Pflegeacker im Seniorenzentrum tanken Bewohnende wie Pflegekräfte frische Luft und gute Laune.
Geduldig pflückt die alte Dame Blättchen für Blättchen von der Zitronenmelisse. Ihre Nachbarin an den großen Tischen, die im Garten des Caritas Seniorenzentrums St. Albertus zusammengeschoben wurden, schnippelt Schnittlauch in kleine Röllchen. Der Herr im Rollstuhl, ihr gegenüber, schneidet sorgfältig frisches Basilikum in kleine Streifen.
Sechs Seniorinnen und Senioren sind heute zur "Ackersprechstunde" gekommen, um unter Anleitung der beiden Ackercoaches Romain und Natalie selbstgezogene Kräuter und Gemüse aus den drei großen Hochbeeten zu ernten und daraus leckere Quarkbrote und eine Himbeer-Zitronen-Kräuterbowle zu machen.
Verarbeitung von Kräutern und Gemüse
Pflegeacker nennt sich das Gartenprojekt in drei Berliner und Brandenburger Pflegeinrichtungen, das die TK über drei Jahre hinweg fördert.
"Es ist eine tolle Beschäftigung für unsere Bewohnerinnen und Bewohner. Sie bewegen sich, kommen an die frische Luft", sagt eine der Pflegerinnen, die ihre betagten Schützlinge bei der Gartenarbeit begleitet. "Altes Wissen wird aufgefrischt, bei vielen kommen Erinnerungen an früher hoch. All das bietet Anlass für Gespräche."
Tatsächlich haben sich die älteren Herrschaften an diesem windigen Spätsommertag viel zu erzählen. Vom großen Wochenendgrundstück, um das sich nun die Söhne kümmern. Davon, dass man Tomaten auch halbgrün ernten und auf der Fensterbank reifen lassen kann. Vom Einwecken, von den Lieblingsrezepten, von alten Zeiten.
Mangold, Tomaten und Kapuzinerkresse in den Beeten
Quarkbrote mit eigener Ernte
Es sind viele bekannte Gemüse und Kräuter, die die betagten Kleingärtnerinnen und Kleingärtner gemeinsam angepflanzt haben und auch zwischen den regelmäßigen "Ackersprechstunden" pflegen: Basilikum, Rosmarin, Mangold, Bohnen, Tomaten und Kapuzinerkresse.
Damit auch in der kühleren Jahreszeit weiter geerntet und gekocht werden kann, sollen nun Feldsalat, Spinat und Winterpostelein gesät werden. Die schwere Erde in den Beeten wird geharkt, Samenkörner in Rillen gelegt. Interessiert, aber nicht von allen ohne Ekel, werden die dicken Regenwürmer bestaunt, die sich in ihrer Ruhe gestört fühlen. "Warum sind Regenwürmer wichtig?", fragt Ackercoach Natalie in die Runde.
Die junge Frau ist eigentlich Oberstufenlehrerin für Englisch, Ethik und Philosophie und genießt es nun, statt in einem stickigen Klassenzimmer in einem grünen Garten zu stehen. "Die Arbeit mit älteren Menschen macht mir einfach sehr viel Freude", sagt sie. Und das merkt man ihr auch an. Geduldig erklärt sie, was man aus welchen Pflanzen zubereiten kann. Hilft, wo sich die älteren Menschen schwertun, lässt sie mit den Händen erfühlen, was die Augen nicht mehr sehen können.
Gärtnern fördert Bewegung und kognitive Mobilität
Kern des Projekts ist es, pflegebedürftige Menschen zu kognitiver und körperlicher Bewegung anzuregen, Einsamkeit vorzubeugen und gleichzeitig gesunde Ernährung zu fördern.
Auch die Pflegekräfte, die ihre Schützlinge im Garten begleiten, schätzen die Abwechslung zum Stationsalltag und das Wissen, das auch ihnen beim "Pflegeacker" vermittelt wird. "Ich finde es toll, wie man aus einer kleinen Fläche solch eine Ernte herausholen kann", sagt eine der Altenpflegerinnen.
Eine Erfahrung, die sie auch nach Ende des Projektzeitraums von drei Jahren noch machen wird: Der Pflegacker zielt darauf, dass das gemeinschaftliche Gärtnern an Hochbeeten dauerhaft fortgesetzt wird - auch ohne Anleitung der Ackercoaches.
Aussaat für den Winter
Zurzeit fördert die TK das Gartenprojekt in drei Pflegeeinrichtungen - neben dem Caritas Seniorenzentrum St. Albertus (Alt-Hohenschönhausen) im Caritas Seniorenzentrum St. Elisabeth (Velten) und das Haus Spreetalhof (Altglienicke).
Susanne Hertzer, Leiterin der TK in Berlin und Brandenburg, ist von der Sache überzeugt: "Zu einem schönen Lebensabend gehören nicht nur gute pflegerische und medizinische Versorgung. Damit Menschen glücklich und in Würde alt werden können, sind erfüllte Tage, die Gemeinschaft mit anderen sowie sinnstiftende Tätigkeiten ebenso wichtig."
Mit Freude bei der Gartenarbeit
Weitere Informationen
Das von der TK unterstützte Projekt Pflegeacker wird von der AckerCompany GmbH durchgeführt. Diese bietet Gartenprojekte nicht nur in Pflegeeinrichtungen, sondern auch in Kitas und Schulen sowie für Wohnanlagen und Firmen an.