"Die Qualität der Verpflegung hat einen bedeutenden Einfluss auf den Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen. Gleichzeitig sind die Mahlzeiten eines der wichtigsten Ereignisse im Alltag. Sie helfen bei der Strukturierung des Tagesablaufs und können Quelle von Genuss und Freude sein. Die Gestaltung der Verpflegung in stationären Einrichtungen hat damit einen maßgeblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner", erklärt Stefan Adam, Kreisgeschäftsführer beim BRK Kulmbach. Er ist für drei Pflegeeinrichtungen des BRK Kulmbach verantwortlich, in denen das Projekt "Genuss und Gesundheit für Seniorinnen und Senioren in stationären Einrichtungen" (GeGeSSEn) in den kommenden drei Jahren umgesetzt wird. Gefördert wird es von der TK im Rahmen der Präventionsarbeit in stationären Einrichtungen. 

Unterschiedliche Verpflegungssysteme erforschen

Die drei Pflegeeinrichtungen unterscheiden sich bezüglich ihres Ernährungskonzeptes, so dass sich Vor- und Nachteile unterschiedlicher Verpflegungssysteme gut erforschen lassen: Im größten Haus mit 88 Betten gibt es eine Großküche, die alle Bewohnerinnen und Bewohner versorgt und die gleichzeitig die Hauptmahlzeit für eine weitere Pflegeeinrichtung mit 33 Betten liefert, wo lediglich Frühstück und Abendessen selbst zubereitet werden. Und im Haus mit 60 Betten gibt es auf jedem Stockwerk eine Kochinsel, so dass beim Kochen Mitarbeitende und Bewohnerinnen bzw. Bewohner gleichermaßen eingebunden werden können.

Projekt­team GeGeSSEn

Das Projektteam von GeGeSSEn Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
von links nach rechts: Claudia Credet (TK), Dr. Ulrike Bornschlegel (FAU), Carolin Fehd (BRK), Prof. Dr. Stephanie Hagspihl (Hochschule Fulda), Prof. Dr. Dorothee Volkert (FAU), Stefan Adam (BRK), Carola Holler (Hochschule Fulda)

Essen und Lebensqualität

Welche Form der Versorgung kann die Gesundheit und Lebensqualität verbessern und damit gleichzeitig auch die wirtschaftliche Lage der Pflegeeinrichtungen positiv beeinflussen? Wie sehr wirkt sich die Ernährung in Pflegeeinrichtungen nicht nur auf die Gesundheit aus, sondern trägt auch zur Lebensqualität und Zufriedenheit der Mitarbeitenden und Bewohnerinnen und Bewohner bei? Und wie kann sich eine stationäre Pflegeeinrichtung besser auf Essgewohnheiten von Vegetariern und Vegetarierinnen und der Versorgung mit regionalen Produkten einstellen? Fragen wie diese möchte GeGeSSen beantworten. 

Nachhaltige Versorgungssysteme

Erkenntnisse aus anderen Untersuchungen werden im Projekt angewandt und weiter erprobt. "Nicht nur der Speiseplan, auch die pflegerischen Aktivitäten rund ums Essen und Trinken und die regelmäßige Erfassung der Ernährungssituation sind für eine gute Verpflegung entscheidend", weiß Prof. Dr. Dorothee Volkert, Professorin für klinische Ernährung im Alter an der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg-Erlangen (FAU). "Die Qualität der Verpflegung hängt von den zur Verfügung stehenden Ressourcen und der Gestaltung der Prozesse ab", ergänzt Prof. Dr. Stephanie Hagspihl, Leiterin des Wissenschaftlichen Zentrums für Ernährung, Lebensmittel und nachhaltige Versorgungssysteme der Hochschule Fulda.

Flankierend sitzen weitere Expertinnen und Experten wie Prof. Dr. Hannelore Daniel, Jun. Prof. Dr. Tina Barthelmeß, Jun. Prof. Dr. Laura M. König, Landrat Klaus Peter Söllner im Beirat, der das Projekt begleitet und die Projektleiter Stefan Adam und Carolin Fehd vom BRK bei der Umsetzung unterstützt. Besonders vorangetrieben hat das Projekt der Kulmbacher Landrat und Vorsitzender des BRK Kreisverbandes Kulmbach Klaus Peter Söllner, für den GeGeSSEn gerade deshalb zur Region passt, weil Kulmbach aufgrund großer regionaler Nahrungsmittelhersteller als Zentrum der Ernährung gilt. 

Lebensmittel- und Speisereste minimieren und regional einkaufen

Ausreichend und gut geschulte Mitarbeitende, ein funktionierendes Schnittstellenmanagement und eine zum Verpflegungskonzept passende räumliche und technische Ausstattung sind wichtige Grundlagen für eine gute Verpflegungsqualität. Durch eine bedarfsgerechte Speiseplanung und -portionierung können Lebensmittel- und Speisereste minimiert und durch den Einkauf regionaler Lebensmittel kann die Verpflegung nachhaltiger gestaltet werden. Ein vielfältiger, an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. ausgerichteter Speiseplan kann die Gesundheit der Pflegebedürftigen fördern und auf unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse eingehen. 

Unverträglichkeiten im Blick

"Auch Unverträglichkeiten spielen eine Rolle", ergänzt Adam. "Verursachen bestimmte Speisen bei Seniorinnen und Senioren mit einer Milchzuckerunverträglichkeit beispielsweise Durchfall, werden wertvolle Kapazitäten für die Versorgung der Erkrankten sowie die Reinigung benötigt, die eigentlich woanders dringend gebraucht werden." Eine bedarfsgerechte Verpflegung spart somit Zeit und Geld. Pflegebedürftige Menschen haben darüber hinaus ein hohes Risiko für eine Mangelernährung und in deren Folge für eine Verschlechterung der bereits bestehenden Erkrankungen und Einschränkungen zum Beispiel der Mobilität.

"Müdigkeit, allgemeine Schwäche, Antriebslosigkeit und Gewichtsabnahme werden oftmals als 'Altersschwäche' abgetan. Dabei steckt in vielen Fällen eine Unterversorgung mit Energie, Eiweiß und/oder wichtigen Nährstoffen dahinter. Daher ist es wichtig solch eine Mangelversorgung zu vermeiden und bedarfs- und bedürfnisgerecht gerade in der Senioreneinrichtung zu versorgen", bemerkt Dr. Ulrike Kreinhoff, Projektpartnerin von der DGE in Hessen. "Deshalb ist jede Mahlzeit wichtig, egal wie klein sie ist."

Mit Essen, das gesund ist, schmeckt und an individuelle Bedürfnisse von Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeeinrichtungen angepasst ist, kann effektiv gegen den Verlust an Gewicht und Muskelkraft vorgegangen und damit neben einer besseren Lebensqualität für die betroffenen Personen auch langfristig eine Senkung der Gesundheitskosten erzielt werden. Ein ausgewogener Speiseplan, angenehme Tischkultur und Essatmosphäre tragen zudem zur Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch zur Mitarbeiterzufriedenheit bei. 

Positiver Effekt für andere Pflegeeinrichtungen

In den kommenden Monaten sollen die aktuellen Formen der Verpflegung in den drei Einrichtungen des BRK analysiert werden, danach wird gemeinsam mit Mitarbeitenden und Pflegebedürftigen erarbeitet, wie die Ernährungsversorgung noch weiter verbessert werden kann. Ganz individuelle praxisorientierte Schulungen werden an den Bedürfnissen jeder einzelnen Pflegeeinrichtung ausgerichtet. Die Workshops in Theorie und Praxis zu verschiedenen Themen (zum Beispiel Essen und Trinken bei Demenz oder das wichtige Thema Trinken) werden nach aktuellen Empfehlungen durch die Sektion Hessen - DGE e. V. durchgeführt.  

Erweisen sich die Verbesserungsansätze als erfolgreich, werden daraus im Rahmen der freien Forschung an der FAU und Hochschule Fulda Empfehlungen für andere Pflegeeinrichtungen abgeleitet. "So soll nicht nur die Verpflegung an den Projektstandorten verbessert werden, sondern ein positiver Effekt für viele weitere Pflegeeinrichtungen entstehen", sagt Adam.

Auch in der TK-Ernährungsstudie 2023 "Iss was, Deutschland!" wurde das Ernährungsverhalten älterer Menschen untersucht und das Thema  Gemeinschaftsverpflegung  diskutiert.