TK: Die Mediennutzung hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wieso bedarf es einem Angebot für Medienbildung in der Kita? 
 
Prof. Dr. Ines Sura: Innerhalb der handlungsorientierten Medienpädagogik herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es sich bei Medienbildung um einen lebenslangen Bildungsprozess handelt, soll heißen: Dieser Prozess ist nie abgeschlossen. Das bedeutet gleichzeitig auch, medienpädagogische Begleitung sollte von Beginn an stattfinden. Kinder kommen sehr früh mit unterschiedlichen Medien indirekt und direkt in Kontakt - sie werden fotografiert oder hören Musik zum Einschlafen, ihnen wird vorgelesen oder sie sehen ihre Großeltern in Videokonferenzen auf den Bildschirmen und nicht zuletzt beobachten sie ständig, wie die erwachsenen Bezugspersonen um sie herum digitale Geräte benutzen.

Prof. Dr. Ines Sura

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Juniorprofessorin für Medienbildung und Medienpädagogik an der Universität Greifswald

Früher oder später entwickeln Kinder dann eigene Medienvorlieben. Sie nutzen bestimmte Apps besonders gerne oder dürfen Kinderserien beziehungsweise Filme schauen und identifizieren sich mit ihren "Medienheldinnen und Medienhelden". All diese Dinge sollten medienpädagogisch begleitet werden. Erziehungsberechtigte und Kitas stehen hier gemeinsam für eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft und sind verantwortlich dafür, dass schon die Kleinsten einen gesunden und souveränen Umgang mit den Medien lernen, von denen sie alltäglich umgeben sind.
 
TK: In dem Angebot kommt den Erziehungsberechtigten eine zentrale Rolle zu. Was sollten diese bei der Medienerziehung ihrer Kinder besonders beachten? 
 
Sura: Der wichtigste Punkt ist wahrscheinlich, Erziehungsberechtigte wieder für ihre Vorbildfunktion zu sensibilisieren. Wir wissen schon sehr lange, dass Kinder nicht den verbalen Aufforderungen und Ratschlägen ihrer Erziehenden, sondern dem Beispiel folgen. Wenn Erziehungsberechtigten also eine maßvolle Mediennutzungszeit besonders wichtig ist, sollten sie dies auch selbst so vorleben.

Weiterhin werden wir nicht müde zu betonen, dass Kinder in dieser frühen Phase Medien nie unbegleitet nutzen sollten. Nicht nur, weil es so schwierig vorherzusehen ist, ob und wann das Kind von dem Medieninhalt überfordert oder verängstigt werden könnte, sondern auch, weil die begleitenden Gespräche so wertvoll für die kindliche Entwicklung und die Bindung zueinander sind. Zusätzlich erlebe ich oft auch Erziehungsberechtigte als fast schon beschämt, wenn das Thema "Medien in der Familie" angesprochen wird. An dieser Stelle werben wir für einen offenen Austausch mit anderen Erziehenden, denn die Herausforderungen beispielsweise bezüglich Regeln zum Medienumgang sind doch mehrheitlich überall gleich. Es wird ebenso häufig übersehen, dass es auch so etwas wie "wertvolle gemeinsame Medienzeit" innerhalb der Familie geben kann. Wir bringen Erziehungsberechtigten bei, wie ein kreative Mediennutzung mit Kindern aussehen kann, damit sie nicht in dem Modus der passiven Konsumenten und Konsumentinnen verbleiben. 

Es wird häufig übersehen, dass es auch so etwas wie "wertvolle gemeinsame Medienzeit" innerhalb der Familie geben kann. Prof. Ines Sura, Juniorprofessorin für Medienbildung und Medienpädagogik an der Universität Greifswald

 TK: WebbyVersum soll nun nach seiner Pilotphase bundesweit ausgeweitet werden. Auch Schleswig-Holstein wird zukünftig Testregion des Projekts. Welche Erkenntnisse konnten Sie bisher aus dem Projekt ziehen? 
 
Sura: Ich merke immer wieder, wie leicht es ist, pädagogische Fachkräfte für das Thema zu begeistern, wenn sie erst einmal die Gelegenheit hatten, einige der kreativen Methoden und die begleitenden Materialien - wie das Bilderbuch "Lotta und Klicks" und die App "Fiete Bastelversum" - selbst auszuprobieren. Die Relevanz von Gesundheitsförderung und Medienkompetenz ist den meisten schon vorher gänzlich bewusst. Ihnen fehlt einfach noch das Know-how dazu, wie sie beides miteinander verbinden und konkret umsetzen können.

Da wir im WebbyVersum einen praxisnahen und alltagsintegrierten und keinen technikorientierten Ansatz verfolgen, steigt die Motivation dann auch ziemlich schnell, die Dinge einfach mal auszuprobieren und sich als Kollegium gemeinsam auf den Weg zu machen, digitale Medien in die pädagogische Arbeit zu integrieren und zum Gegenstand zu machen. Eine andere Erkenntnis wäre die zentrale Rolle der Erziehungsberechtigten- wenn diese nicht einbezogen werden, können die Ziele von WebbyVersum nicht erreicht werden. Erziehende wollen über die medienpädagogischen Angebote der Einrichtung informiert sein, sie wünschen sich Beratung zu "guter" Mediennutzung und reagieren zumeist auch positiv, wenn Medienerziehung nicht mehr allein in ihrer Zuständigkeit liegt.
 
TK: Wie soll es nun weitergehen? Was sind die langfristigen Ziele? 
 
Sura: Langfristig wollen wir WebbyVersum als ein bundesweites Angebot für Kitas verstanden wissen, welches einen niedrigschwelligen Zugang zum Thema "Digitale Bildung" ermöglicht. Der ausgewiesene Gesundheitsschwerpunkt ist uns dabei besonders wichtig, denn in der frühkindlichen Bildung ist Medienkompetenz vor allem eine Lebenskompetenz, die Kinder bei der Frage danach, wie ein sicherer und guter Medienumgang aussieht, Orientierung bieten soll.