Nach dem Ende der Corona-Pandemie stellt sich auch für Thüringen die Frage, welche Lehren aus der Akutphase für die künftige Aufstellung des Gesundheitswesens im Freistaat zu ziehen sind. Dies betrifft neben der Fortentwicklung der medizinischen Versorgungsstrukturen auch die künftige Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes oder Aspekte der Gesundheitskommunikation. 

Medizinische Daten für Forschung nutzen

Prof. Dr. Mathias Pletz, Präsident der Paul-Ehrlich-Gesellschaft und Direktor des Institutes für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am UKJ, hielt die Keynote zu Erfahrungen und Lehren aus der Corona-Pandemie. Er plädierte unter anderem dafür, dass medizinische Daten auch in Deutschland mehr und schneller für die Forschung und Wissenschaft erfasst und genutzt werden. 

Heike Werner, Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (DIE LINKE), lobt die Zusammenarbeit aller Beteiligten während der Pandemie - das entstandene Vertrauen trage noch heute. Die wichtige Rolle des ÖGD sei in dieser Zeit deutlicher geworden als je zuvor.

Der Gedanke, dass der ÖGD eine zentrale Rolle im Gesundheitssystem einnehmen muss, existiert laut Tina Rudolph , Ärztin, Mitglied des Deutschen Bundestages (SPD) und Mitglied im Gesundheitsausschuss, schon länger. Durch die Pandemie sei allerdings auch in diesem Bereich vieles schneller möglich gewesen, sagte sie mit Verweis auf den Pakt ÖGD. 

Schlüsselrolle für den ÖGD bei Prävention

In der von Nils Kawig, Chefredakteur der Ostthüringer Zeitung (OTZ), moderierten Podiumsdiskussion zum Thema  "Bilanz und Herausforderungen für den Öffentlichen Gesundheitsdienst" erläuterte Dr. Isabelle Oberbeck, Leiterin des Gesundheitsamtes Weimar, wie sie die Pandemiejahre erlebt hat. Sie appellierte unter anderem, den Öffentlichen Gesundheitsdienst nach all den Errungenschaften nicht wieder zu vernachlässigen. Nur so könne das engagierte Personal gehalten werden. 

Auf dringenden Handlungsbedarf bei der Digitalisierung wies Dr. Hans-Jörg Bittrich, Präsident der Landesärztekammer Thüringen hin. Man müsse die Gesundheitsdaten jedes Menschen eindeutig zusammenführen können. Datenschutzbedenken dürften diesem medizinisch nötigen Austausch nicht entgegenstehen, sagte er mit Verweis darauf, dass viele andere europäische Länder bereits seit Jahren dazu in der Lage seien. 

Laut Guido Dressel, Leiter der TK-Landesvertretung Thüringen, ist die Herausforderung, Gesundheitsversorgung mit deutlich weniger Menschen zu organisieren, im Freistaat besonders dringlich. Dabei könne der ÖGD eine Schlüsselrolle spielen. Für den ÖGD ergeben sich als dritte Säule im Gesundheitswesen wichtige Aufgaben in einem viel breiteren Spektrum als Infektions- und Katastrophenschutz. Besonders im Bereich der Prävention könnten die Gesundheitsämter in den Kommunen und kreisfreien Städten viel leisten, da sie vor Ort zielgenau und umfassend agieren können. 

ÖGD-Gesetz überfällig

Einig waren sich alle Beteiligten über die zentrale Rolle eines ÖGD-Gesetzes für Thüringen. Es soll regeln, wie und mit welcher Aufrichtung die Gesundheitsämter künftig arbeiten. Sowohl Dr. Oberbeck als auch Dr. Bittrich forderten, dass die Gesundheitsämter am Gesetz beteiligt werden. Auch einen Tarifvertrag für den ÖGD möchten beide. 

Zu den Weimarer Gesprächen zum Gesundheitswesen laden das Universitätsklinikum Jena (UKJ) und die TK-Landesvertretung Thüringen seit mehr als 20 Jahren gemeinsam ein. Mit Fachexpertinnen und -experten und mit der Politik wird jeweils zu einem gesundheitspolitischen Thema diskutiert, das für den Freistaat im jeweiligen Jahr von besonderer Bedeutung ist. Die Veranstaltung lebt vom Austausch. Fragen und Beiträge des Publikums sind ausdrücklich erwünscht. 

Bilder von den Weimarer Gesprächen zum Gesundheitswesen 2023