Stuttgart, 14. Juli 2023. Immer mehr Studierende in Baden-Württemberg erhalten Antidepressiva. Das zeigt der aktuelle Gesundheitsreport 2023 der Techniker Krankenkasse (TK). Demnach ist der Anteil der Studierenden, die Antidepressiva verordnet bekommen haben, von 2019 (4,2 Prozent) auf 2022 um 20 Prozent gestiegen. Insgesamt 5,14 Prozent der Studierenden bekamen 2022 mindestens ein Rezept gegen Depressionen verschrieben. Im Ländervergleich gab es damit nur in Schleswig-Holstein noch mehr Verordnungen dieser Kategorie (5,2 Prozent).

Diagnose Depression gegen Trend

"Es ist nicht neu, dass ein Studium vor allem in Prüfungszeiten Stress bedeutet. Es ist allerdings beunruhigend, wenn der Druck bei so vielen Studierenden ein Ausmaß annimmt, das sie allein nicht bewältigen können, und sogar medizinische Unterstützung benötigen", erklärt Nadia Mussa, Leiterin der TK-Landesvertretung in Baden-Württemberg. Grundsätzlich gehe es Studierenden gesundheitlich besser als gleichaltrigen Erwerbstätigen, aber bei der Diagnose Depression zeige sich ein anderes Bild: Während 2019 noch 7,7 Prozent der TK-versicherten Studierenden in Baden-Württemberg die Diagnose Depression erhielten, waren es im Jahr 2021 schon 9 Prozent. Das entspricht einem Anstieg von 16,5 Prozent. Von den nicht studierenden Erwerbstätigen gleichen Alters waren im Jahr vor Corona 6,9 Prozent an einer diagnostizierten Depression erkrankt - 2021 ist der Anteil ebenfalls, aber etwas moderater, auf 7,5 Prozent gestiegen. 

Forsa-Umfrage bestätigt Abrechnungsdaten

Gestützt werden die Erkenntnisse aus den Abrechnungsdaten durch eine begleitende Forsa-Umfrage der TK. Dabei gaben 68 Prozent der bundesweit 1.000 befragten Studierenden an, aktuell oder in den letzten 12 Monaten durch Stress emotional erschöpft zu sein. 59 Prozent klagen über Kopfschmerzen, 53 Prozent leiden unter Konzentrationsstörungen und 43 Prozent haben Schlafprobleme. "Wer permanent unter Stress und den entsprechenden Folgesymptomen leidet, kann langfristig einen Burnout entwickeln. Die Gesamtschau ergibt, dass ein gutes Drittel der Studierenden gefährdet sind", so Mussa.

Prüfung ist Stressquelle Nummer Eins

Zu den wichtigsten Stressauslösern gehören laut TK-Umfrage Prüfungen (51 Prozent), Mehrfachbelastung durch Studium und nebenbei arbeiten (33 Prozent), Angst vor schlechten Noten (28 Prozent), schwieriger oder umfangreicher Lernstoff (28 Prozent) sowie finanzielle Sorgen (23 Prozent). Auch die coronabedingten Einschränkungen im Studium und im Alltag wirken nach. 35 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich durch die Folgen der Pandemie belastet fühlen.

Stressbewältigung als Kernkompetenz

"Die angehenden Fach- und Führungskräfte sollten sich während des Studiums nicht nur fachliche Kompetenzen aneignen, sondern auch lernen können mit Stress-Situationen umzugehen, und nach einer Phase der Anspannung für Ausgleich und Regeneration zu sorgen", findet TK-Leiterin Mussa. In der heutigen Zeit gehöre auch das zu den Schlüsselqualifikationen für Führungskräfte. Gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat die TK beispielsweise das erste evidenzbasierte Stresstraining für Studierende entwickelt und die positiven Effekte in einer Studie nachgewiesen.

TK unterstützt SGM an Hochschulen

Außerdem ist die Kasse an zahlreichen öffentlichen Hochschulen in Baden-Württemberg aktiv, und unterstützt sie dabei ein studentisches oder universitäres Gesundheitsmanagement zu etablieren. Ziel ist es, Studierenden, Mitarbeitenden, Forschenden und Lehrenden ein bestmögliches gesundes Arbeitsumfeld zu bieten. Nachhaltige Lösungen und eine intensive Prozessbegleitung sind dabei zentral. "Kursangebote für den Einzelnen sind dabei nur ein Bestandteil. Es muss auch darum gehen, die Verhältnisse gesundheitsfördernd zu gestalten", betont Mussa. Die Universitäten könnten beispielsweise durch eine Entzerrung von Prüfungsterminen und Abgabefristen oder einen bewegungsfreundlichen Campus für Entspannung sorgen.

Hinweis für die Redaktion

Für den Gesundheitsreport 2023 wertete die TK die Krankschreibungen der 5,6 Millionen bei der TK versicherten Erwerbspersonen aus. Dazu zählen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und Empfänger von Arbeitslosengeld I. Für das Schwerpunktthema "Gesundheit Studierender" wurden zudem die Arzneimittelverordnungen sowie ambulante Diagnosedaten von etwa 270.000 Studierenden im Alter zwischen 20 und 34 Jahren mit eigener TK-Versicherung in den Jahren 2006 bis 2022 ausgewertet, davon rund 28.000 mit Wohnsitz Baden-Württemberg. Zusätzlich hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa für die repräsentative Umfrage im Auftrag der TK vom 5. bis 20. Januar 2023 telefonisch bundesweit insgesamt 1.000 Studierende ab 18 Jahren zu ihrer Gesundheit befragt. Die Vergleichszahlen stammen aus dem TK-Campus-Kompass aus dem Jahr 2015.