Die schwierige wirtschaftliche Situation vieler Kliniken im Land verdeutlicht, dass eine umfassende Finanz- und Strukturreform dringend erforderlich ist, um die stationäre Versorgung zukunftsfest auszugestalten. Es ist offensichtlich, dass wir es uns nicht mehr leisten können, diese Herausforderung weiter aufzuschieben und knappe personelle sowie finanzielle Ressourcen zum Beispiel auf zu viele Krankenhausbetten zu verteilen. Im Ranking der OECD-Länder verfügen lediglich Japan und Korea über mehr Betten als Deutschland und diese sind - angesichts sinkender Fallzahlen - noch nicht einmal ausgelastet. Die Strukturen der stationären Versorgung müssen daher dringend modernisiert werden, damit auch in Zukunft eine effiziente Versorgung auf qualitativ hohem Niveau gewährleistet ist. 

Jörn Simon

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Leiter der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz

Stationäre Strukturen müssen dringend modernisiert werden

Die Strukturen der stationären Versorgung müssen dringend modernisiert werden, damit auch in Zukunft eine effiziente Versorgung auf qualitativ hohem Niveau gewährleistet ist. Allerdings sind wir aktuell von dieser Idealsituation noch ein ganzes Stück entfernt: Während viele Kliniken defizitär haushalten und über finanzielle Nöte klagen, steigen die Ausgaben der Krankenkassen für den stationären Bereich kontinuierlich an. Demnach sind allein in Rheinland-Pfalz die Ausgaben der TK für den stationären Sektor binnen einer Dekade um nahezu 50 Prozent gestiegen. Während sich die Aufwendungen im Jahr 2012 für diesen Bereich auf rund 657 Millionen Euro bezifferten (651 Euro pro Versicherten), beliefen sich die Kosten 2022 bereits auf 984 Millionen (935 Euro pro Versicherten). Dabei ist der Krankenhausbereich bekannterweise nicht das einzige Gebiet, in dem die Kosten steigen.

Investitionskostenfinanzierung seitens der Länder war und ist unzureichend

 Gleichzeitig kommen die Bundesländer - darunter auch Rheinland-Pfalz - bereits seit Jahren ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Investitionskostenförderung nur unzureichend nach. 1993 beteiligten sich die Bundesländer finanziell noch an Neubauten, Instandhaltung und der Anschaffung von Großgeräten der Kliniken mit neun Prozent der Gesamtkosten, heute sind es nur noch etwas mehr als drei Prozent. Einem Bericht des Deutschen Ärzteblatts vom August dieses Jahres zur Folge, sei beispielsweise in Rheinland-Pfalz für den Zeitraum von 1991 bis 2014 allein ein Investitionsdefizit von rund einer Milliarde Euro aufgelaufen. 

Kliniken konkurrieren zunehmend um Patienten

Um ausreichend Erlöse zu generieren, konkurrieren Krankenhäuser daher zunehmend um die Behandlung von Patienten - teils auch um jene, für deren Versorgung das ein oder andere Haus weder adäquat ausgestattet ist noch über die notwendige Routine bei den entsprechenden Eingriffen verfügt. Diese Mengenausweitung ist allerdings nicht im Sinne des Patienten. So zeigt eine Auswertung des TK-Zweitmeinungsvertrags "Rücken" etwa, dass 87 Prozent der Eingriffe rund um die Wirbelsäule unnötig sind. Obwohl die Patientinnen und Patienten eine Krankenhauseinweisung zwecks operativen Eingriffs erhalten hatten, kamen sie nach einer Überprüfung in speziellen Schmerzzentren langfristig ohne Operation aus. 

20 Prozent der Schlaganfallpatienten werden außerhalb zertifizierter Häuser versorgt

Auch wenn sich bei der Schlaganfallversorgung inzwischen vieles getan hat, betonte Professor Otto Busse, der ehemalige Sprecher der Stroke-Unit-Zertifizierungskommission, in einem Interview, geführt im Oktober dieses Jahres mit dem "Tagesspiegel Background", dass immer noch rund 20 Prozent der Patienten nicht in den entsprechend zertifizierten Häusern versorgt werden. Ähnlicher Verbesserungsbedarf besteht, wenn es um die Behandlungsqualität von onkologischen Erkrankungen geht. Obwohl Deutschland über ein breites Netz an qualifizierten Krebszentren verfügt, wird jede und jeder Zweite außerhalb spezialisierter Einrichtungen behandelt. Auch Herzinfarkte werden in Deutschland nicht ausreichend oft in der hierfür adäquat ausgestatteten Klinik versorgt.

Die Krankenhausreform birgt große Chancen

Diese Beispiele zeigen, dass die Krankenhausreform nicht nur eine große Chance birgt, den finanziellen Druck der Kliniken zu reduzieren; noch dringender geht es darum, durch eine stärkere Leistungskonzentration die Behandlungsqualität zu erhöhen, obwohl wir auf eine immer älter werdende Gesellschaft bei gleichzeitigem Fachkräftemangel zusteuern. Dabei muss selbstverständlich eine flächendeckende Grundversorgung ebenso gewährleistet sein, wie das Vorhandensein von spezialisierten Zentren. Die Krankenhausreform kann jedoch nur die gewünschten Erfolge bringen, wenn sie nicht verwässert wird. Es gilt konsequent bundeseinheitliche Qualitätsanforderungen auf Basis von Leistungsgruppen zu etablieren, ohne dass durch Ausnahmetatbeständen und Sonderregelungen deren Effekt wieder ad absurdum geführt wird.

Stärkere Ambulantisierung entspricht Versichertenwunsch und reduziert Kosten

Darüber hinaus muss bei der Reform maßgeblich berücksichtigt werden, dass viele Eingriffe inzwischen gar nicht mehr im Krankenhaus durchgeführt werden müssen. Auch das kommt der Mehrheit der Versicherten entgegen, die - wie Umfragen im Auftrag der TK zeigen - eine stärkere Ambulantisierung begrüßen würden. 

Vorhaltefinanzierung darf kein Ersatz für mangelnde Investitionsförderung sein

Auch die veränderte Vergütungslogik, die mit der Reform implementiert werden soll, wird von der TK grundsätzlich begrüßt. Voraussetzung ist allerdings, dass beispielsweise die Vorhaltekosten nur an Kliniken fließen, die für die entsprechende Leistungserbringung auch notwendig und adäquat ausgestattet sind. Die Vorhaltefinanzierung darf nicht dazu dienen, die fehlende Investitionsfinanzierung der Länder auszugleichen oder weiterhin überholte Klinikstrukturen zu erhalten. Der Rückbau als auch der Aufbau stationärer Kapazitäten kostet bekanntlich viel Geld, so dass nun zunächst einmal die Frage, wie die anfallenden Transformationskosten gemeinsam gestemmt werden können, befriedigend beantwortet werden muss. Eines ist dabei für mich klar: Dieser Finanzposten darf nicht erneut an der Gemeinschaft der Beitragszahlerinnen und -Zahler hängen bleiben.