TK: Welche spezifischen Schulungsinhalte werden in den Kursen zur hospizlichen Sterbe- und Trauerbegleitung behandelt und warum sind diese Themen für die Mitarbeitenden in Pflegeeinrichtungen besonders wichtig?

Elisabeth Beerling-Albert: Die Schulung umfasst alle Berufsgruppen in der Einrichtung, denn eine gelebte Hospizkultur betrifft nicht nur die Pflegekräfte, sondern auch Hauswirtschaft, Verwaltung, soziale Betreuung, Technik und alle weiteren Mitarbeitenden. Jeder im Haus begegnet den Bewohnerinnen und Bewohnern in unterschiedlichen Situationen und kann dazu beitragen, eine Atmosphäre der Würde und Fürsorge zu schaffen. Die Schulungsinhalte reichen daher von Grundlagen der hospizlichen Haltung und Kommunikation über den Umgang mit Trauer und Abschied bis hin zu praktischen Aspekten wie Ritualen oder der Gestaltung einer angemessenen Abschiedskultur. Es wird vermittelt, wie alle Mitarbeitenden - unabhängig von ihrer Funktion - sterbende Menschen und deren Angehörige unterstützen können. Diese Themen sind wichtig, weil das Sterben nicht nur ein pflegerisches, sondern ein gemeinsames Anliegen ist. Wenn sich alle im Haus sicherer im Umgang mit Tod und Trauer fühlen, erleben Sterbende eine umfassende Begleitung, und die gesamte Einrichtung gewinnt an Qualität und Menschlichkeit.

TK: Wie wird den Mitarbeitenden in der Schulung geholfen, Ängste und Überforderung im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu überwinden? Gibt es besondere Methoden oder Ansätze, die hierbei eingesetzt werden?

Beerling-Albert: Viele Menschen haben Berührungsängste mit dem Thema Sterben - unabhängig davon, ob sie in der Pflege arbeiten oder in anderen Bereichen der Einrichtung tätig sind. Die Schulung setzt deshalb auf erfahrungsorientierte Methoden: Reflexionsübungen, Fallbesprechungen, biografische Arbeit und gemeinsame Gespräche schaffen Raum, sich mit eigenen Unsicherheiten auseinanderzusetzen.

Wichtig ist, dass keine beziehungsweise keiner allein gelassen wird. Ein besonderer Ansatz ist das gemeinsame Lernen: Wenn alle Berufsgruppen gemeinsam geschult werden, entsteht ein unterstützendes Netzwerk. Die Erfahrung zeigt, dass sich Ängste reduzieren, wenn das Thema offen angesprochen wird und die Mitarbeitenden konkrete Handlungsmöglichkeiten erhalten.

Wichtig ist, dass keine beziehungsweise keiner allein gelassen wird. Elisabeth Beerling-Albert, Vorsitzende der Hospizstiftung Niedersachsen

Elisa­beth Beer­ling-Albert

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Vorsitzende Hospizstiftung Niedersachsen

TK: Inwiefern verändert sich die Haltung und Resilienz der Mitarbeitenden nach der Teilnahme an der Schulung? Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie sich die Handlungsfähigkeit im Alltag verbessert hat?

Beerling-Albert: Nach der Schulung erleben viele Mitarbeitende mehr Sicherheit und Gelassenheit im Umgang mit sterbenden Bewohnerinnen und Bewohnern und ihren Angehörigen. Eine Hauswirtschaftskraft erzählte beispielsweise, dass sie früher unsicher war, wenn ein Bewohner in seinen letzten Tagen nicht mehr essen mochte. Heute versteht sie, dass das ein natürlicher Prozess ist - und kann stattdessen durch kleine Gesten wie das Anbieten eines kühlen Waschlappens oder das Halten der Hand Unterstützung leisten. Auch Mitarbeitende aus der Verwaltung berichten, dass sie nun sensibler auf Angehörige eingehen können - etwa, indem sie nach einem Todesfall bewusst Raum für ein Gespräch geben. Solche kleinen, aber wichtigen Veränderungen tragen dazu bei, dass sich die gesamte Einrichtung als Team versteht, das Sterbende und Trauernde begleitet.

TK: Welche konkreten Vorteile haben die Schulungen für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie deren Angehörige?

Beerling-Albert: Bewohnerinnen und Bewohner spüren, wenn in einer Einrichtung eine offene, mitfühlende Haltung gelebt wird. Sie erfahren mehr Zugewandtheit, haben keine Angst davor, über ihre Wünsche zu sprechen, und werden in ihrer letzten Lebensphase nicht allein gelassen.

Bewohnerinnen und Bewohner spüren, wenn in einer Einrichtung eine offene, mitfühlende Haltung gelebt wird. Elisabeth Beerling-Albert, Vorsitzende der Hospizstiftung Niedersachsen

Für Angehörige bedeutet eine gelebte Hospizkultur oft eine große Erleichterung. Wenn sie erleben, dass nicht nur die Pflegekräfte, sondern auch andere Mitarbeitende mit Achtsamkeit auf die Situation eingehen, gibt das Sicherheit und Vertrauen. Besonders wertvoll ist es, wenn Angehörige spüren, dass sie willkommen sind - sei es durch ein offenes Gespräch, eine unterstützende Geste oder einfach das Gefühl, dass Sterben in diesem Haus einen würdigen Platz hat.

TK: Wie wird der Erfolg der Schulungen und der Hospizkultur langfristig sichergestellt?

Beerling-Albert: Eine einmalige Schulung reicht nicht aus, um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken. Deshalb setzen wir auf verschiedene Maßnahmen: regelmäßige Fortbildungen, Austausch im Team, Supervisionen und feste Ansprechpartnerinnen und -partner in der Einrichtung, die das Thema weitertragen.

Zudem ist es entscheidend, dass eine Hospizkultur nicht nur auf individueller Ebene gelebt wird, sondern auch strukturell verankert ist - etwa durch eine bewusste Abschiedskultur, eine klare Haltung der Leitung oder Kooperationen mit Hospizdiensten. Langfristig wird sich eine Hospizkultur dann erfolgreich etablieren, wenn sie nicht als Zusatzaufgabe, sondern als fester Bestandteil des Arbeitsalltags verstanden wird. 

TK: Welche Rückmeldungen erhalten die Mitarbeitenden hinsichtlich ihrer besonderen hospizlichen Arbeit von den Bewohnenden und Angehörigen?

Beerling-Albert: Immer wieder berichten Mitarbeitende, dass sich die Atmosphäre in der Einrichtung verändert, wenn eine hospizliche Haltung bewusst gelebt wird. Bewohnerinnen und Bewohner fühlen sich geborgen, weil sie wissen, dass über das Thema Sterben gesprochen werden darf. Angehörige wiederum danken oft für die liebevolle Begleitung - nicht selten hören wir Sätze wie: "Es hat mir gutgetan zu wissen, dass mein Vater bis zuletzt in guten Händen war."

Bewohnerinnen und Bewohner fühlen sich geborgen, weil sie wissen, dass über das Thema Sterben gesprochen werden darf.  Elisabeth Beerling-Albert, Vorsitzende der Hospizstiftung Niedersachsen

Auch für die Mitarbeitenden selbst ist diese Rückmeldung wertvoll. Es gibt ihnen das Gefühl, dass ihre Arbeit nicht nur eine Pflicht, sondern ein bedeutender Beitrag zu einem würdevollen Lebensende ist.

TK: Was war Ihr Impuls, sich dem Thema Tod und Trauer zu widmen?

Beerling-Albert: Mich hat immer bewegt, wie sehr das Sterben unser aller Leben betrifft - und doch oft ausgeklammert wird. Gerade in Pflegeeinrichtungen merkte ich, dass viele Mitarbeitende sich unsicher fühlen oder glauben, nicht "zuständig" zu sein. Dabei ist Sterbebegleitung keine exklusive Aufgabe einzelner Berufsgruppen, sondern ein gemeinschaftliches Anliegen. Jede und jeder - unabhängig von der Funktion - kann dazu beitragen, dass Menschen in ihrer letzten Lebensphase gut begleitet werden. Entscheidend ist, eine multiprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu ermöglichen, in der Wissen geteilt, Verantwortung gemeinsam getragen und Konkurrenzdenken überwunden wird. Dies sichtbar zu machen und Strukturen zu schaffen, die diese Haltung unterstützen, war meine Motivation.

TK: Wie steht es - Ihrer Meinung nach - um die Kultur der Sterbebegleitung in unserer Gesellschaft?

Beerling-Albert: Wir sind auf einem guten Weg, aber es gibt noch viel zu tun. Die Hospizbewegung hat vieles erreicht, doch in vielen Bereichen wird das Sterben noch tabuisiert oder als alleinige Aufgabe der Pflege oder Medizin betrachtet. Dabei braucht es eine multiprofessionelle Perspektive: Sterbebegleitung gelingt dann besonders gut, wenn verschiedene Berufsgruppen in Einrichtungen kooperieren und jede sowie jeder mit der eigenen Fachlichkeit dazu beiträgt. Hauswirtschaft, Verwaltung, Sozialdienst, Pflege, Seelsorge und ärztlicher Dienst - alle haben unterschiedliche Zugänge, die sich ergänzen.

Pflegeeinrichtungen haben hier eine besondere Verantwortung, aber auch eine große Chance, als Orte des Lebens und der Menschlichkeit wahrgenommen zu werden. Voraussetzung dafür ist, dass professionelle Begleitung mit einer offenen, wertschätzenden Haltung verbunden wird - und dass keine Hierarchien entstehen, die das Miteinander erschweren.

TK: Was würden Sie gerne ändern?

Beerling-Albert: Mein Wunsch wäre, dass sich das Bewusstsein weiter verändert: Sterbebegleitung sollte keine Sonderaufgabe weniger engagierter Personen sein, sondern als integraler Bestandteil des Arbeitsalltags in Pflegeeinrichtungen verstanden werden. Multiprofessionalität und Professionalisierung dürfen dabei nicht im Widerspruch stehen - im Gegenteil: Je besser alle Mitarbeitenden auf diese Aufgabe vorbereitet sind, desto natürlicher kann hospizliche Begleitung in den Alltag integriert werden.

Je besser alle Mitarbeitenden auf diese Aufgabe vorbereitet sind, desto natürlicher kann hospizliche Begleitung in den Alltag integriert werden. Elisabeth Beerling-Albert, Vorsitzende der Hospizstiftung Niedersachsen

Dazu braucht es nicht nur Schulungen, sondern auch strukturelle Rahmenbedingungen: Zeit für Begleitung, unterstützende Teams, eine Kultur der Wertschätzung und eine klare Anerkennung hospizlicher Arbeit. Vor allem aber wünsche ich mir ein Umdenken: Weg von Hierarchien und Konkurrenz, hin zu einer Zusammenarbeit auf Augenhöhe, in der die Vielfalt der Perspektiven als Bereicherung gesehen wird. Wenn wir als Gesellschaft verstehen, dass ein guter Umgang mit dem Sterben auch ein guter Umgang mit dem Leben ist, haben wir viel gewonnen.

Zur Person

Die Diplom-Religionspädagogin Elisabeth Beerling-Albert studierte nach ihrem Fachabitur im Jahr 1996 von 1997 bis 2001 Religionspädagogik an der Universität Paderborn. Es folgte eine langjährige Tätigkeit im Dienst des Bistums Osnabrück von 2001 bis 2017. 

Von 2017 bis 2023 war sie hauptamtlich als Koordinatorin bei einem ambulanten Hospizdienst tätig und ist seit 2022 freiberuflich Referentin. Parallel dazu absolviert Frau Beerling-Albert ein berufsbegleitendes Master-Studium in Palliative Care. Seit 2023 ist sie Vorsitzende der Hospizstiftung Niedersachsen.

Elisabeth Beerling-Albert hat zahlreiche Fort- und Weiterbildungen im Bereich der Hospiz- und Trauerbegleitung. Darunter die Qualifikation als zertifizierte Trauerbegleiterin nach dem Bundesverband für Trauerbegleitungen (BVT) und als Palliative Care Fachkraft. Sie ist zudem ehrenamtliche Hospizbegleiterin, Kursleiterin von "Letzte Hilfe" und engagiert sich beim Projekt "Hospiz macht Schule".