Mainz, 21. Februar 2024. Beschimpfen, Beleidigen, Bloßstellen: Auch nach der Corona-Pandemie gehören Gewaltformen, wie Mobbing und Cybermobbing zum Schulalltag. Dies ergab eine aktuelle Befragung im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK). Demnach ist bundesweit etwa jedes sechste Schulkind (15,7 Prozent), von Mobbing betroffen. Jedes zehnte (10,1 Prozent) gab an, sogar selbst schon Andere gemobbt zu haben.

Rund 1.000 Lehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen- und Sozialarbeiter bereits ausgebildet

Um an rheinland-pfälzischen Schulen eine Kultur zu etablieren, die sensibel ist für Phänomene des Mobbings und für den Umgang mit ihnen, hat die rheinland-pfälzische Landesvertretung der Techniker Krankenkasse (TK) gemeinsam mit dem hiesigen Bildungsministerium und dem Pädagogischen Landesinstitut (PL) bereits im Jahr 2010 das Präventionsprogramm "Gemeinsam Klasse sein" gestartet, welches sich primär an Schülerinnen und Schüler der fünften bis siebten Klassenstufe richtet. Nach der Teilnahme an einer Fortbildung, können Schulen die umfangreichen Materialien des Programms nutzen, um bis zu fünf Projekttage zu gestalten. "Das Programm gehört zu unseren erfolgreichsten Präventionsangeboten. Mit Unterstützung des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums und des Pädagogischen Landesinstituts wurden inzwischen rund 1.000 Lehrkräfte sowie Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter für die Durchführung ausgebildet, um als Multiplikatoren Strukturen zu etablieren, die dabei helfen, der Entstehung von Mobbing vorzubeugen", freut sich Jörn Simon, Leiter der TK-Landesvertretung in Rheinland-Pfalz.

TK-Präventionsprogramm sensibilisiert für Mobbing und Cybermobbing

Unterstützt durch Erklärvideos, Filmclips und weiteren Arbeitsmaterialien werden Mädchen und Jungen, sowie Eltern und Lehrkräfte für das Thema sensibilisiert und erfahren, was man gegen diese Gewaltform tun kann und wie sich eine Atmosphäre des respektvollen Miteinanders etablieren lässt, die langfristig vor Mobbing und Cybermobbing schützt. "Gemeinsam Klasse sein" wird mittlerweile in allen Bundesländern umgesetzt.

Großer Teil der Befragungsteilnehmer stammt aus Rheinland-Pfalz

Das war Anlass genug, das Programm einer zweieinhalbjährigen Wirksamkeitsanalyse zu unterziehen, zu deren Zweck 2.888 Fragebögen von Schulkindern und Lehrkräften aus fünf Bundesländern (Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen) ausgewertet wurden. Ein großer Teil der Evaluationsteilnehmer stammt aus Rheinland-Pfalz (34,1 Prozent). Befragt hatte man die Schulkinder zu zwei Zeitpunkten, nämlich vor und nach Durchführung von "Gemeinsam Klasse sein".

Wirksamkeitsanalyse zeigt: Prävention wirkt

Das erfreuliche Ergebnis: Prävention wirkt! So gaben gut 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler an, ihr Wissen zu Mobbing und Cybermobbing durch die Teilnahme an "Gemeinsam Klasse sein" gestärkt zu haben. Rund 87 Prozent fühlten sich durch das Programm besser in die Lage versetzt, beginnendes Mobbing zu erkennen und rund 88 Prozent würden eher versuchen, einer von Mobbing betroffenen Person zu helfen. Die große Mehrheit der Befragten (74,4 Prozent) ging außerdem nach der Teilnahme am Projekt davon aus, dass Mobbing in Zukunft in der Klasse durch das Projekt verhindert würde. Nach Angaben von mehr als neun von zehn Befragten (91,4 Prozent) wurden nach dem Projekt klare Regeln zum sozialen Umgang miteinander festgelegt, zum Beispiel in Klassenchats. 

Auch Lehrkräfte fühlen sich durch Präventionsprogramm gestärkt

Die Analyse zeigt zudem, dass auch Lehrkräfte sich nach der Teilnahme am Präventionsprogramm gestärkt fühlen. Sie gingen ebenfalls davon aus, dass sie Mobbingsituationen künftig besser erkennen und entsprechend handeln können. Diese Kompetenz nehmen offenbar auch die Schülerinnen und Schüler war. Denn nach der Teilnahme am Präventionsprogramm gaben mehr als 80 Prozent an, Hilfe beim Schulpersonal zu holen, falls sie Mobbing beobachten. Bei eigener Betroffenheit würden sich mehr als 77 Prozent an einen Erwachsenen im Schulumfeld wenden. 

Depressionen, Schlafstörungen - Mobbing kann weitreichende Folgen haben

"Als Krankenkasse ist Prävention eine unserer wichtigsten Aufgaben. Mobbing und Cybermobbing können weitreichende Folgen für betroffene Jugendliche haben. Ängste, Depressionen, Schlafstörungen - bis hin zu Suizidgedanken - gehören nicht selten zu den Folgen der täglichen Schikanen. Umso schöner ist nun der wissenschaftliche Nachweis, dass das Programm effektiv wirkt", erklärt Jörn Simon.

Zitate zu den Ergebnissen der Evaluation

Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig:

"Schule ist nicht nur ein Lebensort, an dem es schon lange nicht mehr nur darum geht, wichtigen Lernstoff oder Kompetenzen zu vermitteln. Damit das gemeinsame Lernen überhaupt möglich ist, müssen wir Schülerinnen und Schülern auch einen Kompass für gegenseitigen Respekt und Wertschätzung an die Hand geben. Das ist die Grundvoraussetzung für ein glückliches und gewinnbringendes Miteinander - sei es im Beruf, aber auch im privaten sozialen Umfeld. Das TK-Präventionsprogramm ,Gemeinsam Klasse sein!‘ ist bei diesem Unterfangen ein wichtiger und gelungener Baustein, der sich in mehr als zehn Jahren bewährt hat. Vorbeugend gegen Mobbing in der Schule vorzugehen bleibt eine sehr wichtige Aufgabe - gerade mit Blick auf die zunehmende Bedeutung sozialer Medien."

Jennifer Lang, Schulpsychologin des Pädagogischen Landesinstituts Mainz:

Gewaltprävention spielt nach wie vor eine große Rolle an Schulen. Mobbingprävention ist dabei ein wesentlicher Baustein. Wir freuen uns sehr, dass die Evaluation die Wirksamkeit von "Gemeinsam Klasse" belegt hat und damit zum einen unsere Erfahrungen, die wir in den Fortbildungen machen, und zum anderen die Rückmeldungen, die wir von Schulen bei  der Umsetzung von "Gemeinsam Klasse sein" erhalten, bestätigt.  Junge Menschen und Schulpersonal zu befähigen sich aktiv gegen Mobbing und für einen respektvollen Umgang miteinander in der Schulgemeinschaft einzusetzen, ist  uns ein zentrales Anliegen, da nur so  Lernen und Persönlichkeitsentwicklung in der Schule angstfrei gelingen kann. 

Hinweis für die Redaktion

Für die Evaluation zu dem Präventionsprojekt "Gemeinsam Klasse sein" hat das Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) von Juli 2021 bis Dezember 2023 insgesamt 1.804 Schülerinnen und Schüler der fünften Klasse an 32 Schulen in den Bundesländern Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen vor und nach der Durchführung von "Gemeinsam Klasse sein" zu ihren Erfahrungen mit Mobbing und dem Projekt befragt. Die Mehrheit der Evaluationsteilnehmer (34,1 Prozent) stammt aus Rheinland-Pfalz.

1.514 Schülerinnen nahmen an der ersten Befragung teil, in der es hauptsächlich um eigene Erfahrungen mit Mobbing und Cybermobbing ging. Auf diese Teilnehmenden bezieht sich der prozentuale Anteil der Schülerinnen und Schüler, die schon mal von Mobbing betroffen waren bzw. andere gemobbt haben. An der zweiten Befragung, nach der Durchführung von "Gemeinsam Klasse sein", ging es hauptsächlich um Wissenszuwachs und Lösungsstrategien im Umgang mit Mobbing und Cybermobbing.
An dieser Befragung nahmen 1.374 Schülerinnen und Schüler teil. Darüber hinaus erfolgten halbstrukturierte Interviews mit Projektverantwortlichen an den Schulen. 

Der vollständige Abschlussbericht liegt auf dem Lebensweltenportal der TK. Dort gibt es auch weitere Informationen für interessierte Schulen zu "Gemeinsam Klasse sein"