Das BMG hat seine Vorstellungen für die Digitalstrategie im Gesundheitswesen präsentiert. Und neben dem, was man angehen möchte, gleich ein paar ambitionierte Zielmarken abgesteckt. Beispielsweise sollen 

  • bis zum Jahr 2025 ganze 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA) verfügen und 
  • bis Mitte 2023 die technischen Voraussetzungen zur Nutzung des E-Rezeptes im gesamten Bundesgebiet realisiert werden. 

Jetzt stellt sich der Erfolg nicht von allein ein - erst recht nicht beim Thema Digitalisierung des Gesundheitssystems. Die Ideen von ePA, eAU, eRezept und Co. sind im Grunde richtig - das zeigen die Blicke ins Ausland. Hier gehören entsprechende Anwendungen schon lange zum Versorgungsalltag - und zwar kompatibel mit der DSGVO und den europäischen Datenschutzbestimmungen. Beim Digital-Health-Index der Bertelsmann-Stiftung ist Deutschland auf dem 16. Platz der betrachteten Industrienationen. Kaum ein Land in Europa, das wir hinter uns lassen. Dänemark liegt beispielsweise auf Platz 3! Mit einem Index-Wert, der doppelt so hoch ist, wie der deutsche.  

Sören Schmidt-Boden­stein

Sören Schmidt-Bodenstein, Leiter der TK-Landesvertretung Schleswig-Holstein Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiter der TK-Landesvertretung Schleswig-Holstein

Die ePA könnte so viel mehr 

Dass das Thema Digitalisierung bei uns noch nicht so richtig in Fahrt gekommen ist, hat natürlich viele Gründe. Ein zentraler scheint mir aber zu sein, dass die Politik das Thema "Kundenorientierung" in Zusammenhang mit den Digitalisierungsbestrebungen bislang eher lieblos bis gar nicht beachtet hat. Nur zwei Beispiele der letzten Jahre: 

  • Das E-Rezept wurde exklusiv über die E-Rezept-App der gematik eingeführt - mit einem eigenen Identifizierungsweg -und endete in den bekannten Papierausdrucken. 
  • Die ePA wurde zwar kassenseitig an den Start gebracht - ohne jedoch zeitnah dafür zu sorgen, dass Ärztinnen und Ärzte und Krankenhäuser tagesgleich die Akte befüllen (können). Zwar gibt es beispielsweise in TK-Safe, der ePA der TK, bereits heute eine Reihe von Unterstützungsangeboten wie die Erinnerung an Vorsorgetermine oder Impflücken anbietet. Dabei könnte die Akte noch so viel mehr … 

Umso wichtiger ist, dass man jetzt endlich die Kundinnen und Kunden ernst nimmt. Customer-Experience auf der Höhe der Zeit bedeutet einfach zu bedienende digitale Lösungen, die einen maximalen Mehrwert für meine Bedarfe als Nutzerin oder Nutzer haben. Die ePA wird zu Recht als das Herzstück der Digitalisierung betrachtet. Das Einrichten der ePA und die Identifizierung im Rahmen der App-Nutzung muss einfacher werden. Verschiedene Finanz-Apps auf meinem Smartphone schalte ich über meine biometrischen Daten frei. Die Identifizierung läuft im Zweifelsfall KI-unterstützt.  

Ich möchte außerdem alle relevanten Prozesse meines persönlichen digitalen Gesundheitsmanagements aus einer App heraus ansteuern. Kommunikation mit der Krankenkasse, mit Ärztinnen und Ärzte oder dem Krankenhaus wird dann auf dem gleichen Kunden-Front-End von mir bedient wie meine ePA oder die Mehrwert-Angebote meiner Krankenkasse. Dass die ePA immer aktuell ist, weil bei jedem Arztbesuch direkt das Daten-Update erfolgt, ist ja klar. Stellen Sie sich vor, sie würden in Ihrer Bank-App erst sechs Monate später aktuelle Kontobewegungen sehen? So lange dauert es heute, bis die Abrechnungsdaten von den Kassenärztlichen Vereinigungen vorliegen und von der Kasse in die ePA eingespielt werden können. 

Schleswig-Holstein kann besonders von Digitalisierung profitieren

Genau so wichtige Nutzerinnen und Nutzer der ePA wie die Versicherten sind auch die Ärztinnen und Ärzte in Schleswig-Holstein und alle anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen. Dr. Jens Lassen, Chef des Hausärztverbandes in Schleswig-Holstein, bringt es auf den Punkt: "Wir warten auf gute digitale Lösungen, die uns in unserem Arbeitsalltag und bei der Versorgung unserer Patientinnen und Patienten helfen".  Er ist sich sicher, dass die ePA dann ein erfolgreicher integraler und ganz natürlicher Bestandteil eines jeden Praxisbesuchs wird.  Auch hier gilt: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen so gesetzt sein und von der gematik so umgesetzt werden, dass die Professionals im System für sich schnell den Mehrwert erkennen: gezielte und bessere (Vor-) Informationen über ihre Patientinnen und Patienten, eine deutliche Entlastung von aufwendigen bürokratischen Verfahren und deshalb mehr Zeit, sich zugewandt um die Menschen kümmern zu können, die medizinischen Rat und Hilfe brauchen. 

Wenn Digitalisierung kundenorientiert läuft, wird gerade Schleswig-Holstein mit seinen spezifischen Herausforderungen davon profitieren, etwa im ländlichen Raum und bei der Versorgung von Halligen und Inseln. Dass wir im Norden besonders aufgeschlossen sind und dass Digitalisierung auch heute schon funktioniert, zeigt die digitale Beantragung, Prüfung und Genehmigung der Heil- und Kostenpläne für Zahnersatz und Kieferorthopädie. Bei der Kieferorthopädie werden schon über 91 Prozent der Anträge digital bearbeitet. Besonders gut ist Schleswig-Holstein beim Zahnersatz dabei. Hier sind es fast 93 Prozent aller Fälle. Eine höhere Quote haben nur Bremen und Mecklenburg-Vorpommern.  

Was ist so gut an dem Prozess? Eine besonders effiziente und zeitnahe Bearbeitung. Bei den allermeisten Konstellationen erfolgt die Rückmeldung an die Zahnarztpraxen innerhalb weniger Minuten. Die Patientinnen und Patienten haben im Regelfall die Praxis noch nicht verlassen - und alle Beteiligten haben die Entscheidung der Krankenkasse vorliegen und können die weiteren Termine direkt vereinbaren. So geht Kundenorientierung.