"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht," lautet ein Zitat von Franz Kafka. In diesem Fall ist die Digitalisierung der Weg, den wir dringend und zügig beschreiten müssen, um im Gesundheitswesen einen längst überfälligen dynamischen Transformationsprozess in Gang zu setzen. In nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen spielt Digitalisierung eine zentrale Rolle. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichnete Deutschland hinsichtlich der Digitalisierung des Gesundheitswesens jüngst als "Entwicklungsland". Ein Alarmsignal, das verdeutlicht, wie groß der Handlungsbedarf aktuell ist. Das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG), welches das Bundesministerium für Gesundheit gerade auf den Weg bringt, soll die digitale Schieflage im Gesundheitswesen in einen dynamischen Prozess umwandeln. 

Digital-Gesetz (DigiG) - neue Dynamik für die digitale Transformation des Gesundheitswesens

Die elektronische Patientenakte (ePA) ist in Deutschland bereits seit dem 1. Januar 2021 verfügbar. Doch gerade einmal knapp ein Prozent aller gesetzlich Versicherten nutzt sie aktuell. Neben der ePA ist das elektronische Rezept (E-Rezept) eines der vielversprechenden digitalen Angebote, das bereits zur Verfügung steht. Bis Mitte dieses Jahres wurden aber lediglich rund ein Prozent aller Verordnungen in elektronischer Form ausgestellt. Es ist somit offensichtlich, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens noch nicht bei den Menschen angekommen ist. Das soll sich mit dem DigiG ändern, dessen Einführung zu einem Beschleunigungsprozess und mehr praktischen Nutzen der Digitalisierung führen soll.

Jörn Simon

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Leiter der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz

Opt-out-Lösung und automatische Befüllung der ePA

Damit die ePA ihren Nutzen entfalten kann, muss sie einen Mehrwert für Versicherte und Ärztinnen und Ärzte bringen. So können unter anderem teure und unnötige Doppeluntersuchungen vermieden werden und Medikationslisten unkompliziert eingesehen werden, um beispielsweise gefährliche Wechselwirkungen zu vermeiden. Wichtig ist, dass die Nutzung der ePA attraktiv für alle wird. Dies soll das DigiG künftig bewirken. Sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch Patientinnen und Patienten müssen von der Nutzung der ePA profitieren und die Nutzungshürden müssen beseitigt werden.

Die Befüllung der ePA mit Gesundheitsdaten muss unbedingt einfach und unkompliziert vonstattengehen. Es darf kein zeitraubender Prozess sein, der Ärztinnen und Ärzten den Arbeitsalltag zusätzlich erschwert. Das DigiG sieht vor, dass die Befüllung der ePA weitestgehend automatisiert stattfindet, was sehr zu begrüßen ist. Die im Gesetzesentwurf formulierte Regelung, dass Versicherte Befunde in Papierform zur Digitalisierung an ihre Krankenkasse weiterleiten können, um diese in die ePA einfügen zu lassen, muss jedoch unbedingt gestrichen werden, da diese sowohl zu einer unnötigen finanziellen als auch zu einer personellen Belastung der Krankenkassen führen würde.

E-Rezept als verbindlicher Standard

Das DigiG sieht die verbindliche Einführung und Weiterentwicklung des E-Rezeptes vor. Es soll zum 1. Januar 2024 allgemeiner Standard in der Arzneimittelversorgung werden. Dies ist ein wichtiger Eckpunkt für die Praxistauglichkeit der digitalen Anwendung. Positiv zu nennen ist auch, dass die E-Rezept-App zukünftig in die Apps der Krankenkassen integriert werden kann. Dies eröffnet Versicherten eine bequeme und unkomplizierte Nutzung, da sie häufig die App ihrer Krankenkasse bereits auf dem Smartphone installiert haben. 

Flexible Lösungen für Videosprechstunden

Im Gesetzesentwurf ist festgelegt, dass Telemedizin ein fester Bestandteil des Gesundheitssystems werden soll. Die Quoten für Videosprechsunden sollen ausgeweitet und flexibler werden. Gerade im ländlichen Raum kann diese Lösung die flächendeckende Gesundheitsversorgung verbessern. Natürlich können Videosprechstunden die Präsenzbehandlung nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen.

Verbesserung der Apps auf Rezept

Seit Oktober 2020 dürfen Gesundheits-Apps auf Rezept verordnet werden. Bislang können Ärztinnen und Ärzte lediglich digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) mit niedriger Risikoklasse verschreiben. Dies soll sich mit dem neuen Gesetz ändern und auch Anwendungen höherer Risikoklassen sollen zugelassen werden. Das ist zu begrüßen, denn DiGAs können eine sinnvolle Behandlungsalternative oder -ergänzung darstellen. Hier muss jedoch unbedingt im Vorfeld sichergestellt werden, dass der Nutzen der Anwendungen besser belegt ist. Seit der Einführung der Apps auf Rezept ist der gesetzlichen Krankenversicherung bereits ein Schaden von mehreren Millionen Euro entstanden, weil Apps zum Einsatz kamen, deren Nutzen nicht ausreichend belegt war und die trotzdem über mehr als 15 Monate verschrieben worden sind. Es ist außerdem ein wichtiger und richtiger Schritt, dass Versicherte künftig ein Widerrufsrecht erhalten.

Als letzten wichtigen Punkt muss man erwähnen, dass der Gesetzesentwurf richtigerweise auch vorsieht, die Industrie bei den Praxisverwaltungssystemen stärker in die Pflicht zu nehmen. Es ist problematisch, wenn die Ärzteschaft bisweilen durch fehlende Interoperabilität der Software den Nutzen der Digitalisierung nicht umsetzen kann. 

Fazit

Fakt ist: Die Gesundheitsversorgung der Zukunft ist digital. Die ePA hat das Potenzial eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung zu spielen, dafür muss sie jedoch flächendeckend in die Versorgung integriert werden. Nur wenn sie für Arztpraxen und Patientinnen und Patienten einen Mehrwert bringt, werden sich die Anwendungen in der breiten Bevölkerung durchsetzen. Wichtig ist vor allem, dass die Neuregelungen nicht mehr lange auf sich warten lassen und so zeitnah wie möglich auf den Weg gebracht werden, um damit neue digitale Wege mit großer Dynamik einzuschlagen. Da passt es gut, dass mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz gleich der nächste Weg entstehen soll, indem man ihn geht.