Europäischer Datenraum - Chance für Forschung und Versorgung
Artikel aus Mecklenburg-Vorpommern
Im Forum "Europäischer Datenraum - Forschen mit Patientendaten" auf der Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft diskutieren Expertinnen und Experten, wie ein einheitlicher rechtlicher Rahmen für die Nutzung und den Austausch von elektronischen Gesundheitsdaten Innovationen begünstigt.

Im Mittelpunkt des Forums "Europäischer Datenraum - Forschen mit Patientendaten" auf der XX. Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft standen die Potenziale von der Gesundheitsdatennutzung für Versorgung, Wissenschaft und Wirtschaft. In dem von Jürgen Zurheide moderiertem Panel waren die folgenden Referentinnen und Referenten beteiligt:
- Bettina Martin, Ministerin für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern
- Prof. Dr. Karlhans Endlich, Wissenschaftlicher Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald
- Prof. Sylvia Thun, Direktorin des Core-Unit eHealth und Interoperabilität der Charite-Universitätsmedizin Berlin
- Prof. Augsberg, Professor für Öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität Gießen
- Dr. Placke, Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern,
- Manon Austenat-Wied, Leiterin der TK-Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern
- Johanna Hasting, Director Government Affairs & Policy Germany der GE HealthCare GmbH
Die zentralen Erkenntnisse des Panels haben wir unten aufbereitet.
EHDS als Beschleuniger für Forschung und Versorgung
Prof. Dr. Sylvia Thun startete mit einer Keynote zum Europäischen Raum für Gesundheitsdaten (EHDS) und sieht darin einen echten Game-Changer. Für sie ist der EHDS ein wichtiger Meilenstein für die Versorgungsforschung, da er erstmals einen europaweiten, standardisierten Zugang zu Gesundheitsdaten ermöglicht. Dies beschleunigt die Entwicklung neuer Therapien und fördert die Umsetzung von Forschungserkenntnissen im Versorgungsalltag. Herausforderungen bestehen bislang noch bei der Integration von Daten der Privatversicherten, insbesondere hinsichtlich Standardisierung und Interoperabilität. Wenn der EHDS gut aufgegleist wird, werden Patientinnen und Patienten von individuelleren Therapien, schnelleren Diagnosen und einer insgesamt besseren Versorgung profitieren, so Prof. Thun weiter.
Für den Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Jens Placke, steht der Zugriff auf Gesundheitsdaten für die Alltagsversorgung im Mittelpunkt. Gerade in einem Urlaubsland wie Mecklenburg-Vorpommern ist der Zugriff auf Gesundheitsdaten für die Alltagsversorgung unverzichtbar. Um das Potenzial von Datenanalysen und KI-Anwendungen auch im ländlichen Raum zu nutzen, sind gezielte Fortbildungen, eine leistungsfähige digitale Infrastruktur und praxistaugliche Anwendungen notwendig. Die Ärzteschaft steht dem Thema offen gegenüber. Entscheidend ist, die Ärztinnen und Ärzte frühzeitig einzubinden und Lösungen zu entwickeln, die im Praxisalltag funktionieren, so der Kammerpräsident.
Wissenschaft setzt auf Datenqualität und Zusammenarbeit
Prof. Dr. Karlhans Endlich betont in seinem Beitrag die Bedeutung eines integrativen Ansatzes beim Training von KI-Modellen: Die medizinische Expertise und Data Science müssen dabei Hand in Hand gehen. Im Fokus steht der Aufbau strukturierter, qualitativ hochwertiger Datenpools und die konsequente Einhaltung ethischer Standards. Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen und der Industrie spielen eine zentrale Rolle, um innovative KI-Modelle zu entwickeln, die perspektivisch einen spürbaren Mehrwert für die Versorgung von Patientinnen und Patienten bieten. Gemeinsam mit der Universitätsmedizin Rostock werden landesweite Datenplattformen etabliert, die Versorgungsdaten sicher und effizient für die Forschung nutzbar machen. Erste Pilotprojekte sind bereits gestartet, die Zusammenarbeit mit regionalen Krankenhäusern und außeruniversitären Partnern wird stetig ausgebaut. Für eine erfolgreiche Überführung von Forschungsergebnissen in die Versorgung sind für den Wissenschaftlichen Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald gezielte politische Maßnahmen, rechtliche Klarheit und Investitionen in digitale Infrastruktur unerlässlich.
Vertrauen fördern und digitale Infrastruktur ausbauen
Ministerin Bettina Martin sieht Transparenz und Beteiligung als Schlüssel, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Nutzung ihrer Gesundheitsdaten zu stärken. Aufklärung, klare gesetzliche Regelungen und der Schutz persönlicher Daten stehen dabei im Vordergrund. Der EHDS ist auch aus politischer Perspektive eine Chance. Gerad für die Versorgungslücken im ländlichen Raum braucht es Innovationen. Durch den sicheren Austausch von Gesundheitsdaten können neue Versorgungsmodelle und Telemedizin-Angebote entstehen. Mecklenburg-Vorpommern investiert als Land gezielt in Forschung, Infrastruktur und die Qualifizierung von Fachkräften, um sich als Modellregion für innovative Gesundheitsdatenforschung zu etablieren.
Prof. Augsberg unterstützt diese Entwicklungen und hebt gleichzeitig die ethische Perspektive von Innovationen im Gesundheitswesen hervor. Während europaweit Grundprinzipien wie Datenschutz, Transparenz und Fairness geteilt werden, gibt es Unterschiede in der konkreten Ausgestaltung. Ethische Überlegungen sind aus seiner Perspektive das notwendiges Korrektiv, das die Akzeptanz und Nachhaltigkeit von Innovationen sichert. Gleichzeitig betont Prof. Augsberg, dass in Deutschland Nachholbedarf beim Ausbau der digitalen Infrastruktur und die stärkere Verankerung ethischer Reflexion in der Praxis notwendig ist. Die enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Versorgung und Politik ist dafür ein wichtiger Erfolgsfaktor.
TK als Gesundheitspartner
Die Diskussionsrunde hat gezeigt, andere Länder machen es uns bereits vor: ein digitalisiertes Gesundheitswesen mit einer elektronischen Patientenakte (ePA) als zentrale Kommunikations- und Datenplattform zur schnellen und verlässlichen Übermittlung von Gesundheitsdaten. Die ePA sollte die Brücke sein, um Erkenntnisse aus den Anwendungen des EHDS in den Versorgungsalltag zu transferieren. Damit Deutschland auch in diesem Bereich konkurrenzfähig bleibt, muss die ePA in Deutschland diesen Anspruch ebenfalls erfüllen. Dafür braucht es mehr Wettbewerb im Bereich der elektronischen Patientenakte. Für die individuell beste Nutzbarkeit der ePA braucht es Gestaltungsspielraum im Bereich Flexibilität und Nutzbarkeit. Die besten Lösungen entstehen im Wettbewerb. Gemeinsam mit den Leistungserbringenden sollten Kassen die Möglichkeit haben, individuelle Funktionen in die ePA zu integrieren, statt wie bisher einem engen, von der gematik vorgegebenen Korridor zu folgen. Unser Ziel ist es, unseren Versicherten im Alltag Empfehlungen anzubieten, die ihnen ein gutes Gesundheitsmanagement und die optimale gesundheitliche Prävention ermöglichen.