TK: Mit Blick auf die geplante Notfallreform des Bundes, die unter anderem auch den Rettungsdienst berücksichtigen soll, stellt sich die Frage, wie sich die zentralen Reformpläne mit den bestehenden Strukturen und Standards des Rettungsdienstes in Rheinland-Pfalz vereinbaren lassen?

Daniel Stich: Wir sehen diese Pläne mit einer gewissen Sorge. In Rheinland-Pfalz haben wir eine ganz besondere Situation: Wir sind das einzige Flächenland, das neben der Rechts- auch die Fachaufsicht über den Rettungsdienst innehat. Das bedeutet, wir können einheitliche Vorgaben für das gesamte Bundesland machen - und genau das ist unser Erfolgsrezept. Einheitlichkeit ist hier das große Stichwort.

Daniel Stich

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Staatssekretär im Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz

Wir haben in Rheinland-Pfalz einheitliche Ausbildungsalgorithmen für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Das heißt: gleiche Standards, gleiche Kompetenzen, überall im Land. Dazu kommt eine einheitliche Fahrzeugausstattung, sodass Rettungsteams überall auf die gleiche Technik und Ausstattung zurückgreifen können. Auch die Behörden arbeiten nach einem einheitlichen Vorgehen bei der Versorgungsplanung und wir verfolgen eine einheitliche Einsatzstrategie.

Ich halte es für wenig sinnvoll, wenn unsere klaren und bewährten Strukturen durch eine nationale Regelung verwässert würden. Daniel Stich

Ganz praktisch bedeutet das: Es wird immer das dem Einsatzort nächstgelegene Rettungsmittel für das Krankheits- oder Verletzungsbild alarmiert - unabhängig von kommunalen Grenzen. So wird genau das Fahrzeug geschickt, das für den konkreten Fall am besten geeignet ist - egal ob Krankentransportwagen, Notfallkrankenwagen oder Rettungswagen mit oder ohne Notarzt. Hinzu kommt unser landesweit einheitliches Telenotarztsystem, das überall im Land genutzt wird und große Vorteile bietet.

Kurz gesagt: Der Rettungsdienst in Rheinland-Pfalz ist ein Rettungsdienst. "Ein Land - ein Rettungsdienst."

Und genau deshalb halte ich es für wenig sinnvoll, wenn unsere klaren und bewährten Strukturen durch eine nationale Regelung verwässert würden. Andere Bundesländer mit einem Flickenteppich aus unterschiedlichen kommunalen Regelungen mögen von einer Vereinheitlichung auf Bundesebene profitieren. Für Rheinland-Pfalz wäre das Gegenteil der Fall. Wir würden bei so einer Reform unsere Stärke, nämlich die gelebte Einheitlichkeit, verlieren."

TK: Durch eine Bundesratsinitiative unter Beteiligung von Rheinland-Pfalz wurde das Notfallsanitätergesetz novelliert - mit der Zielsetzung, Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern mehr heilkundliche Kompetenzen zu übertragen. Welche konkreten Maßnahmen dürfen sie nun eigenverantwortlich durchführen?

Heute dürfen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter heilkundliche Maßnahmen eigenverantwortlich durchführen. Daniel Stich

Stich: Die Novellierung des Notfallsanitätergesetzes, die Rheinland-Pfalz gemeinsam mit Bayern per Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht hat, war ein starkes Signal - und hat konkrete Auswirkung auf die Praxis: Heute dürfen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter heilkundliche Maßnahmen eigenverantwortlich durchführen, die sie in ihrer Ausbildung gelernt haben und sicher beherrschen - und zwar noch bevor ein Notarzt oder Telenotarzt eintrifft. Das ist ein echter Gewinn für die Patientinnen und Patienten.

Aber wir haben in Rheinland-Pfalz noch einen entscheidenden Schritt getan: Zwischen 2020 und 2022 haben Expertinnen und Experten sowie die Ärztlichen Leiter Rettungsdienst einheitliche Ausbildungs- und Behandlungsalgorithmen erarbeitet - Landesweit. Keine Flickschusterei, kein Wirrwarr - sondern ein klares, einheitliches Vorgehen. Und diese Algorithmen haben wir in landesweiten Fortbildungen über zwei Jahre hinweg geschult. So stellen wir sicher: Jede und jeder Notfallsanitäter im Land arbeitet nach denselben Standards, mit demselben hohen Kompetenzniveau.

Und das hat ganz konkrete Folgen. Heute können unsere Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter eigenverantwortlich 28 verschiedene Notfallmedikamente einsetzen, wenn die Situation es erfordert - immer auf Basis der einheitlichen Algorithmen. Das gibt Sicherheit, für die Profis im Einsatz wie für die Patientinnen und Patienten.

Einheitlichkeit, Verlässlichkeit, Professionalität - das ist der rheinland-pfälzische Weg im Rettungsdienst. Daniel Stich

Und noch ein Punkt, der mir besonders wichtig ist: Wir haben 2020 im Rettungsdienstgesetz festgeschrieben, dass in Rheinland-Pfalz jeder Rettungswagen immer mit einer Notfallsanitäterin oder einem Notfallsanitäter besetzt ist. Immer! Keine Ausnahmen. In vielen anderen Bundesländern ist das noch längst nicht selbstverständlich. Bei uns schon.

Das ist der Unterschied: Einheitlichkeit, Verlässlichkeit, Professionalität - das ist der rheinland-pfälzische Weg im Rettungsdienst.

TK: Zu den Kernelementen des rheinland-pfälzischen Rettungsdienstgesetzes gehört der flächendeckende Ausbau von Telenotarztzentralen. Wie zufrieden sind Sie bislang mit dem Verlauf und bis wann wird die Umsetzung abgeschlossen sein?

Stich: Das Herzstück unseres Rettungsdienstes ist das landeseinheitliche Telenotarztsystem. Und wenn ich "System" sage, dann meine ich wirklich ein Gesamtsystem. Da gehört alles dazu: die hochmoderne technische Ausstattung unserer Rettungswagen, die intensive Schulung und Einweisung der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter, die spezielle Ausbildung der Telenotärztinnen und Telenotärzte und natürlich auch die Telenotarztzentralen selbst.

Das Besondere: Diese Zentralen haben keine starren örtlichen Zuständigkeiten. Jeder Arbeitsplatz kann mit jedem Rettungswagen in Rheinland-Pfalz verbunden werden - egal, wo das Fahrzeug gerade steht. Der Telenotarzt wird wie ein Notarzteinsatzfahrzeug nachgefordert, über die Leitstelle dem Einsatz zugeordnet und nimmt dann direkt Kontakt zum Rettungswagen auf. Deshalb sage ich ganz klar: Der Begriff "flächendeckend" trifft es eigentlich nicht. Wir sind nicht nur flächendeckend - wir sind grenzenlos einheitlich.

Und seit Juli 2025 ist es soweit: Alle Rettungswagen in Rheinland-Pfalz sind angebunden. Jeder Wagen hat die Technik an Bord, jeder Notfallsanitäter ist geschult und eingewiesen. Das System läuft - landesweit, ohne Ausnahme.

Aktuell sind die Telenotarztzentralen in Ludwigshafen und Trier jeden Tag von 7 bis 19 Uhr verfügbar. Das heißt: Schon heute kann jeder Rettungswagen im Land tagsüber jederzeit auf den Telenotarzt zurückgreifen. Und wir gehen weiter: Im vierten Quartal 2025 nehmen auch die Unimedizin Mainz und das Westpfalzklinikum in Kaiserslautern ihre Telenotarztzentralen in Betrieb. Dann haben wir die 24/7-Verfügbarkeit an allen vier Standorten. Das bedeutet: Rund um die Uhr, an jedem Tag, für jeden Einsatzwagen im Land ist ein Telenotarzt erreichbar.

Damit ist Rheinland-Pfalz das erste Flächenland, das so etwas geschafft hat: Ein landeseinheitliches Telenotarztsystem, heute schon 12/7, bald 24/7. Das ist ein Meilenstein - und ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Zur Person:

Daniel Stich, 1976 in Kaiserslautern geboren, studierte Politikwissenschaft sowie Öffentliches und Bürgerliches Recht in Mainz, Nottingham und Rom und schloss sein Studium mit dem Magister ab. Nach verschiedenen Stationen im Innenministerium und in der Staatskanzlei war er von 2014 bis 2021 Landesgeschäftsführer und Generalsekretär der SPD Rheinland-Pfalz, zuletzt Ministerialdirektor im Gesundheitsministerium. Seit Juli 2024 ist er Staatssekretär im Ministerium des Innern und für Sport und verantwortet dort u. a. Polizei, Verfassungsschutz, Brand- und Katastrophenschutz sowie die Landesplanung.