SOS für die Notfallversorgung: Der lange Weg zur rettenden Reform

Angesichts überlasteter Notaufnahmen und der steigenden Zahl an Rettungsdiensteinsätzen steht die Notfallversorgung in Deutschland bereits seit Jahren unter erheblichem Reformdruck. Wie eine zukunftsfähige Notfallversorgung aussehen könnte, damit haben sich bereits zwei Bundesregierungen intensiv befasst. Schließlich hat das Bundesgesundheitsministerium unter Karl Lauterbach einen Referentenentwurf erarbeitet, der auch an Ideen seines Vorgängers Jens Spahn anknüpfte.

Jörn Simon

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Leiter der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz

Allerdings hat es bis heute gedauert, dass die aktuelle Bundesregierung das Vorhaben wieder ganz oben auf ihre politische Agenda setzte. Die Techniker Krankenkasse (TK) begrüßt diesen Schritt ausdrücklich und ist der Überzeugung, dass zu den zentralen Maßnahmen einer modernen Notfallversorgung unter anderem die flächendeckende Einführung Integrierter Notfallzentralen (INZ) gehört. Kernelement der INZ ist ein gemeinsamer Tresen, an dem medizinisches Fachpersonal des Krankenhauses und der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zusammenarbeitet, um Patientinnen und Patienten dabei zu unterstützen, direkt in die richtige Versorgungsebene vermittelt zu werden. 

In diesem Kontext soll darüber hinaus eine standardisierte - möglichst digitale - Ersteinschätzung erfolgen. Auch der Rettungsdienst muss bei diesem Reformvorhaben berücksichtigt werden, indem dieser als eigenständiger Bereich ins Sozialgesetzbuch V (SGB V) integriert wird. Nur so kann der sprichwörtliche "Große Wurf" gelingen. 

Näheres lesen Sie in unserem Positionspapier "Notfall- und Rettungsdienstreform: Versorgungsoffensive für Rheinland-Pfalz" .

Für Rheinland-Pfalz ist die Reform von zentraler Bedeutung

Insbesondere für ein Flächenland wie Rheinland-Pfalz, geprägt von ländlichen, dünn besiedelten Regionen, ist eine krisenfeste Notfallversorgung von zentraler Bedeutung. Der demografische Wandel und die Schließung einzelner Kliniken und Bereitschaftspraxen setzen auch hier die verbleibenden Notaufnahmen zunehmend unter Druck. Hinzu kommt ein rettungsdienstliches System, das bundesweit durch Unterschiede hinsichtlich Organisation und Ausstattungsstandards fragmentiert ist, was die Patientenversorgung zusätzlich erschwert.

Teil der rheinland-pfälzischen Lösung sind Telenotarztzentralen

Um diesen Herausforderungen frühzeitig zu begegnen, hat Rheinland-Pfalz bei der jüngsten Novellierung des Landesrettungsdienstgesetzes innovative Wege eingeschlagen - insbesondere mit Blick auf die Digitalisierung. Denn Teil der rheinland-pfälzischen Lösung ist die flächendeckende Einführung von Telenotarztzentralen. So wird es künftig auch in weniger dicht besiedelten Gebieten möglich sein, zeit- und ortsunabhängig ärztliche Expertise abzurufen. Selbst in komplexen Notfällen kann so eine schnelle und leitliniengerechte Versorgung sichergestellt werden.

Erweiterte Kompetenzen 

Parallel zu diesem digitalen Versorgungsansatz hat das Land gesetzlich festgeschrieben, die Kompetenzen von Notfallsanitäterinnen und -sanitätern gezielt zu erweitern: Sie sollen - in ärztlicher Abstimmung - eigenverantwortlich auch medikamentöse und invasive Maßnahmen durchführen dürfen. Dadurch kann wertvolle Zeit bis zum Eintreffen einer Ärztin oder eines Arztes überbrückt werden - oder der Sanitäterkontakt ist gegebenenfalls schon vollkommen ausreichend. 

Voraussetzung dafür ist eine sichere und verlässliche Kommunikation zwischen dem Rettungsdienst und dem ärztlichen Fachpersonal. Bereits heute sind sämtliche Rettungsmittel in Rheinland-Pfalz mit der notwendigen Technik ausgestattet. Auch die Aus- und Fortbildung wird entsprechend durchgeführt.

Rettungsdienst muss Teil der gesetzlichen Regelversorgung werden

Allein das Vorhaben, den Rettungsdienst umfassend zu digitalisieren zeigt, wie wichtig es ist, diesen Bereich in die gesetzliche Regelversorgung zu integrieren. Bislang ist der Rettungsdienst in Deutschland Ländersache - mit 16 unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen zu Ausbildungsstandards, Hilfsfristen, Qualität und Finanzierung. Gerade in Zeiten knapper Ressourcen ist dieses föderale Nebeneinander nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr braucht es ein bundesweit vernetztes System, so dass moderne medizinische Standards flächendeckend gewährleistet werden können.
Durch die Einbindung des Rettungsdienstes ins SGB V würde er zu einem gleichberechtigten Teil der Gesundheitsversorgung werden und wäre digital mit anderen Leistungserbringern vernetzt.

Digitale Vernetzung entlastet - ein Beispiel

Bei einem Notruf könnten Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen beispielsweise über die elektronische Patientenakte auf den Medikationsplan zugreifen und - in Rücksprache mit dem Hausarzt oder der Hausärztin - prüfen, ob eine Klinikeinweisung tatsächlich erforderlich ist. Wenn das nicht der Fall ist, könnte der Rettungsdienst direkt eine ambulante Weiterversorgung in die Wege leiten. Das entlastet nicht nur die Notaufnahmen, sondern erhöht auch die Patientensicherheit, weil Betroffene bedarfsgerecht versorgt werden und nicht unnötig ihr soziales Umfeld verlassen müssen, was meist eine zusätzliche psychologische Belastung darstellt.

Die Einbindung in das SGB V hätte auch weitere Vorteile für den Rettungsdienst: Denn bundeseinheitliche Standards würden Planungssicherheit schaffen. Dies wäre allein schon für Investitionen wie Fahrzeuge, Ausrüstung oder Personal wichtig und begrüßenswert.