TK: Wie definieren Sie Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen? 

Prof. Dr. med. Henrik Herrmann: In der Ärztekammer orientieren wir uns bei der Definition von Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen am Brundtland-Bericht von 1987, in dem es heißt: "Nachhaltige Entwicklung ist die Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können." Es geht zum Beispiel um den bewussten Umgang mit Wasser, Energie und Rohstoffen. Schäden am Ökosystem sollen vermieden werden und Emissionen so weit reduziert werden, dass sie ausgleichbar sind bzw. keine Schäden verursachen. Es bedeutet auch, den negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen und das Gesundheitswesen im Sinne von Klimaschutz und Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln.

Da, wo Ärztinnen und Ärzte eigenverantwortlich etwas bewirken können, sind sie auch gewillt, das zu tun.  Prof. Dr. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein

TK: Wo könnte unser Gesundheitswesen noch nachhaltiger werden? 

Herrmann: Grundsätzlich positiv ist, dass das Thema Nachhaltigkeit in der Ärzteschaft angekommen ist. Da, wo Ärztinnen und Ärzte eigenverantwortlich etwas bewirken können, sind sie auch gewillt, das zu tun. Dazu gehören zum Beispiel angepasste Beschaffungs- und Entsorgungsprozesse. Aber auch die Vermeidung von Plastik sowie eine konsequente Mülltrennung. Wichtig ist auch die Gesundheitsprävention, bei der es zum Beispiel darum geht, Patientinnen und Patienten über neuen Krankheiten durch die zunehmende Erderwärmung und Hitzegefahren aufmerksam zu machen. Wir müssen insbesondere vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, Vorerkrankte und Kinder besser schützen. Zwingend erforderlich sind bauliche Maßnahmen zum Hitzeschutz in Krankenhäusern, Pflegeinrichtungen, Kitas und Schulen und das Aufstellen von Hitzeschutzplänen. 

Prof. Dr. Henrik Herr­mann

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Präsident Ärztekammer Schleswig-Holstein 

Als Einrichtung des Gesundheitswesens trägt auch die Ärztekammer Schleswig-Holstein Verantwortung dafür, einen positiven ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen. Bei dem Neubau des Gästehauses haben wir einen wirksamen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz geleistet durch umweltfreundliche Baustoffe wie Holz, eine Fassadenbegrünung und eine emissionsarme Gebäudetechnik. Allein durch die Grauwassernutzung sparen wir 50 Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr ein. Durch die Nutzung von Solarenergie können 65 Prozent des Warmwasserbedarfs im Gästehaus über Sonnenenergie abgedeckt werden und damit rund 7,5 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Durch den Einsatz einer Wärmepumpe sparen wir weitere 6,4 Tonnen CO2 jährlich ein.

TK: Welche Hürden müssen auf dem Weg zu einem nachhaltigen Gesundheitswesen überwunden werden? 

Herrmann: Das Klimaschutz im Gesundheitswesen unerlässlich ist, haben die meisten Einrichtungen sowie viele Ärztinnen und Ärzte längst erkannt. Oftmals hapert es aber aufgrund der strengen bürokratischen Vorschriften oder aufgrund von finanziellen Mitteln an der Umsetzung. Ebenso ist der Mangel an nachhaltigen Alternativen für alle Fachgruppen eine relevante Hürde für eine nachhaltige Praxis bzw. ein nachhaltiges Krankenhaus. 

TK: Das Gesundheitswesen ist in Deutschland für etwa fünf bis sechs Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Wo sehen Sie Potenziale, um den Wert zu senken? 

Herrmann: Die Gesundheitsberufe tragen im Zuge der Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit eine große gesellschaftliche Verantwortung. Ein kleiner Beitrag, den Ärztinnen und Ärzte schon heute an ihren Arbeitsplätzen umsetzen können, ist, dass nachts die Computer ausgeschaltet werden oder dass die Heizungen an den jeweiligen Bedarf angepasst werden.

Ein weiterer Beitrag zum Klimaschutz kann geleistet werden, indem ressourcensparend mit diagnostischen und therapeutischen Substanzen während des gesamten Prozesses von der Herstellung über den Transport bis hin zur Verwendung und Entsorgung umgegangen wird. Daneben werden Dosieraerosole und bestimmte Narkosegase deutlich weniger angewendet, um den CO2-Ausstoß zu verringern.

Als Ärztekammer unterstützen wir Ärztinnen und Ärzte, indem wir Qualifizierungsmodule anbieten, die Medizinerinnen und Mediziner befähigen, effektiv klimafreundliche Maßnahmen in ihren Gesundheitseinrichtungen zu etablieren und Patientinnen und Patienten zum Einfluss des Klimawandels auf die Gesundheit zu beraten.