TK: Hitzewellen, Trockenphasen, Extremwetterereignisse - Auf welche Klimaveränderungen müssen wir uns in Deutschland einstellen?

Prof. Dr. Andreas Matzarakis: Es wird wärmer auf der Erde, in Deutschland bis zum Ende des 21. Jahrhunderts um drei bis vier Grad. Wir erleben seit längeren Jahren, dass sich sowohl die mittleren Verhältnisse - dazu gehören zum Beispiel die Durchschnittstemperaturen im Sommer oder die Höhe der Niederschläge - als auch die Extremsituationen verändern. In Berlin waren es in den 60er- bis 90-Jahren insgesamt zehn Tage, an denen wir über 30 Grad hatten. Heute sind wir bereits bei 15 bis 20, bis Ende des Jahrhunderts sind wir vielleicht bei 40. 

Die Hitze ist eine Extremsituation, auf die wir uns künftig einstellen müssen. Dabei geht es nicht nur um die Intensität ("der Sommer wird immer heißer"), sondern auch um die Häufigkeit und die Andauer solcher Hitzewellen. Und das hat natürlich Folgen - sowohl für die natürlichen als auch für die vom Menschen erschaffenen Systeme. 

TK: Warum ist Klimaschutz auch Gesundheitsschutz? Welche Gesundheitsgefahren gehen von Hitze und Hitzewellen aus?

Matzarakis: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet den Klimawandel als weltweit größte Bedrohung für die menschliche Gesundheit. Dies überrascht nicht, wenn man sich klarmacht, dass der Klimawandel zahlreiche direkte und indirekte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat. Bleiben wir bei dem Beispiel Hitze. Die extreme Wärme hat einen direkten Einfluss auf die Gesundheit des Menschen. Es kommt zu Erschöpfung, Hitzekrämpfen, Störung des Herz-Kreislaufsystem oder gar einem Multiorganversagen. 

Prof. Dr. Andreas Matz­arakis

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Leiter des Zentrums für medizin-meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes in Freiburg

Auch Waldbrände, die aufgrund von Hitze entstehen und für mehr Schadstoffe in der Luft sorgen, zeigen ihre Wirkung. Zum einen atmen wir sie ein, zum anderen verändern die Partikel in der Luft und die Trockenheit auch die Qualität und Menge von Lebensmitteln. Dass wir mildere Winter haben, führt wiederum dazu, dass zum Beispiel Zecken überleben und im kommenden Sommer eine Plage droht. Dazu kommen mitunter auch neue Tierarten zum Beispiel in Deutschland bisher unbekannte Mückenarten, die durch die Wärme und Trockenheit plötzlich bei uns überlebensfähig sind. 

Klimaveränderungen können zudem eine Zunahme von Infektionskrankheiten und Allergien nach sich ziehen. Auch die psychischen Belastungen darf als mögliche gesundheitliche Auswirkung nicht unterschätzt werden, insbesondere durch Traumata zum Beispiel bei Überschwemmungen oder Waldbränden.

TK: Wenn Hitzewellen zukünftig häufiger vorkommen werden - welche prioritären Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht notwendig, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und was kann jeder Einzelne tun?

Matzarakis: Klimaschutz ist natürlich unglaublich wichtig, insbesondere für die zukünftigen Generationen - Stichwort CO2-Ausstoß verringern. Was aber ebenso wichtig ist, ist die Klimaanpassung, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Die Klimaanpassung betrifft uns unmittelbar. Bei Hitze ist zum Beispiel ein gut funktionierendes Hitzewarnsystem zwingend notwendig. Ich muss aber dementsprechend dann auch mein Verhalten anpassen. Ganz einfach bedeutet dies bei starker Hitze um die Mittagszeit eben, nicht nach draußen zu gehen und ausreichend zu trinken. Vielmehr müssen wir aber ein entsprechendes Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen und dabei nicht nur auf uns selbst, sondern auch auf die Menschen rechts und links von uns schauen. 

Bei Hitze ist zum Beispiel ein gut funktionierendes Hitzewarnsystem zwingend notwendig.  Prof. Dr. Andreas Matzarakis, Leiter des Zentrums für medizin-meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes

TK: Haben Sie Vorschläge, was die Beteiligten im Gesundheitswesen - u.a. Kliniken, ärztliche Praxen, Krankenkassen - dazu beitragen können, um dem Klimawandel entgegenzuwirken und die Gesundheit der Menschen zu schützen?

Matzarakis: Eine wichtige Maßnahme sind schon einmal die Hitzeschutz vom Bundesministerium für Gesundheit und die Hitzeaktionspläne der Bundesländer, in denen es sowohl um Maßnahmen zum Klimaschutz als auch zur Klimaanpassung geht. Sie sind an die Hitzewarnsysteme des Deutschen Wetterdienstes angeschlossen. Zum Beispiel geht es in diesen Plänen um die Energieeffizienz von Gebäuden, aber auch um ein entsprechendes Verhalten der Menschen bei Hitze.

Aufklärung und Warnungen sind bei allen Maßnahmen von größter Bedeutung. Insbesondere geht es dabei um den Schutz von vulnerablen- und Risiko-Gruppen (kranke sowie ältere Menschen, Kinder und Schwangere, die dazu gehören sollten), die eventuell keine Hitzesensoren oder kein Durstgefühl haben. 

Wenn ich die Krankenhäuser betrachte, bin ich der Ansicht, dass das Thema Klimaanpassung im Gegensatz zum Klimaschutz noch nicht überall auf der Top-Agenda steht. Neben den Patientinnen und Patienten sollte man dabei auch an die Mitarbeitenden denken. Klimaanpassung im Krankenhaus bedeutet nicht unbedingt, das ganze Gebäude zu klimatisieren. Bei bevorstehenden Hitzewellen können geplante OPs ggf. ,ohne Klimatisierung, verschoben werden. Hitzebedingte Medikamenten-Nebenwirkungen müssen vom Klinikpersonal zudem beachtet und die Dosis mitunter angepasst werden. Viele der Maßnahmen in Krankenhäusern können zeitnah und kostengünstig umgesetzt werden, da es im Wesentlichen um die Bewusstseinsschärfung der Thematik geht, um hierdurch Änderungen von Verhaltensweisen der Betroffene zu bewirken.