Zum Vergleich: Die Stahlindustrie verursacht mit sechs Prozent nur unwesentlich mehr Treibhausgase in Deutschland als der Gesundheitsbereich. Bereits im Jahr 2009 kam eine Studie der viamedia-Stiftung zu dem Ergebnis, dass allein ein Krankenhausbett im Schnitt so viel Energie pro Jahr verbrauche wie vier Einfamilienhäuser. Die gute Nachricht: Die Studie zeigte außerdem, dass beim Stromverbrauch ein Einsparpotenzial von 40 Prozent und beim Wärmebedarf von 30 Prozent bestehe. Die schlechte Nachricht: Noch tut sich wenig im deutschen Gesundheitswesen, um diese Potenziale zu heben. 

Nachhaltigkeit muss zentrales Unternehmensziel werden

Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums hat die viamedia-Stiftung vor wenigen Wochen ein Gutachten veröffentlicht, für das unter anderem 69 Kliniken, 21 Reha-Einrichtungen, 37 Pflegeheime, 36 ambulante Pflegedienste, 75 Arztpraxen, 17 Rettungsdienste, 41 medizinische Labore, neun Gesundheitsämter, 57 Apotheken, 95 Unternehmen aus der Hilfsmittelversorgung und 23 aus der pharmazeutischen Industrie nach ihren Aktivitäten im Bereich Klimaschutz und ökologischer Nachhaltigkeit befragt wurden. Das Ergebnis: Außer, dass viele Einrichtungen mittlerweile auf Ökostrom, LED-Beleuchtungen und Elektromobilität umgestiegen sind, beschränken sich wirklich innovative Ansätze auf einige wenige Leuchttürme und wenige engagierte Akteurinnen und Akteure. 

Das Thema Nachhaltigkeit sei noch viel zu wenig in den Management- und Leitungsebenen der Gesundheitseinrichtungen angekommen, heißt es in der Studie. Solange die Einrichtungen die Reduzierung ihres ökologischen Fußabdrucks nicht zu einem zentralen Unternehmensziel erklärten, bliebe das Interesse bei den Mitarbeitenden gering und die Ausrede, es gäbe "keine Zeit, kein Geld und kein Personal" für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, bestehen. Das ist ein hartes Fazit, das die Studienautorinnen und -autoren gezogen haben.

Unterstützung in Sachen Energieeffizienz

Doch sicherlich werden auch oft Überforderung und Unwissenheit über bestehende Möglichkeiten Gründe dafür sein, dass sich Gesundheitseinrichtungen bislang nicht so stark im Klima- und Umweltschutz engagieren. Darauf gibt zumindest eine aktuelle repräsentative Umfrage der Hamburger Stiftung Gesundheit im Auftrag des Berliner Centre for Planetary Health Policy (CPHP) unter Ärztinnen und Ärzten einen Hinweis: Demnach würden sich fast 70 Prozent der Befragten mehr Unterstützung und Beratung durch Fachgesellschaften und ihre Berufsverbände und ebenso viele Fort- und Weiterbildungen zu den Folgen des Klimawandels wünschen.

Um eine Hilfestellung zu bieten, hat die Landes-Energie-Agentur Hessen (LEA) 2022 im Auftrag der Landesregierung einen Leitfaden für mehr Energieeffizienz im Gesundheitswesen herausgegeben. Darin enthalten sind zahlreiche Tipps, wie Gesundheitseinrichtungen unter anderem nachhaltiger heizen und kühlen sowie Wasser, Strom und Müll einsparen können. Der Bericht sensibilisiert dabei ausdrücklich dafür, dass die Errichtung eines Neubaus nicht immer die Lösung darstelle. Denn auch durch den Abriss eines alten Gebäudes und dem Bau eines neuen entstünden Emissionen und Abfall im beträchtlichen Ausmaß, weshalb die (Teil-)Sanierung eines bestehenden Hauses durchaus sinnvoller sein könne. 

So wird unter anderem das Thema Wärmedämmung genauer beleuchtet. Durch eine moderne Außendämmung und neue Fenster könne enorm viel Energie eingespart werden. Die Kosten, die bei einer solchen Sanierung entstünden, amortisierten sich durch die eingesparten Heiz- und Kühlkosten innerhalb kurzer Zeit. Eine optimale Wärmedämmung sorge zudem dafür, dass klimafreundliche Wärmepumpen möglichst effizient betrieben werden könnten.

Auch eine Begrünung von Dächern und Fassaden könne viel bewirken. Die Pflanzen stellten eine zusätzliche Dämmschicht dar und trügen im Sommer zur Kühlung bei, indem sie gespeichertes Regenwasser langsam verdunsten ließen. Ein versiegeltes Flachdach könne bei Sonneneinstrahlung bis zu 90 Grad heiß werden. Ein bepflanztes Dach hingegen werde selten wärmer als 25 Grad. Interessant ist auch das Kapitel zum Thema "Green IT". In die Kühlung von Serverräumen beispielsweise flösse enorm viel Energie. Schon kleine Änderungen, wie die Verlegung der Serverräume in den kühleren Nordteil eines Gebäudes, könne hier Abhilfe schaffen. Das sind nur einige wenige Beispiele aus dem Leitfaden der LEA. 

Neues Siegel "Nachhaltige Praxis"

Insgesamt legt der Leitfaden vor allem einen Fokus auf Krankenhäuser. Doch auch für Arztpraxen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich nachhaltiger aufzustellen. Um das zu unterstützen, hat die TK gemeinsam mit dem aQua-Institut das Qualitätssiegel "Nachhaltige Praxis - Klima. Umwelt. Mensch" ins Leben gerufen. Diese Auszeichnung erhalten Arztpraxen, die nachweisen können, dass sie ökologische und soziale Standards in ihren Arbeitsalltag integrieren. Hilfestellungen, wie die Einrichtungen das schaffen können, erhalten sie in Online-Kursen, deren Inhalte die TK, das aQua-Institut und die Institute für Allgemeinmedizin der Unis Frankfurt, Heidelberg und Köln sowie die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) gemeinsam entwickelt haben. 

Das eLearning-Portal enthält vier Module: In Modul 1 lernen die Praxen, wie sie ein individuelles, für ihre Einrichtung passendes Nachhaltigkeitskonzept erstellen und mit welchen Maßnahmen sie ihren ökologischen Fußabdruck verringern können. Sie erhalten zum Beispiel konkrete Tipps, an welchen Stellen sie im Praxisalltag Energie sparen oder wie sie Wärme aus erneuerbaren Quellen beziehen können. Modul 2 blickt auf das Verschreibungsverhalten bei Medikamenten. Die Praxen werden unter anderem dafür sensibilisiert, welche Wirkstoffe oder Darreichungsformen als umweltbelastend gelten und welche sicheren und wirksamen Alternativen es für diese gibt. In Modul 3 erfahren die Praxen zum einen, wie sie sich auf Extremwetterereignisse vorbereiten können, also beispielsweise einen Hitzeschutzplan erstellen, und zum anderen, welche gesundheitlichen Folgen der Klimawandel für ihre Patientinnen und Patienten haben kann und wie sie diese entsprechend beraten können. Im letzten Modul geht es um die Praxisteams intern. Sie lernen, wie sie in Krisensituationen besser zusammenarbeiten und wie sie das Arbeitsklima in der Praxis insgesamt verbessern können. 

Evaluation durch unabhängige Expertinnen und Experten

Im Rahmen des Programms führen die teilnehmenden Praxen zunächst eine Bestandsaufnahme durch. Anschließend erarbeiten sie konkrete Verbesserungsmaßnahmen und setzen diese um. Ihre Fortschritte halten sie in einem Online-Portal fest. Es bleibt aber nicht bei dieser Selbstauskunft. Die Umsetzung und Implementierung der Maßnahmen wird durch unabhängige Expertinnen und Experten der Stiftung Praxissiegel e.V. geprüft. Um das Siegel "Nachhaltige Praxis" am Ende erhalten und führen zu dürfen, müssen alle teilnehmenden Praxen bestimmte Mindestanforderungen in allen vier in den eModulen angesprochenen Themenbereichen erfüllen. Beispielsweise müssen alle Praxen nachweisen, dass sie ihre aktuellen Verbrauchsdaten, was Strom, Wasser oder Wärme betrifft, erfassen und Maßnahmen ergriffen haben, die zu einer Einsparung führen. Sie müssen außerdem zeigen, dass sie ihre Patientinnen und Patienten sowie ihr Personal zu nachhaltiger Mobilität anhalten, also zum Beispiel die Nutzung des ÖPNV oder das Bilden von Fahrgemeinschaften aktiv fördern. 

Überprüft wird auch, ob die Praxis einen Hitzeschutzplan entwickelt hat und weniger umweltschädliche Wirkstoffe verordnet. Ob sich die Arbeitsbedingungen im Praxisteam verbessert haben, wird durch Mitarbeiterbefragungen überprüft. Besonders vorbildliche Praxen, die in den vier Dimensionen deutlich mehr als die Mindestvoraussetzungen erfüllen, erhalten das "Nachhaltige Praxis"-Siegel mit dem Zusatz "Exzellent". Für das Durchlaufen des kompletten Programms sollten die Praxen etwa acht Monate einplanen. Das Siegel ist danach drei Jahre gültig. Die Teilnahme kostet 949 Euro. Es ist vorgesehen, das Programm auch als Weiterbildung durch die Ärztekammern anerkennen zu lassen. Mehr Informationen zum Siegel sind auf der Webseite des aQua-Instituts verfügbar. 

Nachhaltigkeit bei der TK

Die TK unterstützt es nicht nur, wenn sich andere auf einen nachhaltigeren Weg machen, sondern hat diesen Weg auch selbst eingeschlagen. Die TK hat zum Unternehmensziel erklärt, noch vor dem Jahr 2030 CO₂- bzw. Treibhausgasneutralität zu erreichen. Die TK verursacht Treibhausgas-Emissionen unter anderem durch ihre Immobilien und deren Energiebedarf, durch Geschäftsreisen oder durch den Einkauf von IT-Produkten. Seit 2020 erfasst die TK jährlich ihren CO₂-Fußabdruck und ergreift aktiv Maßnahmen, um diesen zu reduzieren.

Die TK hat einen eigenen Klimaschutzplan, der beispielsweise die flächendeckende Umstellung auf Ökostrom, neue ressourcenschonende Regeln für Dienstreisen (Flugreisen und Autofahrten wurden auf ein Minimum reduziert) oder die energetische Sanierung von Gebäuden enthält. Die Nachhaltigkeitsstrategie der TK hat insgesamt vier Handlungsfelder, das Thema Klima- und Umweltschutz ist nur eines davon. Mehr Informationen zur Strategie und den einzelnen Handlungsfeldern können hier  nachgelesen werden.