Mit dieser schwierigen Thematik hat sich Anfang März 2022 die 16. Internationale Kasseler Fortbildung "Basiskurs Kinderschutz in der Medizin" beschäftigt. Seit 2003 ist die TK in Hessen als Förderer dabei. Der Kurs richtet sich an alle im Kinderschutz tätigen Fachpersonen und plädiert für die multiprofessionelle Zusammenarbeit. 

Großes Interesse der Teilnehmenden 

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM) führt die Kinderschutz-Tagung zurzeit wieder jährlich gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention (DGfPI) durch. Ziel der regelmäßigen Veranstaltung ist es, die Teilnehmenden zu sensibilisieren, wie sie Verletzungen des Kindeswohls in ihrem Alltag bewusst wahrnehmen können und wie sie bei einem Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung die richtigen Schritte einschlagen können. Seit 2021 bietet die DGKiM zudem einen vertiefenden Aufbaukurs für Medizinerinnen und Mediziner zur Thematik an. Dieser Kurs wurde Ende März als digitale Veranstaltung angeboten.

Auch der zweitägige Basiskurs fand Anfang März 2022 pandemiebedingt in digitaler Form statt. Rund 250 motivierte Teilnehmer und ebenso viele engagierte Fragen an die Referentinnen und Referenten haben gezeigt: Das interdisziplinäre Interesse an diesem Thema ist groß und gerade auch in Pandemiezeiten leider unverändert aktuell. Teilgenommen haben nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch nichtärztliche Mitarbeitende des Gesundheitswesens beispielsweise aus den Bereichen Psychologie, Sozialarbeit oder Pflege, die sich mit dem Thema Kinderschutz befassen.

Den Teilnehmern wurde im Kurs mehr Sicherheit und Fachlichkeit mit der schwierigen Thematik von Vernachlässigung und Misshandlung vermittelt, beispielsweise zur Frage, welche Verhaltensweisen und Verletzungen darauf hinweisen, dass ein Kind Gewalt erfahren hat? Und welche Schritte müssen eingeschlagen werden, wenn Gewalt an Kindern entdeckt wird? Dabei sind mit Gewalt nicht nur Schläge oder sexueller Missbrauch gemeint. Das Wohl von Kindern ist auch gefährdet, wenn sie angeschrien, klein gemacht, sozial isoliert oder ihnen Kontakte verboten werden. 

Vieles spricht dafür, dass die Corona-Pandemie das Risiko für kindliche Gewalterfahrungen erhöht: Die physische Isolation, die räumliche Beengtheit und weitere Stressfaktoren zu Hause können dazu beitragen, dass familiäre Spannungen vermehrt eskalieren, während sich gleichzeitig die Kinder ihrem sozialen Umfeld unter Pandemiebedingungen kaum anvertrauen und Hilfe erhalten können. 

Kinder in Pandemie psychisch belastet

In der Pandemie erschweren die Kontaktbeschränkungen noch zusätzlich, Gewalt an Kindern und deren körperliche und psychische Folgen zu beobachten. Umso bedeutsamer ist es aus Sicht der Veranstalter, dass Personen aus der Lebenswelt der Kinder wie beispielsweise Lehrerinnen und Lehrer oder Erzieher und Erzieherinnen auch in der physischen Distanz der Corona-Pandemie sehr aufmerksam für mögliche Gefährdungen bleiben. Die Teilnehmenden berichteten von Auseinandersetzungen in den Familien, Selbstverletzungen, Gewichtszunahme, Langeweile und von einem erhöhten Medienkonsum der Kinder und Jugendlichen.

Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung Hessen: "Kindesmissbrauch spielt sich in der Regel hinter verschlossenen Türen ab. Personen aus dem sozialen Umfeld der Kinder müssen wissen, welche Verhaltensweisen der Kinder und welche Verletzungen auf eine Gewalterfahrung hinweisen können und wie sie bei einem Verdacht sinnvoll reagieren sollten."

Dr. Barbara Voß

Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Leiterin der TK-Landesvertretung Hessen

Dr. Bernd Herrmann, Leiter des Bereichs Kinderschutz am Klinikum Kassel: "Befragungen von Erwachsenen haben ergeben, dass nahezu jeder Dritte im Laufe der Kindheit und Jugend von irgendeiner Form von Misshandlung, emotionaler oder körperlicher Vernachlässigung, körperlicher oder psychischer Gewalt oder sexuellem Missbrauch betroffen ist." 

Dr. Bernd Herr­mann

Portrait von Dr. Bernd Herrmann Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Oberarzt der Klinik für Neonatologie und allgemeine Pädiatrie sowie Leiter des Bereichs Kinderschutz am Klinikum Kassel

Aus Sicht von Dr. Herrmann ist es von essenzieller Bedeutung, dass Gewalt gegen Kinder in ihren vielfältigen Formen so frühzeitig wir nur irgend möglich erkannt und aufgedeckt wird. "Allerdings sind die körperlichen Hinweise auf Misshandlung und Gewalt oft nicht einfach zu diagnostizieren. Daher wollen wir den Teilnehmenden unserer Tagung mehr Sicherheit im zwingend multiprofessionellen Umgang mit dieser schwierigen Thematik geben", so Dr. Herrmann. 

Aufgrund der hohen Resonanz und des positiven Feedbacks der Teilnehmenden wird der Basiskurs "Kinderschutz in der Medizin" voraussichtlich im März 2023 erneut angeboten.

Weitere Informationen: