Frankfurt am Main, 27. September 2023. Laut diversen Medienberichten sehen sich Rettungsdienste und Klinik-Notaufnahmen in Hessen mit immer mehr Patientinnen und Patienten konfrontiert, die nur leichte Erkrankungen haben und deshalb auch ambulant hätten behandelt werden können. Eine aktuelle Umfrage der TK in Hessen zeigt, dass 80 Prozent der Menschen in Hessen wissen, dass die Zentralen des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) existieren. Ebenso viele gaben an, dass ihnen die Notfallrufnummer - 116 117 - des ÄBD bekannt sei. "Dass so viele ambulante Notfall-Patientinnen und -Patienten dennoch die Notaufnahmen aufsuchen oder direkt den Rettungsdienst alarmieren, scheint also nicht unbedingt mit mangelndem Wissen über die Alternativen zusammenzuhängen. Manchmal schätzen die Menschen den Schweregrad ihrer medizinischen Notlage zu hoch ein", vermutet Dr. Barbara Voß, Leiterin der TK-Landesvertretung Hessen. 

Digitale Projekte helfen

Die Digitalisierung kann dabei helfen, Notfallpatienteninnen und -patienten in die für sie passende Versorgungsform zu leiten. "In Hessen gibt es sogar bereits eine Vielzahl von digitalen Ansätzen, die es nun auszubauen und zu verbinden gilt", so Voß. Allen voran muss hier das Projekt "Sektorenübergreifende ambulante Notfallversorgung" (kurz SaN) genannt werden. Im Rahmen von SaN werden Patientinnen und Patienten, die ambulant behandelt werden können, vom Rettungsdienst beispielsweise nicht mehr in eine Klinik-Notaufnahme transportiert, sondern in eine Arztpraxis.

Die Software "SmED" hilft den Rettungssanitäterinnen und -sanitätern während der Einsätze dabei, medizinisch einschätzen zu können, in welchen Fällen eine ambulante Behandlung ausreicht. Die Rettungskräfte können über das digitale IVENA-System im Krankenwagen einsehen, welche Arztpraxen entsprechende Kapazitäten freihaben. Durch SaN sollen die Notaufnahmen der Krankenhäuser - zunächst in den drei Pilotregionen Landkreis Gießen, Main-Taunus-Kreis und Main-Kinzig-Kreis - entlastet werden. 

Neben dem SaN-Projekt gibt es in ganz Hessen verteilt diverse Telenotarzt-Projekte, wie zum Beispiel im Hochtaunuskreis, in Mittelhessen oder im Landkreis Waldeck-Frankenberg. Sie alle haben das Ziel, dass Notärztinnen und Notärzte nur noch dann persönlich ausrücken müssen, wenn dies tatsächlich erforderlich ist. Den Rettungssanitäterinnen und -sanitätern wird es deshalb ermöglicht, während ihrer Einsätze bei Bedarf per Videotelefonie Kontakt zu einem Notfallmediziner/einer Notfallmedizinerin aufzunehmen, um deren Einschätzung und Rat einzuholen.

Experten per Video zuschalten

Im Rahmen einiger dieser Projekte wurden Rettungswagen zudem so digitalisiert, dass es möglich ist, sogar die Vitaldaten der Patientinnen und Patienten in Echtzeit an den Telenotarzt oder die Telenotärztin zu übermitteln. Laut der Forsa-Befragung im Auftrag der TK halten es 82 Prozent der Hessinnen und Hessen übrigens für wichtig oder sehr wichtig, dass künftig in akuten Notfällen Expertinnen und Experten per Videoübertragung schnell zugeschaltet werden können. 

"Das sind allesamt vielversprechende Projekte. Bislang laufen sie jedoch parallel und unkoordiniert aneinander vorbei. Die neue Landesregierung muss es sich in der kommenden Legislaturperiode zur Aufgabe machen, alle Ansätze zu einem Gesamtkonzept zusammenzuführen", fordert Voß. Auf absehbare Zeit müsse SaN auf ganz Hessen ausgeweitet werden und ein zentrales Telenotarztzentrum entstehen, das von allen Rettungsdiensten in Hessen rund um die Uhr kontaktiert werden könne. Auch sollte jeder Rettungswagen in Hessen so ausgestattet werden, dass eine Übermittlung von Vitaldaten an einen Telenot-arzt/eine Telenotärztin aber auch an Kliniken möglich ist. 

Passenden Versorgungsbereich wählen

Die Software "SmED", die bei der Einschätzung unterstützt, ob ein Notfall besser im Krankenhaus oder im ambulanten Bereich aufgehoben ist, sollte zünftig in allen Bereichen der Notfallversorgung - egal ob ambulant, stationär oder im Rettungsdienst - zum Einsatz kommen. So unter anderem auch in den Kliniknotaufnahmen: "Patientinnen und Patienten, die nur leicht erkrankt sind, könnten dann vor Ort alternativ an eine Ärztliche Bereitschaftsdienstzentrale oder eine nahe Arztpraxis mit - nach Blick in IVENA - freien Kapazitäten verwiesen werden. Auch die Rettungsleitstellen selbst müssen Zugriff auf die Software erhalten. In unnötigen Fällen müssen die Notfallsanitäterinnen und -sanitäter gar nicht mehr erst zum Einsatz fahren", so Barbara Voß. Die Anrufenden können direkt am Telefon darüber informiert werden, dass sie sich an die ÄBD-Zentrale oder eine in IVENA aufgeführte Arztpraxis wenden sollen. "Damit dies optimal funktioniert, müssen die Notfallrufnummern 112 und 116 117 in Hessen dringend zusammengeführt werden", so Voß.

Hinweis für die Redaktion:

Im Auftrag der Techniker Krankenkasse hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa vom 19. bis 30. Juni insgesamt 1.002 Personen ab 18 Jahren in Hessen telefonisch befragt. Die Befragung ist damit bevölkerungsrepräsentativ für das Bundesland Hessen.