Viel bewegt trotz Corona-Pandemie
Interview aus Saarland
Prof. Dr. Jennifer Diedler ist Vorstandsvorsitzende und Ärztliche Direktorin am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Allerdings nur noch bis Ende des Jahres, denn dann wird sie beide Posten nach etwas mehr als vier Jahren abgeben. Grund dafür ist eine neue berufliche Herausforderung: Sie wird Direktionspräsidentin der Insel Gruppe, die neben dem Universitätsspital in Bern noch weitere Kliniken in der Schweiz betreibt. Im Interview blickt sie auf ihre Amtszeit zurück und erläutert, warum gerade im Saarland dringend eine Krankenhausreform nötig ist.
TK: Liebe Frau Prof. Dr. Diedler, Sie verlassen Ende 2025 das Uniklinikum des Saarlandes. Wie bewerten Sie Ihre Amtszeit an der Saar? Was waren die wichtigsten Projekte, die Sie angestoßen haben?
Prof. Dr. Jennifer Diedler: Es war und ist eine gute und intensive Zeit am Universitätsklinikum des Saarlandes. Ich schätze die Zusammenarbeit mit den vielen engagierten Menschen auf allen Ebenen, innerhalb und außerhalb des UKS.
Ein Meilenstein war die Entscheidung für den Neubau des Zentralklinikums. Damit wurden Anfang des Jahres die Weichen gestellt, das UKS nicht nur baulich neu und modern aufzustellen. Der Neubau bietet die Chance, Prozesse neu zu denken - effizient, nachhaltig, zukunftsfähig und mit einem klaren Fokus auf die bestmögliche Versorgung unserer Patientinnen und Patienten.
Das Virtuelle Krankenhaus ist ein weiteres Vorhaben, das ich in den vergangenen Jahren begleiten durfte. Unser Ziel ist es, dass jede Patientin und jeder Patient zur richtigen Zeit am richtigen Ort die passende Versorgung erhält - und zwar sektorenübergreifend entlang des gesamten Behandlungspfades. Dafür braucht es eine bessere Vernetzung, und genau hier schafft das Virtuelle Krankenhaus die erforderliche Plattform. An der Stelle ein Dankeschön an alle Beteiligten und Partner.
Wenn ich nach innen blicke, dann sehe ich die Kulturentwicklung am UKS als ein zentrales Projekt. Mein Ziel war und ist es, dass jeder Mitarbeitende gern am Uniklinikum arbeitet. Eine wertschätzende, fördernde und zugleich fordernde Kultur ist entscheidend, damit sich Mitarbeitende entsprechend ihrer Stärken entfalten können. Führung spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Ende vergangenen Jahres haben wir daher einen Kulturprozess gestartet: Gemeinsam mit unseren Führungskräften wurden u.a. Führungsprinzipien entwickelt und - was uns besonders wichtig ist - in konkrete, alltagstaugliche Anwendungen übersetzt. Der nächste Schritt ist nun, diese Prinzipien nachhaltig im Klinikum zu verankern.
Nicht zuletzt haben wir mit der Medizinstrategie 2030 unseren Kompass für die kommenden Jahre geschaffen. Sie gibt Orientierung, um strukturelle und strategische Entscheidungen zu treffen - etwa bei der stärkeren Bildung von Zentren wie in der Orthopädie und Unfallchirurgie.
Ich könnte noch viele weitere Projekte nennen, die - und das ist mir wichtig zu betonen - nicht als Einzelleistung, sondern gemeinsam auf den Weg gebracht wurden.
Prof. Dr. Jennifer Diedler
TK: Aktuell werden im stationären Bereich wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Warum ist aus Ihrer Sicht eine Reform so wichtig?
Prof. Dr. Diedler: Aus meiner Sicht ist eine Reform absolut notwendig. Die Rahmenbedingungen haben sich tiefgreifend geändert und unser System muss sich entsprechend weiterentwickeln. Angesichts des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und einer historisch gewachsenen Krankenhauslandschaft mit teilweise redundanten Strukturen gilt es, die Versorgung ziel- und bedarfsgerecht neu auszurichten - und zwar im Sinne der Patientinnen und Patienten.
Nehmen wir den wichtigen und entscheidenden Punkt der Versorgungsqualität, die nachweislich eng mit ausreichender Fallzahl - also mit Erfahrung, Routine und Expertise - zusammenhängt. Entsprechend sehe ich die Definition von Leistungsgruppen mit verbindlichen Qualitätskriterien und Mindestmengen als große Chance für unsere Patientenversorgung.
Gleiches gilt für die Konzentration komplexer Behandlungen auf spezialisierte Zentren, was nicht nur Doppelstrukturen vermeidet, sondern auch die Patientensicherheit stärkt.
Und der wichtige Punkt der koordinierten regionalen Vernetzung: Wir als Universitätsklinikum sehen uns ganz klar in der Pflicht, im Sinne einer flächendeckenden Versorgung der Menschen hier im Saarland eng mit unseren Klinikpartnern zusammenzuarbeiten und entsprechende Kooperation zu fördern.
Angesichts des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und einer historisch gewachsenen Krankenhauslandschaft mit teilweise redundanten Strukturen gilt es, die Versorgung ziel- und bedarfsgerecht neu auszurichten - und zwar im Sinne der Patientinnen und Patienten.
TK: Warum sind auch im Saarland eine Spezialisierung und Konzentration notwendig?
Prof. Dr. Diedler: Exzellenz entsteht durch Spezialisierung, also durch das Bündeln von Wissen und Erfahrung sowie durch permanente Weiterentwicklung und Treiben von Innovationen. Das gilt für die Krankenversorgung ebenso wie für die Forschung als zentrale Säule der universitären Medizin.
Spezialisierung ermöglicht es uns, die Versorgungsqualität unserer Patientinnen und Patienten u.a. durch die Entwicklung und Anwendung neuer Methoden und Therapien stetig zu verbessern - und diesen Fortschritt dann auch in die Breite zu tragen.
Nehmen wir das Beispiel Onkologischen Spitzenzentren. Ziel dieser Zentren ist es, Krebspatientinnen und -patienten den Zugang zu Diagnostik und Therapie auf dem höchsten Stand des medizinischen Wissens zu eröffnen. Dafür ist es notwendig, hochspezialisierte Versorgung zu bündeln, so wie es die Zertifizierungskriterien der Deutschen Krebshilfe fordern. Genau das ist die klare Aufgabe von Universitätsklinika.
Im Moment fehlt den Menschen im Saarland noch der Zugang zu einem onkologischen Spitzenzentrum. Das wollen wir am UKS ändern und schaffen gerade die Voraussetzungen dafür. So verfügen wir über exzellente Forschungsprojekte im Bereich der Onkologie. Ein weiteres wichtiges Kriterium - das für Spezialisierung und Zentralisierung spricht - sind die Fallzahlen. Denn hohe Fallzahlen und damit verbundene Erfahrungen zahlen auf die Behandlungsqualität und damit auf die Sicherheit der Patientinnen und Patienten ein.
Wichtig ist, dass diese hochspezialisierte Medizin in die Fläche gebracht wird. Dafür setzen wir auf eine engmaschige Kooperation mit anderen regionalen und überregionalen Zentren hier im Saarland. Wir sorgen also gemeinsam dafür, dass Spezialisierung und Konzentration allen zugutekommen.
TK: Wie sehen Sie die Rolle des Uniklinikums in der zukünftigen Krankenhausstruktur an der Saar?
Prof. Dr. Diedler: Unsere Aufgaben als einziges Universitätsklinikum im Saarland sind die Verbindung von Forschung, Lehre und Krankenversorgung ebenso wie die Vernetzung mit den regionalen Versorgern. Wir bieten Breite und Spezialisierung zugleich. Breite, weil wir am UKS das gesamte Fächerspektrum abdecken und damit Interdisziplinarität sicherstellen. Und Spezialisierung, weil wir Hochleistungsmedizin in Schwerpunkt-Zentren bündeln.
So finden zum Beispiel die Diagnose, Therapie und Erforschung von seltenen Erkrankungen nur am Universitätsklinikum statt, da hier die entsprechende Erfahrung und die Strukturvoraussetzungen bestehen. Auch bietet nur das UKS im Saarland eine pädiatrische Onkologie und eine Kinderherzchirurgie. Also: Wenn nicht wir Kinderherzen operieren und die notwendige Infrastruktur dafür bereitstellen, dann werden im Saarland keine Kinderherzen operiert.
Die Vernetzung und Kooperation mit Versorgern im Saarland spielen heute und in Zukunft eine immer wichtigere Rolle. Wir sehen unsere Aufgabe darin, diese zu fördern, auszubauen, weiterzuentwickeln. Und das mit dem Ziel, den Menschen hier im Saarland, egal wo sie leben, die beste medizinische Versorgung zu gewährleisten.
TK: Abschließend noch eine persönliche Frage: Was werden Sie am Saarland am meisten vermissen?
Prof. Dr. Diedler: Die Menschen, mit denen ich hier intensiv und vertrauensvoll gearbeitet habe und den Schwimmclub Homburg.
TK: Vielen Dank für das Interview und alles Gute für Ihre Zukunft!