TK: Frau Rudolph, vor eineinhalb Jahren haben sie als Bundestagsabgeordnete noch von der Thüringer Landesregierung gefordert, ihrer Verpflichtung zur Investitionsfinanzierung für die Krankenhäuser nachzukommen. Was macht der nun nicht mehr ganz so neue Perspektivwechsel als Thüringer Gesundheitsstaatssekretärin mit Ihnen?

Tina Rudolph: Grundsätzlich hat sich meine Haltung zur dieser Thematik nicht geändert. Die Länder sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Investitionsfinanzierung sicherzustellen, der Bund bzw. die Krankenkassen die Betriebskostenfinanzierung. In beiden Fällen geraten wir in schwieriges Fahrwasser, wenn das Nachkommen dieser Verpflichtung unterbleibt.

Auf Landesebene machen wir als Regierung da durchaus unsere Hausaufgaben.
Tina Rudolph

Es war nicht förderlich, dass Kliniken jahrelang investiv unterfinanziert worden sind. Genau wie es auf lange Sicht nicht funktioniert, dass mehr als die Hälfte der Krankenhäuser mit ihrem Mix aus Kosten, Leistungsspektrum und Auslastung mit der Betriebsfinanzierung nicht auskommen.

Tina Rudolph (SPD)

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Staatssekretärin im Thüringer Ministerium für Soziales, Gesundheit, Arbeit und Familie

Die derzeitige Situation ist umso mehr ein Grund, zügig die Krankenhausreform umzusetzen. Perspektivisch müssen wir einen Zustand erreichen, in dem beides gelingt: angemessene Investitionsfinanzierung UND auskömmlicher Betrieb bei der Versorgung mit sinnvollen Leistungsspektren.

Auf Landesebene machen wir als Regierung da durchaus unsere Hausaufgaben: Sowohl die Pauschalförderung als auch die durch die Umstellung auf alternative Finanzierungsinstrumente im neuen Doppelhaushalt angelegte Investitionsfinanzierung können sich im Vergleich zu den Vorjahren deutlich sehen lassen.

Das "Ob" steht also nicht mehr wirklich in Frage, höchstens das "Wann" mit einer Toleranz von einigen Monaten.
Tina Rudolph

TK: Im Bund ist immer noch unklar, ob und wie die Klinikreform kommt. Wie wirkt sich das auf die Thüringer Krankenhausplanung aus? Bleiben Sie bei Ihrem Vorhaben, dass die Kliniken bis Ende 2026 wissen, welche Leistungen sie künftig anbieten dürfen und welche nicht?

Rudolph: Ja, im Sinne der Planungssicherheit haben wir uns entschieden, am bisherigen Zeitplan festzuhalten und den Thüringer Kliniken so bald wie möglich Klarheit zu verschaffen.

Die im Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG) vorgesehene Möglichkeit zur Anpassung der Fristen zugunsten späterer Terminsetzung wären ohnehin nur rückwirkend möglich und das war uns von vornherein zu unsicher. Zeitlich hätte es außerdem kaum wirklich Entlastung gegeben, sondern den Prüfzeitraum des Medizinischen Dienstes komprimiert. Hier fanden wir es sinnvoller, am ursprünglichen Vorgehen festzuhalten und haben dafür bisher sehr positives Feedback bekommen.

TK: Wieso ist Ihnen das wichtig?

Rudolph: Die Frage erinnert mich an die Zeit, in der wir noch verstärkt argumentieren mussten, warum es eine Krankenhausreform braucht, über die man sich zwar in den Details streiten kann, aber deren Notwendigkeit eigentlich vom Grundsatz her niemand bestreiten kann, der einen tieferen Blick in unser (stationäres) Gesundheitssystem wagt. Das "Ob" steht also nicht mehr wirklich in Frage, höchstens das "Wann" mit einer Toleranz von einigen Monaten.

Nicht nur steigen die Kosten der stationären Versorgung seit Jahren überproportional, sondern auch hinsichtlich der benötigten Fach- und Arbeitskräfte vor dem Hintergrund des demografischen Wandels lässt sich unser derzeitiges System mit dieser Vielzahl von Kliniken bzw. Krankenhausbetten nicht aufrechterhalten. Zumal es ja im internationalen Vergleich nicht mal zu besseren Behandlungsergebnissen oder einer gesünderen Bevölkerung führt. Wissenschaftlich ist sehr klar belegt, dass viele Eingriffe ebenso gut ambulant durchgeführt werden können und sich so nebenbei zum Beispiel das Risiko für nosokomiale Infektionen verringert.

TK: Bis Sommer 2026 soll der Medizinische Dienst geprüft haben, ob die Krankenhäuser in Thüringen die Kriterien erfüllen, um die Leistungsgruppen anzubieten, die sie anbieten möchten.

In den beschriebenen Situationen setzen wir darauf, gemeinsam zu Lösungen zu kommen.
Tina Rudolph

Was passiert danach, wenn zum Beispiel mehr Kliniken in einer Region die Anforderungen für Knieoperationen formal erfüllen, als für eine gute Versorgung nötig wären? Oder, das andere Extrem, wenn Kriterien nicht erfüllt werden, aber es sonst eine Versorgungslücke in der Region gäbe? Wissen Sie schon, nach welchen Kriterien Sie nach der MD-Prüfung in Ihrem Ermessensspielraum entscheiden?

Rudolph: Entscheidend ist, dass wir in Thüringen ein gutes Gesamtkonzept hinsichtlich der Leistungsgruppen hinbekommen bei einer Zentralisierung von spezifischen Eingriffen und einer gleichzeitig auskömmlichen Finanzierung für die Standorte, für die dies bedeutet, Teile des bisherigen Leistungsspektrums abzugeben. Auch sekundäre Kriterien müssen dabei vor allem fair im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes sein. In den beschriebenen Situationen setzen wir darauf, gemeinsam zu Lösungen zu kommen. Das wird bedeuten, dass in einer Region nicht alle Häuser alle beantragten Leistungsgruppen erhalten werden. Dazu muss es Absprachen geben. Im umgekehrten Fall - einer potenziellen regionalen Versorgungslücke - werden wir gleichermaßen auf Häuser zugehen damit der Versorgungsbedarf erfüllt wird.

TK: Die Landesregierung hat immer wieder davon gesprochen, dass die Thüringerinnen und Thüringer in 20 Minuten eine Person erreichen können sollen, die eine medizinische Grundversorgung anbietet. Das solle ausdrücklich nicht heißen, dass das in den Strukturen passieren muss und kann, die die Menschen gewohnt sind. Was ist damit gemeint?

Rudolph: Nah vor Ort bei den Menschen müssen wir die gesundheitliche Basisversorgung sicherstellen. In 20 Minuten sollten alle Menschen in Thüringen - auch in Zukunft -  eine gesundheitliche (hausärztliche) Primärversorgung und eine Apotheke erreichen können. Wichtig ist ja, dass die Menschen mit einem gesundheitlichen Problem den richtigen Weg ins Gesundheitssystem finden. Im Zweifelsfall können sie nicht selbst wissen, ob ein Notfall vorliegt, sie den ärztlichen Bereitschaftsdienst aufsuchen sollten oder ein Termin in drei Tagen reicht, der dann aber auch zustande kommen muss.

Hier setzen wir zum Beispiel auf die geplante Notfallreform, durch die es zukünftig nur noch eine Telefonnummer gibt, die man wählen muss und durch alles weitere werden die Menschen begleitet. Ich glaube, wenn das gegeben ist, dass alle Thüringerinnen und Thüringer sich gut aufgehoben fühlen, weil sie zügig und einfach die richtigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden, dann wird es auch nicht als Problem empfunden, für spezielle Behandlungen und Eingriffe etwas weiter zu fahren.