Zur Sache: Sepsis erkennen und behandeln
Interview aus Hamburg
Jährlich sterben in Deutschland mindestens 85.000 Menschen an einer Sepsis. Eine Sepsis ist die schwerste Verlaufsform einer Infektion und endet unbehandelt tödlich. Die Sektorenübergreifende Landeskonferenz zur gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung (kurz: Landeskonferenz Versorgung) hat daher beschlossen, bestehende Maßnahmen hinsichtlich Sepsis für Hamburg zu prüfen.
Dr. Sebastian Wirtz, Chefarzt Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin, Schmerztherapie der Asklepios Klinik Barmbek, war Teil der Arbeitsgruppe der Landeskonferenz Versorgung zum Thema Sepsis.
Im Interview "Zur Sache" erklärt Wirtz, warum die Sterblichkeit bei einer Sepsis so hoch ist, warum eine Sepsis häufig nicht oder zumindest zu spät erkannt wird und welche Maßnahmen in Hamburg ergriffen werden, um diese Situation zu verbessern.
TK: Dr. Wirtz, es existiert eine Vielzahl an Maßnahmen sowohl für die allgemeine Bevölkerung als auch für spezielle Zielgruppen, um das Thema Sepsis ins Bewusstsein zu rufen und alle für die Gefahren, die von einer Sepsis ausgehen, zu sensibilisieren. Warum haben wir in Deutschland trotzdem eine so hohe Rate an Todesfällen nach einer Sepsis?
Dr. Sebastian Wirtz: Wir wissen inzwischen, dass die Sterblichkeit der Sepsis höher ist als bei anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen, wie zum Beispiel bei einem Herzinfarkt oder beim Schlaganfall. Leider gibt es bei der Sepsis nicht die typische Symptomkonstellation, die jeder gut erkennen kann. Bei schweren Infektionen erwarten wir ja üblicherweise hohes Fieber und ein starkes Krankheitsgefühl, doch diese offensichtlichen Zeichen einer Sepsis sind nicht immer vorhanden. Oft verstecken sich die Zeichen einer Sepsis auch hinter dem Symptom plötzlich eingetretener körperlicher Schwäche und Verwirrtheit. Wegen dieser unspezifischen Zeichen wird eine Sepsis häufig zu spät erkannt. Und das ist tückisch: Je später man die Sepsis erkennt und dann auch konsequent behandelt, desto höher ist die Sterblichkeit. Früh erkannt und richtig behandelt ist eine Infektion heute nämlich gut zu heilen.
Hamburg hat als Metropole eine gute medizinische Versorgung, die im Notfall rund um die Uhr verfügbar ist. Gerade bei der Sepsis kommt es auf eine schnelle Behandlung an, entscheidend ist zunächst, dass die Sepsis erkannt wird.
TK: Worauf kommt es bei dem Erkennen und der Behandlung einer Sepsis an? Können Sie allgemeine Hinweise zu den Symptomen geben, die auf eine Sepsis hinweisen?
Dr. Wirtz: Wir brauchen in jedem Fall eine höhere Aufmerksamkeit für dieses gefährliche Krankheitsbild. Typische Anzeichen sind zunächst mal hohes Fieber und Schüttelfrost gepaart mit einem schweren Krankheitsgefühl. Dazu können Verwirrtheit, Kurzatmigkeit und eventuell auch Schmerzen auftreten. Die Sepsis tritt mit steigendem Alter häufiger auf, sodass man gerade bei der älteren Bevölkerungsgruppe eher an eine Sepsis denken muss. Oft fängt es harmlos als Harnwegsinfekt an, der sich zu einer Sepsis ausweiten kann. Die Sepsis ist ein Notfall und muss sofort behandelt werden. Es ist in jedem Fall gerechtfertigt, bei einer Sepsis den ärztlichen Bereitschaftsdienst über 116 117 oder den Rettungsdienst über 112 zu alarmieren.
TK: Wie ist die Situation in Hamburg, und welche Möglichkeiten sehen Sie als ein Hamburger Akteur, um weiter für das Thema Sepsis zu sensibilisieren?
Dr. Wirtz: Hamburg hat als Metropole eine gute medizinische Versorgung, die im Notfall rund um die Uhr verfügbar ist. Gerade bei der Sepsis kommt es auf eine schnelle Behandlung an, entscheidend ist zunächst, dass die Sepsis erkannt wird. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen in Hamburg häufiger auf dieses Krankheitsbild aufmerksam gemacht werden, dafür haben wir auch in der Landeskonferenz Versorgung Ideen entwickelt. Dazu könnten zum Beispiel kleine Spots im Fernsehen oder auf Werbeflächen in der Stadt beitragen. Ebenso sollten Angehörige von pflegebedürftigen Menschen für die Symptome der Sepsis sensibilisiert werden. Wenn es uns gelingt, die Zeichen der Sepsis früh zu erkennen, dann ist auch eine frühe Behandlung möglich und die Sterblichkeit wird sinken. Dazu müssen wir die Leitsymptome der Sepsis kennen: Fieber mit Schüttelfrost, Kurzatmigkeit, Verwirrtheit, schweres Krankheitsgefühl und Schmerzen. Und außerdem gilt: Die Sepsis ist ein Notfall, die Behandlung duldet keinen Aufschub.