Zur Sache: Koordinierte Notfallversorgung im Hamburger Süden
Interview aus Hamburg
Seit April 2025 berät die Notaufnahme des Asklepios Klinikums Hamburg-Harburg teilnehmende Pflegeeinrichtungen von PFLEGEN & WOHNEN mit Hilfe eines Telekonsils zu passenden Behandlungsmöglichkeiten. Möglich wird diese neuartige Zusammenarbeit durch einen Vertrag der Besonderen Versorgung, den die Techniker Krankenkasse (TK) mit den Beteiligten geschlossen hat.
Welche Erfahrungen seit dem Start gesammelt wurden und wie sich das Projekt auf die Zusammenarbeit ausgewirkt hat, erklären Constance Krüger, Pflegedienstleitung in der Pflegeeinrichtung PFLEGEN & WOHNEN in Hamburg-Heimfeld, und Andre Schepanski, Pflegeleitung vom Asklepios Klinikum Hamburg-Harburg.
TK: Frau Krüger, das gemeinsame Projekt zur koordinierten Notfallversorgung für Pflegeheimbewohnende läuft seit dem Frühjahr 2025. Welche Vorteile haben sich sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für die Pflegenden herauskristallisiert?
Constance Krüger: Wir konnten bereits rund 80 unserer Bewohnerinnen und Bewohner für diese Art der Notfallversorgung gewinnen - damit ist fast die Hälfte von allen dabei. Alle fünf Wohnbereiche in HEIMFELD sind an das Projekt angeschlossen, und die Pflegekräfte sind vollumfänglich geschult. Insgesamt trägt die digitale Notfallversorgung dazu bei, die Patientensicherheit zu erhöhen. Auch die Kommunikation konnte dadurch effizienter gestaltet werden und damit eine Versorgung in kritischen Situationen sichergestellt sowie die Notaufnahme des Krankenhauses unterstützt werden.
Constance Krüger
Wir möchten, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, dem Asklepios Klinikum Harburg und uns, PFLEGEN & WOHNEN HEIMFELD, als starkem Partner weiter ausgebaut wird.
TK: Herr Schepanski, wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Heim und Krankenhaus mittels digitaler Technik in einem potenziellen Notfall konkret ab?
Andre Schepanski: Ziel ist es, akute - jedoch nicht lebensbedrohliche - gesundheitliche Situationen mit Hilfe einer speziellen Tele-Triage-Hotline sicher einzuschätzen und unnötige Krankenhaustransporte zu vermeiden. Wenn Haus- oder Fachärzte beziehungsweise der ärztliche Bereitschaftsdienst (116117) nicht erreichbar sind, kann die Pflegeeinrichtung den Versorgungsprozess über die Notaufnahme des Klinikums beginnen. Hierbei führt ein speziell geschulter, nicht-ärztlicher Mitarbeiter des Krankenhauses - in der Regel eine Pflegefachkraft mit Triage Erfahrung - eine telefonische Ersteinschätzung nach dem Manchester-Triage-System durch. Bei unklaren Befunden oder erhöhtem Risiko werden Ärztinnen oder Ärzte unmittelbar hinzugezogen. Bei lebensbedrohlichen Notfällen gilt weiterhin: Sofort 112 wählen.
Andre Schepanski
Ziel ist es, akute - jedoch nicht lebensbedrohliche - gesundheitliche Situationen mit Hilfe einer speziellen Tele-Triage-Hotline sicher einzuschätzen und unnötige Krankenhaustransporte zu vermeiden.
TK: Wie verläuft die Behandlung der Pflegeheimbewohnenden nach einem Telekonsil? Hatten Sie schon Fälle, in denen Fahrten in die Notaufnahme tatsächlich vermieden werden konnten?
Schepanski: Die telemedizinische Ersteinschätzung kann zu verschiedenen Versorgungswegen führen: Zum Beispiel können Pflegekräfte der Pflegeeinrichtung vor Ort unter konkreter Anweisung direkt Maßnahmen durchführen, oder es wird eine mobile Pflegefachkraft zur Unterstützung in die Einrichtung entsandt. Ist die Situation stabilisierbar, unterstützt die Notaufnahme telefonisch und informiert anschließend die behandelnden Ärztinnen und Ärzte über den Fall. Darüber hinaus kann das Klinikum zeitnahe Termine bei Haus- oder Fachärzten vereinbaren, damit weitere Diagnostik oder Therapie rasch erfolgen kann. Wenn sich im Verlauf ein tatsächlicher Notfall herausstellt, alarmiert die Notaufnahme den Rettungsdienst über die 112. Sowohl die Leitstelle als auch die eigene Notaufnahme werden vorbereitend informiert.
Insgesamt wurden seit dem Projektstart des Projekts acht Fälle über die Tele-Triage-Hotline betreut. In vier dieser Fälle konnte durch die telemedizinische Einschätzung und Anleitung eine Rettungswagenfahrt beziehungsweise Klinikeinweisung erfolgreich vermieden werden.
TK: Wie soll es mit dem Projekt weitergehen?
Krüger: Unser gemeinsames Ziel ist es, noch mehr Bewohnerinnen und Bewohnern die digitale Notfallversorgung zu ermöglichen, um eine sichere und adäquate Versorgung zu jeder Zeit zu ermöglichen. Wir möchten, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, dem Asklepios Klinikum Harburg und uns, PFLEGEN & WOHNEN HEIMFELD, als starkem Partner weiter ausgebaut wird. Damit bauen wir unsere Expertise in der medizinischen Versorgung weiter aus und etablieren uns als Pflegeeinrichtung im Hamburger Süden, die diese Art der Notfallversorgung in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und dem Asklepios-Klinikum Hamburg-Harburg anbietet.
Hintergrund
Grundlage dieser neuen Versorgungsform ist ein neuer Vertrag der Besonderen Versorgung, den die AOK Rheinland/Hamburg, die IKK classic und die Techniker Krankenkasse (TK) für ihre Versicherten mit dem Asklepios Klinikum in Hamburg-Harburg sowie dem Pflegeheimbetreiber PFLEGEN & WOHNEN HAMBURG GmbH geschlossen haben. Seit Vertragsstart sind nach und nach weitere Krankenkassen beigetreten: BKK Linde, BKK Pfalz, BKK Verbund Plus, energie-BKK, BKK Wirtschaft und Finanzen, Novitas BKK, BKK Deutsche Bank AG, HEK - Hanseatische Krankenkasse, hkk Krankenkasse und die KKH.
Für eine sichere und effiziente Teletriage stellt das Klinikum den kooperierenden Einrichtungen ein telediagnostisches Tool sowie ein Tablet mit Web-Anbindung zur Verfügung. Damit können wichtige Vitalparameter wie Blutdruck, Sauerstoffsättigung oder Herzfrequenz direkt übermittelt werden. Die Teletriage wird über die Softwareplattform "samedi" gestartet. Auch die Notaufnahme ist entsprechend technisch ausgestattet: Telefonische Kontakte erfolgen über Mobilgeräte, bei Bedarf können ergänzend auch Videocalls über "samedi" durchgeführt werden.