"Haben Sie sich das wirklich gut überlegt? Da haben Sie sich ja einen schwierigen Beruf ausgesucht." Diese Worte einer sehr liebevollen Patientin zu Beginn meiner Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin hallen noch immer in meinen Gedanken wider. Mittlerweile befinde ich mich - nach Abitur und Bundesfreiwilligendienst - im dritten Ausbildungsjahr und fange mit zunehmender Zeit und Verantwortung an, die Aussage meiner Patientin zu verstehen.
Seit ich denken kann, war es mein größter Wunsch, Menschen zu helfen, und es gibt wohl kaum einen anderen Beruf, der physisch wie psychisch so menschennah ist wie der Pflegeberuf. Auch wenn die Berufsbezeichnung veraltet ist, bezeichne ich mich lieber als angehende "Krankenschwester", als Helferin, als die rechte Hand oder beide.

Berufsaussichten sind wenig verlockend 

Doch obwohl der Beruf so viele schöne Seiten mit sich bringt und absolut essenziell für unsere Gesellschaft ist, verwundert es nicht, dass die Pflegeausbildung für junge Menschen unattraktiver geworden ist: Fachkräftemangel, Stress und Überlastung sind nicht gerade verlockende Berufsaussichten.
Das Gesundheitssystem steht unter unaussprechlichem Druck. Im Stationsalltag sind die Nerven zum Zerreißen gespannt, und weder Applaus noch Geld vermögen es, diese Anspannung zu lösen: Anerkennung, Wertschätzung und bessere Arbeitsbedingungen lassen sich nicht erkaufen. 

Gespräche im Kollegenkreis bestätigen mein Bauchgefühl. Viele Pflegekräfte leiden darunter, aufgrund des zeitlichen Drucks ihrem beruflichen Ethos im Alltag nicht gerecht werden zu können. Diesen inneren Konflikt spüre ich schon jetzt, denn auch wenn die Patienten medizinisch versorgt sind, gelagert und gewaschen, ist es oft die psychische Komponente, die hinten runterfällt und die doch so wichtig für das Wohlbefinden und die Linderung von Beschwerden ist.

Über Jahre hinweg hat die Wirtschaft im Gesundheitssystem immer mehr an Bedeutung gewonnen. Patientinnen und Patienten sind Einnahmequellen und werden nach dem DRG-System behandelt, damit die Krankenhäuser den größtmöglichen Gewinn erzielen können. Auch an Personal wurde gespart, mit dem Ergebnis, dass an allen Ecken und Enden Pflegekräfte fehlen und die übrigen mit physischer und psychischer Überlastung kämpfen, verkürzt arbeiten oder den Beruf ganz aufgeben.

Wie also kann der Beruf attraktiver gemacht werden?

Ich bin überzeugt, dass nur ein höherer Personalschlüssel eine tiefgreifende und längerfristige Lösung bietet. Ein weiterer Fokus sollte auf der Ausbildung liegen. Die seit einiger Zeit diskutierte Akademisierung des Pflegeberufs, durch die er fachlich und finanziell Aufwertung erfahren soll, könnte ein guter Schritt sein, um mehr junge Menschen für diese Profession zu begeistern, die so vielseitig und spannend ist. Ebenso muss es im Sinne der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sein, Fort- und Weiterbildungen zu fördern.

Julia Weber

Julia Weber, Auszubildende zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Evangelischen Krankenhaus Ludwigsfelde Das Bild ist noch nicht vollständig geladen. Falls Sie dieses Bild drucken möchten, brechen Sie den Prozess ab und warten Sie, bis das Bild komplett geladen ist. Starten Sie dann den Druckprozess erneut.
Auszubildende zur Gesundheits- und Krankenpflegerin am Evangelischen Krankenhaus Ludwigsfelde

Leider habe ich den Eindruck, dass die Pflege in der breiten Bevölkerung oft unterschätzt wird. Doch der demografische Wandel bringt viele Herausforderungen mit sich, chronische Erkrankungen und Multimorbidität nehmen immer mehr zu. Pflege ist schon lange weit mehr als der Dienst am Nächsten, sie ist ein hochkomplexer Beruf. Und, so hatte mir ganz am Anfang meines beruflichen Werdegangs eine erfahrene Schwester gesagt: "Die Pflege ist kein Beruf, sondern eine Berufung." 

Zur Person

Julia Weber (21) lebt in Potsdam, stammt aus einer medizinisch geprägten Familie und hat sich schon immer für Medizin, Biologie und die Heilung von Krankheiten interessiert. Nach dem Abitur 2018 und verschiedenen Praktika, u.a. in der neurologischen und kardiologischen Funktionsdiagnostik, in einer Zahnarztpraxis und bei einem Logopäden in Brandenburg an der Havel, absolvierte sie ihren  Bundesfreiwilligendienst im Evangelischen Krankenhaus Ludwigsfelde. Dort macht sie nun auch ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin.
Obwohl sie ursprünglich Medizin studieren wollte, hat Julia Weber ihre Entscheidung für eine Pflegeausbildung keinen Tag bereut. Die Arbeit am und mit Menschen, aber auch der Unterricht zu Themen wie Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie bereiten ihr Freude.