TK: Herr van Elst, Sie haben sich in der Corona-Pandemie zwischenzeitlich von der TK freistellen lassen, um selbst in einem Pflegeheim mit anzupacken. Wie war es, nochmal in die praktische Arbeit zurückzukehren, gerade in dieser herausfordernden Zeit? Und was war Ihr Antrieb?

Georg van Elst: Ich habe die erschütternden Bilder aus Italien und New York gesehen. Die Vorstellung, dass Menschen nicht die medizinische und pflegerische Hilfe bekommen, die sie benötigen, war und ist für mich unerträglich. Auch in Hamburg wurden ehemalige Pflegekräfte aufgefordert, zu helfen. So griff ich noch am selben Tag zum Telefon und rief meinen Chef an, um mich freistellen zu lassen. Er war sofort einverstanden und 14 Tage später bekam ich von der Stadt verschiedene Einsatzmöglichkeiten vorgeschlagen. Schließlich entschied ich mich für vier Wochen in einem Pflegeheim. Das war auch für mich eine Premiere, denn zuvor war ich nur in Krankenhäusern beschäftigt gewesen.

Georg van Elst

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Leiter des Fachzentrums Pflegeleistungen der Techniker Krankenkasse in Dresden

Eine Pflegereform ist seit Jahren überfällig. Leider ist dabei nur ein Reförmchen rausgekommen. Georg van Elst

Die Zeit hat mich auf jeden Fall sehr geprägt. Nach 15 Jahren als Projektmanager beziehungsweise Teamleiter war ich ziemlich aufgeregt, wieder ans Patientenbett zurückzukehren. Doch die Kolleginnen und Kollegen und auch die Bewohnerinnen und Bewohner haben es mir leicht gemacht, mich zu integrieren. Es hat mir enormen Spaß gemacht, die Pflegebedürftigen zu unterstützen. Es war aber auch beklemmend, dass Corona immer näher kam. Schließlich hatten wir auch auf unserer Etage einen positiven Fall, der zum Glück glimpflich ausging.

TK: Kurz vor Ende der vergangenen Legislaturperiode hat sich die Regierung doch noch auf eine kleine Pflegereform einigen können. Was sind gute Ansätze und wo ist noch Verbesserungspotenzial?

van Elst: Eine Pflegereform ist seit Jahren überfällig. Daher ist es gut, dass das Thema noch angegangen wurde. Leider ist dabei nur ein Reförmchen rausgekommen. Die wichtigen Fragen wie eine zukunftssichere und faire Finanzierung sind weiter ungeklärt. Außerdem wurde das eigentlich vorgesehene Informationsportal zu Angeboten für Pflege- und Betreuungsleistungen nicht übernommen. Das wäre ein Fortschritt gewesen und ein deutlicher Mehrwert für Betroffene. Da muss die kommende Regierung dringend nachbessern.

Außerdem liegt mir ein weiterer Aspekt am Herzen. Wir fordern seit Jahren, dass die Rentenversicherungsbeiträge von pflegenden Angehörige endlich aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden und nicht mehr aus der sozialen Pflegeversicherung. Das ist schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und kann die SPV deutlich entlasten. 

TK: Durch den demografischen Wandel wird es in Zukunft immer mehr Pflegebedürftige geben. Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Digitalisierung bei Bewältigung der Herausforderungen?

van Elst: Wie in allen Bereichen kann die Digitalisierung - richtig eingesetzt - einen wichtigen Beitrag leisten. Durch Smart-Home-Technologien kann beispielweise das System entlastet werden, weil Pflegebedürftige länger und selbstständiger zu Hause wohnen bleiben können.

Aber auch darüber hinaus können digitale Prozesse und Anwendungen viele Dinge erheblich erleichtern. Ein gutes Beispiel ist das eben erwähnte Informationsportal, das jetzt doch nicht eingeführt wurde. Warum funktioniert das bei Ferienwohnungen und bei Pflegeplätzen nicht?!

TK: Was tut die TK, um den bei ihr versicherten Pflegebedürftigen zu helfen?

Wir versuchen, durch eine gute Erreichbarkeit und kompetente Beratungen so gut es geht zu unterstützen. Uns ist es dabei wichtig, den Versicherten möglichst unkompliziert zu helfen. Für die Angehörigen ist ein akuter Pflegefall eine emotional schwierige Situation, da ist es dann wichtig, unbürokratisch Hilfe anzubieten. Bei uns ist deswegen beispielsweise ein Pflegeantrag via Telefon oder Internet möglich.

TK: Woher weiß die TK, wie sie Betroffene am besten unterstützen können?

van Elst: Wir bemühen uns seit einigen Jahren, aus der Perspektive der Versicherten zu denken. Dazu nutzen wir sogenannte Customer Journeys. Bei den ausführlichen Interviews befragen wir Betroffene ganz bewusst nach ihrer Sicht und ihren Bedürfnissen. Ich konnte bei einigen Interviews selbst dabei sein. Das eröffnet ganz neue Perspektiven und zeigt, welche Probleme im akuten Fall wirklich am dringendsten sind. Selbst taffe Menschen, die mitten im Leben stehen, können durch einen plötzlichen Pflegefall in der Familie völlig überfordert sein. Da müssen wir ansetzen und für die Betroffenen da sein.

Zur Person

Georg van Elst ist gelernter Krankenpfleger und leitet bei der TK das Fachzentrum Pflegeleistungen in Dresden. Zuvor war er in Hamburg für das Team Pflege in der TK verantwortlich.