Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg, erläutert im Interview, welche Wirkung das PUEG haben wird und welche Maßnahmen in Hamburg zur Unterstützung der Pflege noch möglich sind.

TK: Das PUEG ist am 1. Juli 2023 in Kraft getreten. Ist damit das Thema Pflege für diese Legislaturperiode damit erstmal vom Tisch?

Maren Puttfarcken: Ich denke es gibt auch weiterhin viel zu tun. Denn die Menschen werden immer älter, die Ausgaben der Pflegeversicherung steigen stetig, die Rücklagen schrumpfen - und wir haben einen Fachkräftemangel. Bei der Digitalisierung in der Pflege sind wir zwar erste Schritte gegangen, aber das Thema Pflege und die damit verbundenen Herausforderungen werden uns weiter begleiten. Das Maßnahmenbündel, das mit dem PUEG umgesetzt werden soll, ist leider eher dürftig - das ist bedauerlich. Der Koalitionsvertrag der Ampel war da deutlich ambitionierter.

Positiv ist, dass es durch das PUEG drei konkrete Leistungserhöhungen gibt, die den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zugutekommen werden. Sowohl das Pflegegeld als auch die ambulanten Sachleistungsbeträge steigen zum 1. Januar 2024 um jeweils fünf Prozent. Auch die Leistungszuschläge zu den pflegebedingten Aufwendungen bei vollstationärer Pflege werden erhöht. Zu begrüßen ist, dass alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung - sowohl im häuslichen wie auch im teil- und vollstationären Bereich - in zwei Stufen steigen werden. Die kommende Dynamisierung zum 1. Januar 2025 mit einem Anstieg um 4,5 Prozent fällt mit Blick auf die aktuelle Inflation weniger ins Gewicht. Im Jahr 2028 wird eine Leistungsdynamisierung an eine volkswirtschaftliche Kenngröße, die sogenannte Kerninflation, gekoppelt. Das sind zwar kleine Verbesserungen, aber der erhoffte große Wurf ist mit diesem Gesetz leider nicht gelungen.

Mehr Geld der Beitragszahlenden mag kurzfristig helfen, kann aber nicht die langfristige Lösung sein. Wir brauchen daher eine nachhaltige Finanzierungsperspektive der Sozialen Pflegeversicherung. Maren Puttfarcken

Maren Puttfarcken

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Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg

TK: Welche Aspekte fehlen aus TK-Sicht noch für eine echte Reform?

Puttfarcken: Wir hätten uns eine langfristige Dynamisierung der Leistungen gewünscht. Zuletzt wurde das Pflegegeld 2017 erhöht. Die Anhebung war also längt überfällig. Doch eine jährliche Dynamisierung hat es leider nicht in dieses Gesetz geschafft, und auch die langfristige Regelung der Dynamisierung bleiben offen. Auch wenn es für Menschen mit mehreren Kindern eine Entlastung gibt, so werden alle Maßnahmen über steigende Beiträge finanziert. Der allgemeine Beitragssatz zur Pflegeversicherung steigt von 3,05 auf 3,4 Prozent. Mehr Geld der Beitragszahlenden mag kurzfristig helfen, kann aber nicht die langfristige Lösung sein. Wir brauchen daher eine nachhaltige Finanzierungsperspektive der Sozialen Pflegeversicherung.

Dazu möchte ich zwei Beispiele nennen: Im Koalitionsvertrag hatte man sich darauf verständigt, dass künftig die Rentenversicherungsbeiträge pflegender Angehöriger durch den Bundeshaushalt übernommen werden. Dies ist aus TK-Sicht weiterhin notwendig und wurde im PUEG nicht geregelt. Ebenso haben die Pflegeversicherungen in der Coronapandemie Aufgaben des Staates übernommen, die ausgeglichen werden sollten - auch diese Regelung bleibt der Bund schuldig.

Bei der Digitalisierung ist die verpflichtende Anbindung der stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur zu begrüßen. Leider wurde die verpflichtende Umsetzung bis 1. Juli 2024 um ein Jahr nach hinten verschoben. Wir brauchen Digitalisierung aber heute und nicht übermorgen.

TK: Das PUEG ist ein bundesweites Gesetz. Was kann Hamburg tun, um die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen zu unterstützen?

Puttfarcken: Die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen immer weiter an und ebenso seit Jahren die Eigenanteile in der stationären Pflege. Diese Eigenanteile liegen, nicht nur in Hamburg, bei durchschnittlich rund 2.000 Euro im Monat. In den letzten Jahren zahlten Pflegebedürftige in Hamburg allein für Investitionskosten monatlich knapp 550 Euro. Nun ist es so, dass auch die Bundesländer die Aufgabe haben, Investitionskosten für die stationäre Altenpflege zu fördern. Eigentlich, denn die entsprechende gesetzliche Regelung in § 9 SGB XI ist unverbindlich geschrieben und bietet Platz für Interpretationen. Nach einem Bericht des IGES Instituts hat das Land Hamburg im Jahr 2021 über 500.000 Euro an Investitionsmitteln zur Verfügung gestellt. In Bremen waren es fast 2,5 Millionen. Umgerechnet hat Hamburg also eine Fördersumme von sieben Euro je Pflegebedürftigen ausgegeben, während zum Beispiel Bremen 72 Euro je Pflegebedürftigen ausgab. In Nordrhein-Westfalen waren es 725 Euro und in Sachsen null Euro. Deshalb fordert die TK, die Länder zu verpflichten, die Investitionskosten verbindlich zu übernehmen. Damit würden die Eigenanteile der Pflegebedürftigen kurzfristig deutlich gesenkt.